Ausschreitungen beim Eishockey:Die Hooligans der Oberliga

Ausschreitungen beim Eishockey: Schon vor zwei Jahren eskalierte die Situation bei einem Heimspiel des EHC Klostersee. Die Spieler mussten durch ein Polizeispalier gehen.

Schon vor zwei Jahren eskalierte die Situation bei einem Heimspiel des EHC Klostersee. Die Spieler mussten durch ein Polizeispalier gehen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Fanausschreitungen waren bisher vor allem ein Phänomen des Fußballs - seit fünf Jahren häufen sich die Vorfälle aber auch in Eishockeystadien. Am schlimmsten ist es in Bayern - und die größten Chaoten kommen nach Grafing.

Von Korbinian Eisenberger, Grafing

Alexander Stolberg würde gerne über Eishockey sprechen, über die gute Bilanz des neuen Trainers, oder das nächste Pflichtspiel, am Freitagabend gegen Landshut. Doch Stolberg, der erste Vorsitzende des EHC Klostersee, muss sich in diesen Tagen mit ganz anderen Themen befassen.

Der Grafinger Verein hat seit Jahren mit Unsportlichkeiten einiger Zuschauer zu kämpfen - auf den Rängen und vor dem Stadion des EHC Klostersee. Immer wieder kommt es zu Schlägereien mit gegnerischen Fangruppen, jüngst randalierten Zuschauer während des Heimspiels gegen Regensburg vor zwei Wochen. Seit Jahren wird immer wieder gepöbelt, und geschlägert. Stolberg muss in diesen Tagen mal wieder Stadionverbote verhängen und sich mit der Polizei absprechen. Ihn ärgert das, sagt er, "alles wegen diesen Chaoten."

Warum der EHC die Pöbler nicht in den Griff bekommt, fragen sich mittlerweile nicht mehr nur die Grafinger. Oliver Seeliger, Spielleiter der beiden dritthöchsten deutschen Klassen Oberliga Nord und Süd hat die jüngsten Vorfälle über die Polizei erfahren. Seeliger muss die Vorfälle von München aus untersuchen.

Geschlägert wird vor allem in Bayern

Klar, sagt er, gepöbelt werde auch in anderen Stadien und Hallen. Weiden, Selb und Bayreuth mangele es wohl kaum an Fans, die sich verlässlich daneben benehmen."So schlimm wie in Grafing ist es aber nirgendwo sonst", sagt Seeliger. In manche Stadien kämen im Schnitt um die 2000 Zuschauer, in Grafing seien es nur um die 600. "Und trotzdem meldet uns die Polizei dort die meisten Vorfälle", sagt Seeliger. Für ihn ist es ein "schleichender Prozess", der vor fünf Jahren begonnen hat. "Früher, sagt er, "da hatten wir diese Probleme nicht".

Warum es gerade in Grafing immer wieder kracht, sei für ihn schwer zu erklären, sagt Stolberg. Treue Grafinger Fans, die seit Jahren ins EHC-Stadion gehen, berichten von jungen Burschen, die man vorher noch nie in Grafing gesehen habe. Die Polizei macht eine kleine Gruppe verantwortlich, die sie größtenteils der Münchner Hooligan-Szene zuordnet - ohne jegliches Interesse an dem Spiel. Es seien meist nur etwa zehn bis 15 Männer. Um wen genau es sich dabei handelt, wissen aber weder die Behörden noch Stolberg. Ob die Probleme allein einer Gruppe von Burschen aus der Münchner Fanszene zu Last gelegt werden können, denen es beim Fußball zu langweilig geworden ist? Bestätigen kann das bisher weder die Polizei noch der EHC.

Ausschreitungen beim Eishockey: Am vorigen Wochenende rückte die Polizei wieder mit einem Großaufgebot an, um die Grafinger und Weidener Fans zu trennen.

Am vorigen Wochenende rückte die Polizei wieder mit einem Großaufgebot an, um die Grafinger und Weidener Fans zu trennen.

(Foto: Christian Endt)

Neu sind Problemsfans längst nicht, bisher kamen die Meldungen jedoch meist von Fußballspielen. Negativbeispiele gibt es dort reichlich, in der Regel werden Sitzschalen aus der Verankerung gerissen, Pyrotechnik abgebrannt und Steine geworfen. Die deutsche Fußballliga (DFL) - sie organisiert die Spiele der ersten und zweiten Bundesliga - kann sich in solchen Fällen mit drastischen Maßnahmen behelfen. Der Untersuchungsausschuss kann Geldstrafen gegen die Vereine verhängen oder ligaweite Stadionverbote gegen Fans aussprechen. Im äußersten Fall kann die DFL zum härtesten Strafmaß greifen und der Mannschaft ein oder mehrere sogenannte Geisterspiele verordnen - also ein Heimspiel vor leeren Rängen als äußerste Maßnahme.

