Grafing:Der Zorn der Gläubigen

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In der Pfarrei St. Ägidius gibt es nach dem Streit über die Renovierung des Innenraums wieder Unfrieden. Stein des Anstoßes diesmal: der neue Fahrstuhl zur Unterkirche.

Von Michael Haas, Grafing

"Furchtbar", "entstellend", "verunstaltend": Die Worte einiger Gläubigen zum neuen Aufzug in der Grafinger Pfarrkirche St. Ägidius sind deutlich. Im Dezember wurde der verglaste Fahrstuhl in das Gotteshaus eingebaut, er soll den Zugang zur Unterkirche erleichtern. Doch was als Hilfe für Alte, Behinderte und Familien gedacht war, ruft bislang nur einen weiteren Streit über die Gestaltung der Kirche hervor. Der Einbau des Fahrstuhls habe zu einer "massiven und abstoßenden Entstellung des Kirchenzugangs" geführt, sagt ein Kirchgänger. Andere finden den Aufzug zwar sinnvoll, aber nicht an der Stelle.

Der Aufzug soll Alten, behinderten Menschen und Familien den Zugang zur Pfarrkirche St. Ägidius erleichern. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Hinzu kommt: Der Fahrstuhl konnte zunächst gar nicht genutzt werden. Ein eigens angefertigtes Podest am Zugang passte nicht und musste ausgetauscht werden, wie Kirchenpfleger Heinrich Hölzle erklärt. Den von einigen Gläubigen geäußerten Vorwurf der Geldverschwendung weist er zurück: "Das ist alles im Kostenplan."

Der behindertengerechte Zugang zur Unterkirche ist ein Dauerthema in der Pfarrei. Schon vor mehr als zehn Jahren begannen Planungen, an deren Ende der Einbau eines Treppenlifts stand. Der sei aber immer verschlossen gewesen, monieren die Kritiker. Hölzle entgegnet, der Treppenlift habe von Beginn an nicht funktioniert. In den vergangenen vier Jahren habe sich die Kirchenverwaltung deshalb um den Einbau eines Fahrstuhls bemüht. Die Planungen waren langwierig, alle möglichen Varianten mussten durch das Landesamt für Denkmalpflege geprüft werden. Den Aufzug an einer anderen Stelle zu errichten war deshalb laut Hölzle nicht möglich. Die Einwände des Denkmalamts würden nur vorgeschoben, sagen hingegen die Kritiker.

Dabei gab es laut dem langjährigen Pfarrgemeinderat Hans Rombeck einen weiteren Grund dafür, den Aufzug an seiner jetzigen Stelle zu errichten: Bei einer Besichtigung vor zehn Jahren habe die damalige Behindertenbeauftragte des Landkreises den Ort als einzig sinnvollen benannt, erinnert sich Rombeck. Zwar findet auch er den Fahrstuhl nicht besonders schön, "aber er ist wenigstens praktikabel". Und Pfarradministrator Josef Riedl betont, es gebe eine ganze Reihe von Leuten, "die sehnsüchtig darauf warten, dass der Aufzug in Betrieb geht".

Dass der Einbau des Aufzugs in der Pfarrei derart hohe Wellen schlägt, liegt wohl auch daran, dass unter den Grafinger Katholiken ohnehin Unruhe herrscht. Seit Monaten vergiftet der Streit über die geplante Innenrenovierung von St. Ägidius die Stimmung in der Pfarrei. In Briefen an den ehemaligen Pfarrer Hermann Schlicker und Kardinal Reinhard Marx kritisierten Gläubige Geltungssucht und Geldverschwendung durch Schlicker und die Kirchenverwaltung.

Die reagierten mit einer Presseerklärung und versuchten, in zahlreichen Artikeln in den Pfarrverbandsnachrichten "Don Quichotte" über den Stand der Renovierung aufzuklären. Zu wenig, fanden einige Gläubige und verteilten im Oktober anonym Flugblätter mit neuen Anschuldigungen in der Stadt. "Vieles entbehrt jeglicher Richtigkeit", sagt Hölzle zu den Angriffen, die vor allem ihn als Kirchenpfleger betreffen. Er sei nicht dialogfähig, informiere zu wenig und sei überhaupt ungeeignet für das wichtige Wahlamt in der Pfarrei, sagen mehrere Kirchgänger, die ihre Namen nicht in der Zeitung lesen wollen. Zur fachlichen Kritik gesellt sich häufig persönliche Abneigung, die in boshaften Nebensätzen - Stichwort "übrigens" - immer wieder deutlich wird.

Die Kommunikation der bisherigen Planungen und Maßnahmen war nicht immer gelungen, das räumen inzwischen auch die Verantwortlichen ein. Dass trotzdem weiter kritisiert und beispielsweise der Verbleib der bisher eingegangenen Spendengelder in Frage gestellt wird, dafür hat Hölzle kein Verständnis. Das Geld sei zweckgebunden angelegt und noch vollständig vorhanden, sagt er: "Das habe ich alles schon im Don Quichotte geschrieben. Aber die Leute wollen anscheinend nicht lesen."

Weitere Kritik gibt es am Umgang mit den Heiligenfiguren von St. Ägidius. Sie wurden vor Beginn der Sanierung der Raumschale im Jahr 2009 zu einem Restaurator bei Bad Tölz gebracht und sind seitdem dort eingelagert. "Es ist ein unmöglicher Zustand, seit sechs Jahren ist diese Kirche verunstaltet", sagt ein regelmäßiger Kirchgänger. Der Gottesdienstbesuch sei seit dem Entfernen der Figuren deutlich zurückgegangen, teilweise hätten sich sogar Fahrgemeinschaften gebildet, um andere Gottesdienste besuchen zu können.

Einige Gläubige erklärten Hölzle zufolge außerdem, nichts mehr bei der Kollekte zu geben, bis die Heiligenfiguren wieder zurück in der Pfarrkirche sind. "Die Leute werden sich nicht beruhigen, solange die Kirche nicht fertiggestellt wird", sagt einer. Auch dass die Figuren sachgemäß untergebracht sind, wird von manchen bezweifelt.

Hölzle hat sich davon nach eigenen Angaben im vergangenen Herbst selbst überzeugt. Um die Vorwürfe zu entkräften, kündigte die Kirchenverwaltung in der jüngsten Ausgabe des "Don Quichotte" zudem für das Frühjahr eine Fahrt zu den Figuren an. "Dort kann sich dann ein jeder selbst überzeugen, dass die vielen Exponate unserer Pfarrkirche alle vorhanden sind", schreibt Hölzle.

Die Kritiker verspotten das als "Wallfahrt" und sprechen von einem "Schildbürgerstreich". Hölzle wiederum sähe den an andere Stelle: Dann nämlich, wenn man die Figuren für mehrere tausend Euro zurück in die Pfarrkirche bringen lasse, nur um sie bei Beginn der Innensanierung wieder einzulagern.

Dass die Figuren in das Gotteshaus zurückkehren sollen, ist laut dem Pfarradministrator unstrittig. Zweifel daran weist er scharf zurück. "Das war nie in der Diskussion", sagt Riedl. Entsprechende Gerüchte würden wider besseres Wissens verbreitet. Wann es so weit sein wird und die Innenrenovierung beginnen kann, weiß allerdings auch die Kirchenverwaltung noch nicht. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", sagt Hölzle.

Derzeit liefen im Erzbischöflichen Ordinariat Vorarbeiten. Zwar dringt die Kirchenverwaltung nach eigenen Angaben auf eine rasche Umsetzung, doch in München lasse man sich Zeit. Die Erzdiözese kann es sich leisten, schließlich wird sie einen Großteil der Restaurierung bezahlen.

Dass die notwendig ist, daran gibt es laut Pfarradministrator Riedl keine Zweifel - nur über das Wie herrscht Uneinigkeit. Für das Frühjahr ist deshalb eine Pfarrversammlung geplant, bei der die Gläubigen mit der Kirchenverwaltung und Sachverständigen der Diözese diskutieren können. Das ist auch dringend nötig, findet Rombeck. "Der normale Grafinger hört von allen Seiten irgendwelche Vorwürfe und Reaktionen darauf", sagt der Pfarrgemeinderat. Die Gläubigen wünschten sich vor allem Informationen und eine offene Diskussion. Dann, so hoffen alle Beteiligten, könnte endlich Frieden einkehren in der unruhigen Pfarrei.

© SZ vom 31.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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