Grafing:Ein Gotteshaus fällt in Sünde

Nach der Schändung der Leonhardikirche scheint es eine heiße Spur auf den oder die Täter zu geben

Von Michael Haas

Grafing: Unbekannte haben den Heiligenfiguren Hände, Stäbe und Schwerter abgebrochen, um sie auf dem Altar der Leonhardikirche zu verbrennen. Foto: Christian Endt

Unbekannte haben den Heiligenfiguren Hände, Stäbe und Schwerter abgebrochen, um sie auf dem Altar der Leonhardikirche zu verbrennen. Foto: Christian Endt

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Noch immer ist der Schock groß in Grafing. Am Wochenende waren Unbekannte in die Leonhardikirche eingebrochen und hatten Heiligenfiguren zerstört, eine Reliquie entwendet und ein Feuer auf dem Altar entzündet. Von der zuständigen Polizeiinspektion in Ebersberg hieß es am Montag lediglich, man wolle sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht an Spekulationen beteiligen, sei aber "zuversichtlich", den Einbruch bald aufklären zu können. Es scheint eine heiße Spur zu geben, denn auch aus der Pfarrei heißt es, man habe neue Information. Mehr könne allerdings noch nicht gesagt werden. Auch der genaue Sachschaden ist noch immer unklar, die Polizei spricht von einigen tausend Euro. Und während die Polizei noch nach den Tätern sucht, beginnen in der Pfarrei und im Ordinariat der Erzdiözese München-Freising bereits die Überlegungen, wie es mit dem Gotteshaus weitergehen soll.

Denn weil eine Kirche dem katholischen Glauben nach ein heiliger Ort ist und einst von einem Bischof geweiht wurde, ist es mit bloßen Aufräumarbeiten in der Leonhardikirche nun nicht getan. Denn es muss geprüft werden, ob das Kirchlein noch als heilig angesehen werden kann. Im Kirchenrecht heißt es dazu, die weitere Heiligkeit des Ortes stehe in Frage, wenn dort "schwer verletzende, mit Ärgernis für die Gläubigen verbundene Handlungen" ausgeführt wurden, die der "Heiligkeit des Ortes entgegen sind".

Hierbei unterscheidet die katholische Kirche in zwei Kategorien. Eine Entweihung des Gebäudes findet statt, wenn dieses ganz oder in großen Teilen zerstört wurde. In diesem Fall ist eine neue Weihe des Gotteshauses nötig. Eine Schändung im kirchenrechtlichen Sinne liegt vor, wenn in ihr ein Mord oder Unzucht begangen oder mutwillig Gegenstände darin zerstört wurden. Dann genügt eine sogenannte Rekonziliation, eine Wiederaufnahme der Kirche durch einen Gottesdienst mit dem Bischof. Dieser stellt einen Bußritus da, der die in Sünde gefallene Kirche wieder in die Weltkirche aufnimmt. Das gesamte Verfahren ähnelt dem der Wiederaufnahme reuiger Menschen nach der Aufhebung ihrer Exkommunikation und zeigt, welche Bedeutung das Gotteshaus im katholischen Glauben hat.

Dass eine solche Wiederaufnahme auch in Grafing nötig sein wird, davon geht Mesner Andreas Krause aus. Er war am Sonntagmittag als erster vor Ort und entdeckte die Tat. Ein Rentner hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass mit dem Kirchlein etwas nicht stimme. Krause fand einen Großteil der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Heiligenfiguren zerstört vor. Die Unbekannten hatten ihnen Hände, Stäbe und Schwerter abgebrochen, um sie auf dem Altar der Leonhardikirche zu verbrennen.

Als einziges katholisches Gotteshaus in Grafing ist diese kein eucharistietragender Ort. Ein Glück, denn so blieb den Gläubigen das wohl schlimmste erspart: der Aufbruch des Tabernakels und die Schändung der darin liegenden konsekrierten Hostien - dem Glauben nach der Leib Christi. Auch deshalb scheint eine Schändung aus kultischen Gründen als ausgeschlossen. Zwar gibt es Riten wie die schwarze Messe, bei welcher der katholische Glauben und dessen Liturgie verhöhnt werden sollen, doch diese folgen strengen Abläufen. Danach aber sieht das Chaos, das die Täter in der Leonhardikirche hinterlassen haben, nicht aus.

Unklar ist auch noch immer, wie die Unbekannten in die Kirche aus dem 13. Jahrhundert gelangen konnten, denn diese ist normalerweise verschlossen. Möglicherweise wurde das einfache Schloss mit einem Dietrich geöffnet.

In den vergangenen Jahren haben deutschlandweit die Kirchenschändungen zugenommen. Auch im Landkreis kam es erst in den vergangenen Monaten zu Schändungen. In Steinhöring wurde die Kirche verwüstet und in Poing warfen Unbekannte ein Fenster ein. Den Grafinger Tätern droht nun eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Auch von der katholischen Kirche droht ihnen die härteste Strafe: die Exkommunikation.

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