Nachdem Fan-Krawalle erstmals in der Oberliga Süd als Problem ausgemacht wurden, reagierte vor drei Jahren auch der Deutsche Eishockeybund (DEB), der dort die Ligen organisiert. Seeliger setzte sich mit den Vereinsspitzen zusammen, auch Stollberg saß mit am Tisch - und erarbeitete ein Konzept, wonach künftig nicht mehr nur der Verein, sondern auch der Verband Stadionverbote verhängen dürfe. Nach dem Heimspiel des EHC gegen Regensburg vor zwei Wochen, so Seeliger, habe der DEB sechs Grafinger Randalierern Stadienverbot erteilt, zwei davon dürfen wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch bis April 2020 kein Eishockeystadion mehr betreten.

Der Fußball könnte Vorbild werden

Gelöst ist das Problem damit nicht. Eine Woche später, am vergangenen Freitag beim Heimspiel des EHC gegen Weiden, glich das Grafinger Stadiongelände mal wieder einer Hochsicherheitszone. Um die 50 Beamte waren im Einsatz, die Bayerische Bereitschaftspolizei unterstützte dabei die einsatzführende Dienststelle mit Einsatzkräften des Unterstützungskommandos. "Nur durch die konsequente Trennung der Fanlager" habe die Polizei Ausschreitungen verhindern können, teilt das bayerische Innenministerium mit. Welche Kosten ein derartiger Einsatz verursacht, sei wegen des Verwaltungsaufwands nicht dokumentiert. Bezahlt wird der Einsatz vom Freistaat Bayern, die Vereine werden nicht an den Kosten beteiligt, weder beim Eishockey noch beim Fußball.

Der Stadtstaat Bremen wollte sich diese Regelung nicht mehr gefallen lassen. Weil ein Fußballspiel zwischen dem SV Werder und Hannover 96 im Dezember 2014 eskaliert war, hatten sich die Einsatzkosten dort vervierfacht. Eine halbe Million statt wie üblich etwas mehr als 100 000 Euro sollte Bremen dafür bezahlen. Als erstes Bundesland beschloss der Bremer Senat daraufhin, die Mehrkosten von sogenannten Risiko-Fußballspielen künftig auf den Verband umzulegen - also auf die DFL. Diese wehrt sich seit Eingang der Rechnung vehement, das Verfahren schwebt derzeit.

Strafenkatalog lässt keine "Geisterspiele" zu

Der wesentlich finanzschwächere Eishockey-Bund kann so etwas wohl kaum gebrauchen. Einen großen Handlungsspielraum, um etwa in Grafing einzuschreiten, hat Spielleiter Seeliger jedoch nicht. Im Strafenkatalog der Satzung des DEB befindet sich keine Klausel, die sich mit Ausschreitungen auf den Rängen oder außerhalb des Stadions befasst - solange nicht das Spiel auf dem Eis davon beeinträchtigt wird. Die Satzung beschränkt sich auf schlampige Eismarkierungen oder Regelungen bei Einwechselfehlern. "Was vor dem Stadion passiert, ist für die Satzung bisher völlig irrelevant", sagt Seeliger.

Stolberg hat einiges versucht. Die Sicherheitsfirma, die gegen Weiden weniger Personal schickte als besprochen, hat er längst entlassen. "Ich bin in ständigem Kontakt mit der Polizei", sagt er. Damit es nicht wieder eskaliert in den kommenden Wochen, wo für den EHC im Saisonendspurt sportlich so viel auf dem Spiel steht. Weniger Fans als noch in der Vorsaison kommen ins Grafinger Stadion, aber nicht deutlich weniger.

Trikotsponsor Löchle gab auf Nachfrage ein Treuebekenntnis ab, die Wasserburger Firma Meggle, ebenfalls Premium- und Trikotsponsor des EHC, verurteilt die Ausschreitungen "auf das Schärfste". Man erwarte vom EHC "die Unregelmäßigkeiten schnellstmöglich aufzuklären". Die Stadt Grafing, die den EHC mit 90 000 Euro jährlich unterstützt, will dies "nicht als Hebel benutzen, um Wohlverhalten der Fans zu erzwingen", wie Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) erklärt: "Es ist schwierig, die Fan-Szene zu ändern." Ähnliches lässt das Landratsamt wissen, der Landkreis ist ebenfalls Sponsor des EHC. Kürzungen würden die Falschen treffen, heißt es, nämlich die 200 Grafinger Nachwuchs-Eishockeyspieler.

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