Bio-Bauernhof:Die heile Tierwelt gibt es nicht

Bio-Bauernhof: Im Ferkelzuchtstall sind die Kastenstände sind zum Teil schon abgebaut. Diese Muttersau und ihre Ferkel haben jetzt mehr Platz im Stall.

Im Ferkelzuchtstall sind die Kastenstände sind zum Teil schon abgebaut. Diese Muttersau und ihre Ferkel haben jetzt mehr Platz im Stall.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

In den Herrmannsdorfer Landwerkstätten werden etwa 600 Schweine gehalten, möglichst artgerecht. Doch wie sieht das aus? Ein Besuch auf einem Vorzeigehof, der plötzlich in der Kritik steht.

Von Carolin Fries, Glonn

In der Fleischauslage im Hofladen liegt die Kuh der Chefin. Also Teile davon. "Ja, das müsste sie sein", sagt Josefa Studt, die hinter der Theke steht. Sie tippt sicherheitshalber eine Ziffer in die Kasse ein. Die Rinderhaltung ist nur ein Hobby der Familie Schweisfurth. Wenn eines der gehörnten Tiere fehlt, dann fällt das auf. Der Schwerpunkt der Herrmannsdorfer Landwerkstätten ist die Schweinezucht. Etwa 600 Schweine leben auf dem Hof, von dem Geschäftsführer Karl Schweisfurth sagt, er sei "wie ein kleines Dorf, nur die Kirche fehlt". Es gibt ein Wirtshaus, eine Käserei, Metzgerei, weitere Gebäude sind an eine Kaffeerösterei und einen Kindergarten vermietet. Wer hier arbeitet, wird an seinem ersten Tag durch das ganze Dorf geführt. So war es auch bei Josefa Studt, als sie hier vor fünf Jahren begann. Die Landwerkstätten gelten als Vorzeigebetrieb in der Öko-Landwirtschaft.

Dorfgespräch ist hier seit Mitte der Woche ein Bericht in der Sendung "Fakt" in der ARD und die darauf erfolgte mediale Berichterstattung. In der Sendung prangert der Verein "Soko Tierschutz" mit Sitz in Augsburg Missstände in der Tierhaltung auf dem Biohof an. "Die Kunden von Herrmannsdorfer glauben an die heile Welt, die für die bezahlten Höchstpreise versprochen wird. Die Realität sieht anders aus und unterscheidet sich in ihren Folgen kaum von der Massentierhaltung", heißt es auf der Homepage der "Soko". Zu sehen sind Bilder von Sauen in Kastenständen und blutverkrustete Zitzen.

"Ich bin empört über die Art und Weise, wie sogenannte Tierschützer hier eindringen und versuchen, uns kaputt zu machen", sagt Karl Schweisfurth. Er hat den Betrieb 1996 von seinem Vater übernommen. Er kann nur mutmaßen, wo die Kameras installiert waren und wann die verdeckten "Soko"-Ermittler da waren. "Die müssen sich nachts reingeschlichen haben." Die Ställe habe man nie abgesperrt. Es gehört hier zum Konzept, dass sich die Verbraucher anschauen können, wie die Tiere gelebt haben, bevor sie geschlachtet werden.

Schweisfurth hätte auch Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz die Ställe gezeigt, sagt Schweisfurth. Man hätte diskutieren können, ob es wirklich notwendig ist, die Zuchtsauen zum Abferkeln in Kastenstände zu nehmen. Doch darum schien es den Tierschützern nicht zu gehen. In ihrer Satzung wird "die Umsetzung der Tierrechte und der veganen Lebensweise" zum Ziel erklärt. Nun, vegan ist das in Herrmannsdorf freilich gar nicht. Im Gegenteil: Für Karl Schweisfurth ist die Tierhaltung unverzichtbarer Bestandteil der Landwirtschaft. Sie soll jedoch möglichst artgerecht sein.

Auch ein Bio-Bauernhof ist kein Streichelzoo

Tierhaltung, das ist nicht die heile Welt von Astrid Lindgrens Lönneberga. Konventionelle Tierhaltung sowieso nicht, aber auch die Haltung nach der EU-Ökoverordnung von 1991 sieht so nicht aus. "Das Wissen über den biologischen Landbau im Verbraucherbereich ist spärlich", sagt Josef Brunnbauer, Geschäftsführer des Biokreis-Erzeugerrings in Bayern. "Auch in Bio-Betrieben sterben Ferkel, werden Tiere krank", sagt er. Brunnbauer kennt die Landwerkstätten gut, seit 30 Jahren ist der Schweisfurth-Betrieb Mitglied im Bio-Verband. Es handele sich um einen "herausragenden Betrieb", sagt Brunnbauer. Hier sei man "immer einen Schritt weiter" gegangen, als es die Richtlinien vorgeben.

Bio-Bauernhof: Hofherr Karl Schweisfurth ärgert sich über die heimlichen Methoden der Soko-Tierschutz. Er hätte mit den Aktivisten gerne persönlich diskutiert und ihnen seinen Hof gezeigt.

Hofherr Karl Schweisfurth ärgert sich über die heimlichen Methoden der Soko-Tierschutz. Er hätte mit den Aktivisten gerne persönlich diskutiert und ihnen seinen Hof gezeigt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Biokreis ist einer von vier Bio-Verbänden in Bayern: Demeter ist mit etwa 400 angeschlossenen Betrieben der kleinste, Naturland und Bioland sind mit jeweils etwa 2000 Betrieben sind die größten. Der Biokreis hat 780 Mitglieder im Freistaat, darunter lediglich zehn Schweinemastbetriebe. Die europaweit gültigen Richtlinien werden von allen bayerischen Bio-Verbänden mit privatrechtlichen Standards übertroffen und variieren im Detail. "In der Tierhaltung liegen sie nahe beieinander", sagt Harald Ulmer, Geschäftsführer der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern (LVÖ).

Alle Verbände geben den Tieren mehr Platz, als es die Öko-Richtlinien vorschreiben. Und alle verlangen nicht nur reines Bio-Futter für ihre Tiere - in Bayern muss dieses auch zu mindestens 50 Prozent im eigenen Betrieb erzeugt werden. Was den Einsatz von Medikamenten betrifft, empfehlen die Verbände Naturheilmittel und Homöopathie. Doch auch im Rahmen der EU-Ökoverordnung dürfen Antibiotika verabreicht werden, in jeder "Produktionsphase" einmal. Sprich das Ferkel einmal, das Mastschwein einmal und die Zuchtsauen einmal pro Jahr.

Mal sind es zwei Ferkel, mal 20

Die 35 Zuchtsauen in Herrmannsdorf sind reinrassige Schwäbisch Hällische Landschweine. Massige Tiere sind das, die bis etwa 250 Kilogramm wiegen. "Ich stehe zu diesen Sauen", sagt Schweisfurth, und es klingt wie ein Bekenntnis. Zwei Mal im Jahr ferkeln die Sauen. "Wir verlangen schon eine Leistung von denen", sagt Schweisfurth. Gedeckt werden sie von den beiden Pietrain-Ebern, die jungen Säue vom jungen Eber, die älteren Säue vom älteren und schwereren Eber. Nach viermonatiger Tragzeit ferkelt die Sau dann in einer der 16 Boxen im Abferkelstall, wo sie schließlich acht Wochen mit ihrem Nachwuchs bleibt.

Im Jahr 2000 hat Schweisfurth den Stall gebaut, alle Boxen bieten die Möglichkeit, die Sau in den Kastenstand, ähnlich einem Gitterbett zu nehmen. Das Muttertier ist dann fixiert, kann die Ferkel weder aggressiv angehen noch mit dem eigenen Körpergewicht erdrücken. Die Geburt dauert bis zu acht Stunden, mal sind es zwei Ferkel, mal 20. Beim Abferkeln ist der Stall wenig eingestreut, zu groß ist laut Schweisfurth die Gefahr, dass die Ferkel sich im Stroh eingraben und nicht zu den Zitzen kommen.

