Grafing:Einfach mal entspannen

Lesezeit: 2 min

Die Lehrerin und Kabarettistin Christine Eixenberger im Turm

Von Peter Kees, Grafing

Dass der Kosmos Schule eine wahre Fundgrube fürs Kabarett ist, weiß man seit den pädagogischen Rundumschlägen eines Han's Klaffl. Doch auch den Namen von Christine Eixenberger sollte man sich merken. Sie ist schrill, scharf, derb, intelligent, witzig, fast ein wenig zynisch, hat Charme und hält ihrem Publikum den Spiegel vor. Die Schlierseer Kabarettistin war am Donnerstag und Freitag mit ihrem zweiten Soloprogramm "Lernbelästigung" zu Gast in der Turmstube der Stadthalle Grafing. Tief bayerisch ist sie und bühnenpräsent. Nicht umsonst moderiert die 29-Jährige seit 2013 die Comedy-Talkshow "Habe die Ehre" im Bayerischen Fernsehen.

Ihr Programm "Lernbelästigung" funktioniert vielleicht deswegen so gut, weil sie aus dem Themen-Repertoire des eigenen Lebens schöpft. Auf der Bühne zieht sie über den Beruf des Lehrers her. Nach einer Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten und drei Semestern Jurastudium studierte sie Lehramt für die Grundschule und ist inzwischen als Referendarin tätig. In allen möglichen Facetten parodiert sie Schüler, gibt selbstkritisch Einblicke in das Pädagogen-Dasein, vor allem aber philosophiert sie über das Bildungssystem an sich. Exemplarisch deckt sie dabei allerlei Absurdes auf. Ob mit Blick auf die Bologna-Reform - von ihr als "Bologneser Bombe" bezeichnet ("Pisa, Bologna, einen Bachelor kann man beim Pizzaservice bestellen") - oder auf die hochgezüchtete Generation von lauter kleinen Hochbegabten, die neben der Schule durch möglichst viele Aktivitäten überfordert werden: Es gelingt ihr, einen sezierenden Blick auf die Gesellschaft zu werfen.

Was zum Bespiel, so fragt sie, ist eigentlich Bildung? Alle Eltern wollten das Beste für ihre Kinder - doch was ist das Beste? Ein Schüler, der in der vierten Klasse Chinesisch beherrscht, aber sich noch immer nicht selber die Schuhe zubinden kann? Eixenberger erinnert an die eigene Kindheit: Wer früher in der vierten Klasse so etwas nicht konnte, galt als Depp - heute gilt er als hochbegabt. Und sie hat recht: Die Konzeption von Kindheit hat sich geändert. In Kindern werde nurmehr Humankapital gesehen. Ob sie dabei fast beiläufig die Machenschaften von Großkonzernen vorführt, über den Kampf der Geschlechter spricht oder über politische Korrektheit herzieht, ihre Analysen sind treffsicher. Mit messerscharfen Verstand entlarvt sie den unbedingten Willen unserer Gesellschaft zu immer mehr Effizienz, Leistungssteigerung und Wettbewerbswahn. Sie selbst sei keine Lehrerin, sondern "Bildungsmanagerin". Im Grunde sei damit schon alles gesagt. Christine Eixenberger ist keine Witzeerzählerin, obwohl sie das kann und es auch tut. Ihr Biss geht aber tiefer. Ihre Botschaften sind subtil und mit Humor vermischt, wobei sie das Publikum einbezieht. Ihr Aufruf an die Eltern: Sorgt dafür, dass sich die Kinder ein bisschen wohler fühlen können. Lasst sie doch einfach mal entspannen.

Ob Sexualkunde, politische Analyse oder die Songs zwischen den Textpassagen: Es macht ungeheuren Spaß, ihr zuzuhören.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: