Grafing:Dreieinhalb Tage für 61 Seiten

Lesezeit: 2 min

Kritik an Bürgermeisterin wegen spät verschickter Beschlussvorlage

Von Thorsten Rienth, Grafing

Erst dreieinhalb Tage vor der Sitzung schickte Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) eine aktuelle Beschlussvorlage an den Bauausschuss. Sie ist 61 Seiten lang und betrifft eines der derzeit wichtigsten Grafinger Wohnungsbauprojekte: den Bebauungsplan für das Baywa-Gelände. Stadtrat Heinz Fröhlich (Bündnis für Grafing) hat deshalb am Dienstagabend per Geschäftsordnungsantrag den politischen Aufstand geprobt. Um ein Haar wäre er erfolgreich gewesen.

"Die dreieinhalb Tage reichen nicht, um das anständig bis heute durchzuarbeiten", begründete Fröhlich seinen Geschäftsordnungsantrag. Auf den 61 Seiten geht es um insgesamt 17 Stellungnahmen von Behörden, Unternehmen und Grafingern zu dem Vorentwurf des Bebauungsplans. Sie reichen von naturschutzfachlichen Belangen über immissionsschutzfachliche Stellungnahmen bis hin zu den Bedenken des nebenan gelegenen Busunternehmens. Er beantrage deshalb, den Tagesordnungspunkt auf eine der nächsten Sitzungen zu verschieben, sagte Fröhlich.

Bürgermeisterin Obermayr dürfte mit dem Zug zwar gerechnet haben, setzte aber dennoch sichtlich zerknirscht zur Gegenrede an. "Wo viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen sind, kommt man leider manchmal in Zugzwang", erklärte sie. Deshalb sei die Vorlage "ein bisserl verspätet" gewesen. Natürlich wisse sie um den entsprechenden Passus in der Geschäftsordnung. Dieser legt eine Frist von sechs Tagen zugrunde, der Sitzungstag und der Tag des Zugangs sind dabei nicht mit eingerechnet. In begründeten Fällen seien Ausnahmen möglich, betonte Obermayr. Auf Hintergründe oder Details ging sie jedoch nicht ein. In der E-Mail an die Stadträte am Samstag hatte die Bürgermeisterin die Verzögerung noch mit einem Softwareproblem im Ratsinformationssystem (RIS) begründet.

Von mehreren Mitgliedern des Stadtrats war vor der Sitzung zu hören, dass die Zeit beim Baywa-Verfahren dränge. Es sei unerlässlich, hieß es, dass der Bauausschuss den Plan noch vor den Sommerferien behandle. Nur so könne ihn wie vorgesehen der erst im Oktober wieder tagende Stadtrat zeitig beraten. Das deckt sich mit zwei Kommentaren aus der Sitzung. "Jeder sollte sich der Verzögerung bewusst sein", warnte Obermayr vor den Auswirkungen für den Fall, dass Fröhlichs Antrag stattgegeben werde. Bauamtsleiter Josef Niedermaier äußerte sich nahezu wortgleich.

Bei der Abstimmung fand sich eine seltene Koalition aus weiten Teilen der CSU-Fraktion und dem BfG zusammen. Deren fünf Stimmen reichten allerdings nicht, weil der Zusammenschluss aus SPD, Grünen, Freien Wählern und der Bürgermeisterin selbst auf sechs Stimmen kam. Bei der Abstimmung für den sogenannten Billigungs- und Auslegungsbeschluss, also praktisch über die Gegenreden der Stadt zu den eingereichten Einwänden, hatte Obermayr eine breite Mehrheit beisammen.

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: