Ganz ohne Mehl:Tapioka ins Törtchen

Ganz ohne Mehl: Zum Anbeißen: So eine Schnitte aus der Kuchenbox kann für Menschen mit Glutenunverträglichkeit zu einem echten Problem werden. Anna Kraft aus Kirchseeon hat deshalb ihr Schulprojekt dafür genutzt, Süßspeisen zu entwickeln, die ohne Mehl auskommen und trotzdem gut schmecken.

Zum Anbeißen: So eine Schnitte aus der Kuchenbox kann für Menschen mit Glutenunverträglichkeit zu einem echten Problem werden. Anna Kraft aus Kirchseeon hat deshalb ihr Schulprojekt dafür genutzt, Süßspeisen zu entwickeln, die ohne Mehl auskommen und trotzdem gut schmecken.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Weil sie das Klebereiweiß selber nicht gut verträgt, hat die 17-jährige Kirchseeonerin Anna Kraft ein Backbuch mit glutenfreien Rezepten herausgegeben

Von Rita Baedeker, Kirchseeon

Behutsam, fast andächtig schneidet Anna Kraft in der Küche ihres Elternhauses in Kirchseeon ein Stück vom frisch gebackenen Eierlikörkuchen, der in einer himmelblauen Blechdose lagert, ab. Der feine Duft bestätigt, dass ihr der Guglhupf gut gelungen ist. Der Teig wirkt saftig, der Rand ist goldgelb. Genau das Richtige für einen tristen Wintertag. Zwei der drei Hauskatzen haben es sich neben ihr auf der Küchenbank gemütlich gemacht, am Kuchen sind sie zwar weniger interessiert, tragen aber mit ihrer trägen Ruhe zur gemütlichen Atmosphäre bei.

Die 17-jährige Schülerin der Waldorfschule in Schwabing war schon als kleines Mädchen fasziniert vom Backen. "Das ist mein größtes Hobby", sagt sie. Entstanden ist ihre Liebe zu Eier, Butter, Zucker und Mehl schon während der Schulzeit. "Zu allen Festen dort wurde gebacken, und ich habe immer meiner Mutter dabei geholfen", erzählt Anna.

Nach Jeder Mahlzeit war Anna übel. Sie verträgt kein Gluten

Dann aber, vor drei Jahren, erhielt sie eine zunächst niederschmetternde Diagnose: Gluten-Sensitivität. "Mir war nach jeder Mahlzeit übel, eine ausgiebige ärztliche Untersuchung führte dann zu dem Ergebnis." Zu denjenigen, die sich eine Gluten-Unverträglichkeit lediglich einredeten, weil es gerade Mode sei, gehöre sie aber definitiv nicht, sagt Anna. Für sie sei der Verzicht erst mal schlimm gewesen, "vor allem in der Weihnachtszeit". Weil es im Handel nicht viele schmackhafte glutenfreie Produkte zu kaufen gäbe, habe sie beschlossen, sich auf die Suche nach Rezepten zu machen, Mehlspeisen, die auch sie ohne Reue essen darf.

Vor einem Jahr stand dann in der Schule - sie besuchte die elfte Klasse - die Jahresarbeit an. "Da wir in der Wahl der Themen frei sind, habe ich beschlossen, ein Backbuch mit glutenfreien Rezepten zu schreiben", sagt Anna. Und nun ist es da. Lachende Emoticons in Bonbongrün und schokoladige Cupcakes auf dem Cover verheißen Genuss.

Und auch der Titel "Glutenfrei! und Spaß dabei" klingt absolut nicht nach Verzicht. Die Rezepte sind nach Jahreszeiten geordnet: Faschingskrapfen, Osterlamm, Obstkuchen, Beeren-Muffins, Karottenkuchen, Plätzchen und Lebkuchen - alles, was das Bäcker- und Schlemmerherz übers Jahr begehrt.

Anna hat recherchiert, getestet, experimentiert. "Das Problem ist: Man kann Mehl nicht einfach eins zu eins ersetzen, man muss darauf achten, dass die Konsistenz immer noch stimmt." Bei ihrem Brownie-Beerenkuchen zum Beispiel, der zum Anbeißen aussieht, nimmt sie für den Schokoladenboden statt des üblichen Mehls ein glutenfreies Produkt und fügt etwas Reis- oder Kastanienmehl dazu.

Beim Testbacken unterliefen Anna auch mal Fehler. Die Familie hat trotzdem alles aufgegessen

Als Ersatz für das Klebereiweiß Gluten eigneten sich auch Puddingpulver, Joghurt oder Quark, sagt Anna. "Anfangs gab es zahlreiche Pannen, ich lernte erst allmählich, wie sich ein Teig anfühlen muss, damit er gelingt." Aufgegessen wurden die verunglückten Gebäckstücke aber trotzdem. "Die Familie war da nicht kleinlich."

Als Alternativen zum gängigen Weizen- oder Dinkelmehl nennt sie Tapioka-, Mais-, Reis-, Kastanien- und Kichererbsenmehl. Wer auch den Zucker ersetzen möchte, findet in Xylit, Stevia, Agaven-Dicksaft oder Kokosblütenzucker einen geeigneten Süßstoff. Die Rezepte reichen vom "Amerikaner" bis zu Weihnachtsstollen und Plätzchen. Diverse Törtchen mit Eis, Quark, Nüssen und Äpfeln ergänzen die appetitliche Auswahl. Blaubeer-Streusel- und Mohn-Zitronenkuchen sowie die Kokos-Schichttorte sind auch für die Kaffeetafel mit Gästen eine gute Wahl.

Für die Jahresarbeit an der Waldorfschule genügte es jedoch nicht, tolle Rezepte zu kreieren; Anna musste jeden Schritt bis zur Fertigstellung des Buches genau in Text und Bild dokumentieren. Alles hat sie selbst gemacht, auch die "Doodling" genannten grafischen Muster, die jeweils ein jahreszeitliches Kapitel einleiten. Nur bei Layout und Druck hat sie mit einem Profi, einem Grafiker zusammengearbeitet. Die Erstauflage betrug 50 Exemplare. Verkauft wird das Buch über die Familie, bei Amazon und Apple.

Zeichnen ist neben Backen Annas zweites Hobby. Auch dieses Talent entdeckte sie schon früh im Unterricht. "Bei uns in der Schule wurden oft Märchen und Geschichten erzählt, und wir Schüler sollten dazu etwas malen. Ich begann damit, Formen zu zeichnen." Die filigranen Muster der im Backbuch abgedruckten Doodlings erinnern an geklöppelte Spitze.

Mittlerweile kann sich Anna Kraft vorstellen, später als Konditorin zu arbeiten, doch auch an einem Studium der Psychologie hat sie Interesse. Zunächst aber probt sie fürs Schultheater - Reineke Fuchs. Sie spielt darin die Königin. Kostüme und Bühnenbilder entstehen in Eigenregie. Anna Kraft, kreativ wie sie ist, gehört auch der Nähgruppe ihrer Schule an. Wie das Backen ist dies ein Handwerk, das Liebe und Feingefühl verlangt.

Das Backrezepte-Buch "Glutenfrei und Spaß dabei!" von Anna Kraft ist 2016 im Verlag Books on Demand Norderstedt erschienen, Gestaltung: Alexander Müller, Redaktion und Lektorat: Britta Kuhlendahl-Kraft, 79 Seiten, farbig illustriert, ISBN 978-3-7412826-4-5, 18 Euro.

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