Öko-Schweinezucht ist immer noch eine Randsparte

Das freie Abferkeln, also ohne Gitterstäbe, gab es in Herrmannsdorf bis Herbst 2015 nur vereinzelt im Sommer, im Außenstall. Im Winter lassen das die Temperaturen nicht zu, die Ferkel brauchen es mollig warm bei etwa 30 Grad. Und drinnen schien der Platz zu klein. Inzwischen weiß Schweisfurth, der 2015 mehrere Modelle zum freien Abferkeln besucht hat, "es geht auch im Kleinen". Seit Herbst 2015 sind die Sauen in Herrmannsdorf nur mehr in Ausnahmesituationen im Kastenstand.

Es funktioniert, zumindest meistens. Sau Nr. 14 hat zuletzt geferkelt, am 17. Januar. Es war eine schwere Geburt und nur zwei Ferkel. "Es war ihr erstes Mal, das nächste Mal wird es besser", sagt Schweisfurth. Die Sau ein paar Boxen weiter hat elf Ferkel geworfen. Das schwächste wog nur 810 Gramm, es starb. Die anderen liegen dicht aneinandergedrängt unter den Heizstrahlern im strohgepolsterten "Nest".

Karl Schweisfurth führt an diesem Nachmittag, an dem sein Lebenswerk öffentlich in der Kritik steht, routiniert durch den Betrieb. Er öffnet den Kühlschrank mit den Antibiotika und dem Fläschchen Oxytocin, das bei Wehenschwäche eingesetzt werden kann. "2015 haben wir es viermal eingesetzt, bei etwa 70 Würfen." Er zieht den Koffer mit den homöopathischen Mitteln hervor, man habe erst kürzlich den Tierarzt gewechselt. Der neue setze noch stärker auf Homöopathie. Wieder ein Schritt.

"Ganz bestimmt hat sich meine Einstellung nicht geändert"

Die Entwicklung in der ökologischen Landwirtschaft ist langsamer als in der konventionellen. Die Bio-Schweinezucht ist eine Randsparte innerhalb dieser Randsparte. "Der Marktanteil von Bio-Schweinefleisch in Deutschland liegt unter einem Prozent", sagt Harald Ulmer. In teure Forschungs- und Zuchtprogramme werde kaum investiert. Schweine werden ausschließlich auf Wurfgröße, Magerfleischanteil und Mastleistung gezüchtet. In einem Projekt am Institut für Ökologischen Landbau der Landesanstalt für Landwirtschaft werden aktuell Daten zur Mütterlichkeit erhoben, also zum Geburts- und Abliegeverhalten und der Ferkelvitalität. Mütterlichkeit könnte dann eine zusätzliches Zuchtkategorie werden.

Im Hofladen in Herrmannsdorf interessieren die Zuchtprobleme nicht. "Alles wie immer", wie die Verkäuferinnen sagen. "Ganz bestimmt hat sich meine Einstellung nicht geändert", sagt ein älterer Herr. Er ist mit seiner Frau extra aus München hergefahren, in der Papiertüte in seinen Händen trägt er "Besonderheiten" wie er sagt für 80 Euro. Darunter viel Fleisch. Dieser Mann ist kein bisschen besorgt. Er freut sich wie ein kleiner Junge, der gerade vom Verkäufer ein Extra-Radl Wurst auf die Hand bekommen hat.

Bio-Bauernhof: Im Hofladen bei Verkäuferin Josefa Studt läuft das Geschäft weiterhin gut, die meisten Kunden lassen sich nicht verunsichern.

Im Hofladen bei Verkäuferin Josefa Studt läuft das Geschäft weiterhin gut, die meisten Kunden lassen sich nicht verunsichern.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)
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