Grafing:Erfolgreicher Antipolitiker

Sepp Carpus hat den Vorsitz der Grafinger CSU in unruhigen Zeiten übernommen und sie mit seiner bescheidenen Art wieder auf Kurs gebracht. Am Montag tritt er zur Wiederwahl an.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Grafing: Selbst wenn er sich schick macht, verzichtet Sepp Carpus auf eine Krawatte. Hemd und Jackett müssen reichen.

Selbst wenn er sich schick macht, verzichtet Sepp Carpus auf eine Krawatte. Hemd und Jackett müssen reichen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Parteifreunde vor Gericht, angeblicher Betrug bei der Vorstandswahl, das Zerwürfnis mit dem eigenen Bürgermeister. Der Ruf des Grafinger CSU-Ortsverbands war lange Jahre nicht nur nicht gut - er war richtig schlecht. Im Frühjahr 2011 schließlich übernahm Sepp Carpus den Vorsitz. Und siehe da, es kehrte ein, was sich alle wünschten: Ruhe. Am Montagabend tritt er zur Wiederwahl an.

Als es im März vor vier Jahren um den Vorsitz des CSU-Ortsverbands ging, war Carpus wie jeden Morgen in eine legere Jeans gestiegen. Vor der Sitzung zog er schnell noch ein weißes Hemd und ein schwarzes Jackett drüber. Krawatte? Brauchte es keine. Dann begann er zu reden. Eine "offene, ehrliche und aufrichtige Politik" wolle er machen. "Mit Haudrauf und Schubladenmentalität kann ich mich nicht identifizieren." Er sagte "wir" und "uns", "ihr" und "euch" und noch viel öfter: "miteinander".

Spät am Abend waren die Stimmzettel ausgezählt. Carpus stand als neuer Vorsitzender fest. Er stand in der Mitte, ohne sich in die Mitte gedrängelt zu haben. "Mir wäre es am liebsten, der Graf Rechberg macht weiter", hatte Carpus ein paar Tage vor der Wahl gesagt. "Ich finde Konstanz bei diesem Amt wirklich wichtig." Carpus drückte Hände, klopfte auf Schultern, sagte: "Packen wir's an." Eine neue konservative Bescheidenheit. "Ich bin nicht wirklich politisch", sagt der selbstständige Fernsehtechnikermeister über sich selbst. "Ihm ist die Gemeinschaft wichtiger als die Selbstprofilierung", beschreibt ihn eine langjährige Weggefährtin, die frühere CSU-Stadträtin Anja Walz. In Carpus' Fall bedeutet das: Er setzt auf die Gemeinschaft der Grafinger.

Was den CSU-Chef so unpolitisch macht, sind nicht die politischen Inhalte. Sondern sein anti-politisches Auftreten. Carpus ist keiner, der aufsteht und redet, nur damit geredet ist. Keiner, dem Seminarleiter beigebracht haben, jedwede konkrete Aussage geschickt zu vermeiden. Vor Worthülsen graust es ihm regelrecht. Und selbst um einen Ministerbesuch macht Carpus kein großes Aufheben. "Servus beieinander" waren seine ersten Worte, als Bayerns damaliger Umweltminister Marcel Huber (CSU) im vergangenen Jahr zum Dreikönigsempfang vorbeischaute.

So etwas kommt an in Grafing. Nach zwei Jahren bestätigten die CSU-Mitglieder Carpus mit Applaus im Amt. Keine einzige Gegenstimme musste der heute 57-Jährige einstecken. Ein solches Ergebnis wäre in jedem anderen Ortsverband von Nachrichtenwert gewesen. Irgendwen, der den Chef wegen irgendetwas nicht mag, gibt es doch eigentlich immer.

Wie Anja Walz gehört auch Lothar Brandmair zu denen, die Carpus seit Jahrzehnten kennen. Das Ergebnis überraschte ihn damals kaum. "Er handelt mit Augenmaß, er ist bescheiden, er ist nicht auf Konfrontation aus und vor allem verlässlich", sagt er. Die CSU sei für Carpus keine Kampfarena, sondern eine Plattform, um auf christlichem und sozialem Fundament für das Wohl der Stadt zu arbeiten. Mindestens genauso wichtig ist für Brandmair noch etwas anderes: "Der Sepp ist eine Integrationsfigur, auch über den Ortsverband hinaus." Tatsächlich ist es meist Sepp Carpus, den die anderen Grafinger Parteien ansprechen, wenn sie irgendwo überparteilichen Abstimmungsbedarf sehen. Oder es ist Carpus, der bei den anderen anruft.

Einzig einmal war in den vergangenen Jahren Kritik an Carpus laut geworden. Im März 2014 war das, kurz vor der Stichwahl um den Chefsessel im Grafinger Rathaus im vergangenen Jahr. Einige alte CSU-Granden hatten eine Wahlempfehlung zugunsten der Grünen-Kandidatin Angelika Obermayr abgegeben - um der bei ihnen unbeliebten CSU-Kandidatin Susanne Linhart eins auszuwischen. Da müsse Carpus doch auf den Tisch hauen, hieß es. Carpus aber biss sich auf die Lippen, schwieg und verhinderte damit die Debatte. Nicht auszumalen, wäre im Stichwahlkampf eine CSU da gestanden, die ihre eigene Kandidatin absägt.

Gegenkandidaten für die Wahl am Montagabend haben sich bislang keine gemeldet. Wählen die CSU-Mitglieder Carpus erneut, hätte der Ortsverband seit langem wieder eine konstante Führung. Es wäre das, was sich Carpus im Frühjahr 2011 gewünscht hatte, als er Graf Rechberg zum Weitermachen überreden wollte.

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