Demo für Meinungsfreiheit:Augenblick der Solidarität

"Je suis Charlie": In Grafing demonstrieren mehr als 200 Menschen für Toleranz und Meinungsfreiheit. Bürgermeisterin Angelika Obermayr betont: "Terroristen sind gottlos."

Von Anja Blum

Stürmisch, aber sonnig: Das Wetter schien sich dem Anlass anzupassen, als sich unter dem Motto "Je suis Charlie" am Samstagvormittag in Grafing mehr als 200 Menschen versammelten, um gegen den unfasslichen Terror in Paris zu demonstrieren und zugleich Solidarität mit seinen Opfern, deren Angehörigen und ganz Frankreich zu zeigen. Grünen-Stadtrat Wolfgang Huber hatte die Kundgebung ganz auf die Schnelle initiiert, "aus einem echten Bedürfnis heraus", wie er sagte. "Wenn die Presse- und Meinungsfreiheit angegriffen wird, muss ich handeln, denn sie ist ein wesentlicher Punkt einer freiheitlichen Gesellschaft."

Also hatte Huber am Freitag die lokalen Zeitungen informiert, seinen E-Mail-Verteiler genutzt und ein paar Plakate aufgehängt - mit Erfolg. "Ich bin sehr zufrieden mit der Resonanz", erklärte der Stadtrat nach der spontanen Versammlung. "Es freut mich sehr, dass so viele Menschen gekommen sind, diese paar Augenblicke der Solidarität miteinander zu teilen." Zunächst, um kurz vor elf, sah es auf dem Hans-Eham-Platz noch nicht danach aus, als würde Hubers Anliegen auf allzu großes Interesse stoßen.

Demo für Meinungsfreiheit: Spontan hat Grünen-Stadtrat Wolfgang Huber (links) zu der Demonstration aufgerufen. Mehr als 200 Menschen bekunden Solidarität mit den Opfern.

Spontan hat Grünen-Stadtrat Wolfgang Huber (links) zu der Demonstration aufgerufen. Mehr als 200 Menschen bekunden Solidarität mit den Opfern.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch dann füllte sich der Platz rasch, mit zahlreichen Bürgern, darunter auch Vertreter sämtlicher Fraktionen des Grafinger Stadtrats. Huber kam mit dem Verteilen seiner schwarz-weißen "Je-suis-Charlie"-Plakate kaum mehr hinterher. Doch nicht nur er hatte sich vorbereitet, auch andere hatten selbst kreierte T-Shirts oder Plakate mitgebracht. Den traurigen Charlie Brown sah man da, oder einen Bleistift im Gewand einer Friedenstaube. Wieder andere hatten einen vergleichsweise weiten Weg auf sich genommen, um an der Demonstration teilzunehmen. Wilfried Gillmeister zum Beispiel war extra aus Vaterstetten gekommen - auf Krücken. "Ich bin von meinen Freunden aus Grafing per Mail informiert worden, für mich persönlich ist es selbstverständlich, hier zu sein", sagte Gillmeister. "Man muss gegen die Angst antreten."

Das sahen auch die anderen Teilnehmer so - von einem barbarischen Akt und einem schockierenden Angriff auf die Freiheit war die Rede - auch wenn in dem ein oder anderen Gespräch über die Grenzen von Satire durchaus kritisch diskutiert wurde. "Mit ,Charlie' kann ich nicht ganz gehen, trotzdem bin ich da", sagte eine Frau - und schrieb kurzerhand das Wort Toleranz auf die Rückseite ihres Plakats. Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) hingegen bezeichnete in ihrer kurzen, aber eindringlichen Ansprache die Journalisten und Zeichner des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo als Helden. Nicht durch die Umstände ihres Todes seien sie dazu geworden, sie seien schon vorher solche gewesen: "Sie haben mit ihrer Waffe - mit Humor - unerschrocken gekämpft für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit", sagte die Bürgermeisterin.

Demo für Meinungsfreiheit: Mit spitzen Bleistiften zeigten die Demonstranten Flagge für die Meinungs- und Pressefreiheit.

Mit spitzen Bleistiften zeigten die Demonstranten Flagge für die Meinungs- und Pressefreiheit.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Weiter betonte sie, dass es in diesem Konflikt nicht um Religion gehe, sondern um Intoleranz. Denn egal, an was oder ob man überhaupt glaube, müsse man kritische Artikel und Karikaturen nicht mögen, aber aushalten - und gegebenenfalls gegen Drohungen und Angriffe verteidigen. Außerdem erinnerte die Bürgermeisterin daran, dass auch der christliche Gott "bereits als Grund für faschistisches Töten" habe herhalten müssen, für Kriege, Kreuzzüge, Rassismus, ethnische Säuberungen. "An der Religion liegt es nicht, es liegt an den Menschen. Terroristen sind gottlos", so Obermayr.

Die seltene Einigkeit in Protest und Solidarität über Parteigrenzen hinweg verdeutlichten die Worte des CSU-Landtagsabgeordneten Thomas Huber: "Ich schließe mich Angelika Obermayr uneingeschränkt an", sagte er, "wir müssen die demokratischen Grundwerte alle gemeinsam verteidigen und aus dem Landkreis Ebersberg ein Signal der Geschlossenheit senden." Das ist geschehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: