Grafing:Echtes Spitzenteam

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Trainer Marco Capobianco von den Grafing Asylkick Blackbears. (Foto: Christian Endt)

Das Flüchtlingsteam des TSV Grafing führt die Ligatabelle an

Von Matthias Reinelt, Grafing

Er brodelt. Man sieht es ihm an. Offiziell sind es noch fünf Minuten bis zum Spielbeginn, und vom Torwart der "Black Bears" noch keine Spur. "Das gab's schon lange nicht mehr", sagt Marco Capobianco, er ist der Trainer der Flüchtlingsmannschaft des TSV Grafing. Sein Team spielt in der Royal Bavarian League, eine seit 30 Jahren bestehende Liga, in der Freizeitmannschaften gegeneinander antreten. An diesem warmen Sonntagnachmittag soll es gegen "Hellenic Eleven" aus München gehen. Capobianco ist sauer, einige Spieler sind noch nicht erschienen, beim Aufwärmen vermisst er die nötige Konzentration. Doch auch vom Gegner sind erst sieben Spieler auf dem Platz, wenigstens der Schiedsrichter ist schon da.

"Ein Drama" sagt er über das Thema Pünktlichkeit, drei Monate habe es gedauert, bis sich etwas getan hat. Um diesen Lernprozess zu beschleunigen, musste er "mal dazwischenhauen". Er hat sie einfach mal stehen gelassen, die etwa 15 bis 20 jungen Männer, die zum Fußballspielen gekommen sind, erzählt er. Beim allerersten Training trudelten die ersten nach 45 Minuten ein, das zweite Mal konnte das Training erst mit eineinhalbstündiger Verspätung beginnen. "Ich arbeite ganz gerne alleine", sagt Capobianco. Der Austausch mit dem Helferkreis ist da, dessen Arbeit ist "top", einige schauen auch bei den Spielen zu, berichtet er. Die Hilfsbereitschaft der Münchner Bürger, die am Beginn der Flüchtlingswelle viele Spenden abgegeben hatten, habe ihn stolz gemacht, sagt er. "Dann wollte ich auch was machen."

Jeden Freitag trainiert der Sohn eines italienischen Gastarbeiters die U 9 des TSV Grafing. Im Sommer des vergangenen Jahres sah man immer mehr Flüchtlinge. Er habe ihnen dann einfach mal einen Ball "hingekickt". Beim TSV und der Stadt Grafing sah man das Projekt, ein Training für Asylbewerber anzubieten, nicht ausschließlich positiv an, viel Unterstützung bekam Capobianco zunächst nicht. Die Kapazitäten sind auch beim TSV Grafing wegen der vielen Teams knapp. Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) gefiel die Idee, sie erklärte das Projekt zu einem Projekt der Stadt Grafing, die Black Bears durften den Trainingsplatz weiterhin nutzen und ihre Heimspiele auf dem Hauptplatz austragen. Die Kosten für Auswärtsfahrten bezahlt Capobianco oft aus eigener Tasche, wie er berichtet. Mit viel Eigeninitiative treibt er das Projekt an, seine Arbeit zahlt sich aus. Er hat eine Mannschaft geformt, die derzeit auf dem ersten Tabellenplatz der Royal Bavarian League steht, ein Hobbyturnier in Grafing belegte das Team um Kapitän Yussuf auf Platz Eins.

Sein Fokus liege aber darin, dass die Spieler Arbeit finden. Vier Flüchtlingen hat er bereits eine Stelle vermittelt, sie arbeiten als Maurer, im Garten- und Landschaftsbau, als Verpacker. Es gehe ihm nicht darum, sein eigenes Projekt voran zu bringen, sondern die Flüchtlinge in die Gesellschaft zu integrieren. Das Ziel für jeden müsse sein, eine Ausbildung zu machen, so Capobianco. Schon oft habe er allerdings vernichtende Kommentare gehört, vom "Berufshelferlein" war die Rede. "Die Bevölkerung muss kapieren, es geht um Menschen. Jemand, der flüchtet, der haut vor etwas ab. Einige hatten jeden Tag Angst um ihr Leben."

"Wenn es sein muss, gehe ich auch betteln. Dafür bin ich mir nicht zu schade", sagt Capobianco. Das musste er aber oft erst gar nicht. Vom TSV 1860 München, bei dem er Mitglied ist, bekam er ausrangierte Trikots. Als Robert Haimerl vom Orthopädie-Schuhgeschäft aus Grafing von Capobiancos Engagement hörte, spendete er prompt 15 Paar Laufschuhe. Auch beim Sport Gürteler aus Kirchseeon gab es Sonderpreise für Fußballschuhe. Für seinen besten Spieler, der mittlerweile beim TSV Moosach in der Bezirksliga spielt, hat er die Patenschaft übernommen. "Er geht bei mir ein und aus."

© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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