Stadtpfarrei Grafing:Behutsamer Zuhörer

Anicet Mutonkole-Muyombi ist neuer Grafinger Stadtpfarrer. Sein Amt geht er mit gelassenem Gottvertrauen an

Von Michael Haas, Grafing

"Ein Priester." Plötzlich und ohne lange zu überlegen ruft Anicet Mutonkole-Muyombi seine Antwort durch das Klassenzimmer. Was er denn einmal werden wolle, hatte die Englischlehrerin gefragt und dem Jugendlichen so eine gute Vorlage für den Scherz geliefert. Die Mitschüler lachen, Mutonkole-Muyombi lehnt sich zufrieden zurück. Auch mehr als 30 Jahre später freut er sich noch über den gelungenen Witz, immer wieder beginnt er zu lachen, während er die Anekdote erzählt. "Vielleicht war es Vorsehung", sagt Mutonkole-Muyombi dann nachdenklich und blickt sich im Büro des Grafinger Stadtpfarrers um. Seinem Büro,denn seit dieser Woche ist er auch offiziell Chef von St.Ägidius. Dass er nun hier ist, geht auf viele, eigentlich unwahrscheinliche Stationen in seinem Leben zurück. An ihrem Beginn steht die Episode im Unterricht. Sie hatte etwas im jugendlichen Mutonkole-Muyombi ausgelöst. Einige Monate später stehen er und ein Freund vor einem Mönch und sagen, dass sie ins Priesterseminar eintreten wollen. Der nennt den beiden Jugendlichen eine Bedingung: Sie müssen gute Noten haben, dann können sie am Ende des Schuljahres wiederkommen. Die beiden strengen sich an und wenig später steht Mutonkole-Muyombi wieder vor der Tür. Alleine allerdings - der Freund hatte es sich anders überlegt. "Als Jugendlicher wusste ich gar nicht so genau, was es bedeutet, ins Priesterseminar zu gehen", erinnert sich Mutonkole-Muyombi heute. Bereut habe er die Entscheidung trotzdem nie. "Ich bin bis heute glücklich damit", sagt er.

Der 50-Jährige ist im Kongo geboren und dort aufgewachsen, er ist das zehnte von zwölf Kindern. Fünf seiner Geschwister starben noch im Kindesalter. Da waren andere Dinge als die Kirche wichtig. Der Vater war zwar katholisch, doch Religion spielte in der Familie kaum eine Rolle. "Ich habe meinen Weg als Jugendlicher selbst gefunden", erzählt Mutonkole-Muyombi. Nach dem Abitur auf dem Knabenseminar, einem Internat für Jugendliche, die Priester werden wollen, begann er ein Studium der Philosophie und Theologie.

Stadtpfarrei Grafing: "Ich komme in das Haus und sage 'Ich möchte hier mit euch leben'." So sieht der neue Stadtpfarrer Anicet Mutonkole-Muyombi seinen Einstand.

"Ich komme in das Haus und sage 'Ich möchte hier mit euch leben'." So sieht der neue Stadtpfarrer Anicet Mutonkole-Muyombi seinen Einstand.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vier Jahre lang lernte Mutonkole-Muyombi, dann ergab sich eine unerwartete Chance. Weil sein Priesterseminar einen Kontakt mit dem Bistum Fulda pflegte, erhielt er ein Stipendium und flog 1992 zum ersten Mal nach Deutschland. "Es war alles anders", erinnert er sich. Die Sprache, die Kultur und auch die Gottesdienste. Im Kongo werde viel mehr gesungen, die Gläubigen seien in der Kirche oft fröhlich, erzählt Mutonkole-Muyombi. "Das ist eine wirkliche Feier." Die Kirche in seinem Heimatland ist auch deshalb deutlich jünger als in Deutschland. "Viele Jugendlichen hier tun zwar karitative Dienste und glauben, aber der Kontakt zur Kirche ist nicht sehr ausgeprägt", sagt der Priester.

Eingelebt hatte er sich während des Studiums trotzdem schnell. Vier Jahre lang studierte er in der Bundesrepublik, kurz vor dem Rückflug in den Kongo wurde er im Fuldaer Dom zum Diakon geweiht. "Ich bin froh, dass ich diese Chance hatte", sagt er heute.

Drei Jahre lang bleibt er in seiner Heimat, studiert fertig, wird zum Priester geweiht und übernimmt eine Pfarrei. 1999 zieht es ihn zurück nach Deutschland, wo er weiter studierte, um eines Tages als Professor an dem Priesterseminar zu lehren, in das er einst so unvermittelt eingetreten war. Er forscht nun an der Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main. Die Demokratisierung seines Heimatlandes und die Rolle der katholischen Kirche bei solchen Prozessen wird Thema seiner Doktorarbeit. "In den vielen Ländern Afrikas ist das eine aktuelle Frage", sagt er. Angesichts zahlreicher Diktatoren stelle sich für die Kirche schließlich immer wieder die Frage, wie sie sich verhalten sollte. Fazit: "Es ist schwierig."

Stadtpfarrei Grafing: Der Arbeitsplatz des neuen Grafinger Stadtpfarrers Anicet Mutonkole-Muyombi in der Pfarrkirche St. Ägidius.

Der Arbeitsplatz des neuen Grafinger Stadtpfarrers Anicet Mutonkole-Muyombi in der Pfarrkirche St. Ägidius.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

2006 stellte er die Arbeit fertig und wurde Doktor der Theologie. Zwei Jahre lang war er da schon Pfarradministrator in Planegg. Doch die Stelle im Priesterseminar hat Mutonkole-Muyombi nie angetreten. Stattdessen verlängerte er noch einmal in Planegg und blieb schließlich dauerhaft - für fast elf Jahre. Länger ist er noch nie in seinem Leben am selben Ort geblieben.

"Ich habe mich sehr wohl gefühlt dort", erzählt der Priester. Er schwärmt von schönen Gottesdiensten zu Weihnachten oder Ostern, der "tollen Musik" und - vor allem - der Begegnung mit den Gläubigen. Die sind ihm besonders wichtig und so betont er, wenn er nach seinen Plänen für die Zeit in Grafing gefragt wird, immer wieder: "Ich wünsche mir, dass wir unseren Glaubensweg gemeinsam gehen. Die Menschen können zu mir kommen und mit mir reden - über den Glauben, über alles."

In der in den vergangenen Jahren immer wieder unruhigen Pfarrei will Mutonkole-Muyombi zunächst vor allem zuhören, sich Wünschen, Sorgen und Problemen widmen. Den Pfarrverband vergleicht er mit einem Haus. Es sei bewohnt und habe seine Tradition, sagt der Priester. "Wichtig ist: Ich komme in das Haus und sage 'Ich möchte hier mit euch leben'." Veränderungen müssten behutsam und in Absprache geschehen, betont Mutonkole-Muyombi. Gleichzeitig fordert er Offenheit und die Bereitschaft zur Veränderung von den Katholiken im Pfarrverband.

Die Erfahrungen aus Planegg werden ihm dabei, so hofft er, nutzen und den Start erleichtern. Er hat das ja alles schon einmal erlebt, das Einziehen in die neue Wohnung, das Kennenlernen der neuen Gemeinde, die neuen Herausforderungen und Probleme. Doch er weiß auch: "Das Leben hat sich geändert." Aus den Kartons von 2004 ist ein voll beladener Umzugswagen geworden, aus dem Studenten ein erfahrener Pfarrer. Anicet Mutonkole-Muyombi wirkt zwischendurch, als könne er es selbst kaum glauben.

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