Glonn:Klangräusche

Glonn: Beim Jazz in der stimmungsvollen Reithalle von Gut Sonnenhausen platzieren sich die Zuhörer um die Künstler.

Beim Jazz in der stimmungsvollen Reithalle von Gut Sonnenhausen platzieren sich die Zuhörer um die Künstler.

(Foto: Christian Endt)

Der Jazztrompeter und -pianist Sebastian Studnitzky und ein Streicherensemble präsentieren auf Gut Sonnenhausen ihr Konzertprogramm "Memento" mit Wurzeln in der klassischen Musik

Von Peter Kees, Glonn

Zwischen der Berliner Philharmonie und Gut Sonnenhausen im Landkreis Ebersberg liegen gut 600 Kilometer, zwischen U- und E-Musik häufig Welten. Es gibt einen Mann, der beides kennt, U- wie E-Musik, die Berliner Philharmonie wie das Gut in Sonnenhausen. Sebastian Studnitzky heißt der Jazztrompeter und -pianist, von dem hier die Rede ist.

Mit seinem jüngsten Programm "Memento", das erst kürzlich in der Berliner Philharmonie zu hören war, ist er vergangenen Sonntag in der historischen Reithalle von Sonnenhausen aufgetreten. Gern wird Studnitzky beschrieben als "Wanderer zwischen den Welten", bedient er doch das Jazz-Genre wie im weitesten Sinn auch die klassische Musikschiene. An seiner Seite der Jazzkontrabassist Paul Kleber, aber auch klassische Musiker.

Im sonntäglichen Konzert war es ein wegen Erkrankung kurzfristig eingesprungenes Streichquartett mit Alexandra Paladi und Artiom Ordiyants an den Violinen, Bruno Schmidt an der Bratsche und Kornelia Jamborowicz am Cello. Man mag bei diesen Musikern an das Modern String Quartet denken und läge damit nicht falsch.

In der Sonnenhausener Reithalle steht mittig ein Flügel, daneben ein Kontrabass und vier Notenständer. Das Publikum setzt sich im Kreis um dieses Arrangement. In dessen Epizentrum geht es sogleich los. "Waves" heißt der erste Titel. Es ist eine Komposition von Studnitzky selbst, wie übrigens alle Stücke des Programms. Gebrochene Akkordfolgen in den Streichern ergeben einen wellenartigen Sound. Die Musik beginnt bildmalerisch. Sogleich setzt ein hauchender, zarter, mit viel Luft angereicherter Trompetenton darüber ein, improvisierend, dazu Pizzicati im Kontrabass.

Das Grundgerüst in den Streichern erinnert ein wenig an Minimalmusik, auch wenn in der Bratsche immer wieder melodische Ansätze zu hören sind. Die Trompete spielt über diesem Klangteppich frei, jazzig. Der Mann wechselt das Instrument, legt seine Trompete auf den Flügel und greift in die Tasten. Der Trompeter ist jetzt Pianist. Warme, emotionale, ästhetisierende Klänge lässt er entstehen. Das Cello begleitet rhythmisch mit gezupften Noten. Sodann kommen die restlichen Streicher wieder hinzu, ehe eine Klavier-Kontrabass-Improvisation den Titel scheinbar ausklingen lässt. Doch da geht es erst richtig los. Das Duo geht über in einen aufregenden Dialog. Und schon wechselt Studnitzky wieder das Instrument und der herrliche Zweigesang wird zwischen Trompete und Kontrabass fortgesetzt. Auf den Klaviersaiten erzeugt der Bandleader obendrein mit einer Hand Glissandi dazu. Das sagt alles, um Klang geht es hier, um ästhetische Schönheit.

"Memento" heißt dieses Programm, Mahnung, Erinnerung, Aufforderung. Tatsächlich liegen melancholische Momente in diesen Klangräuschen, quasi mahnende Erinnerungsfetzen. Die Tempi sind meist eher breit. Noch vor der Pause erklingt jedoch ein wilderes Stück, "Structures" ist es betitelt. Rhythmisch und forciert spielen die Streicher. Beinahe klingt das ein wenig nach Schostakowitsch. Bald steigt das Klavier dazu ein, und man meint im Klavierquintett oder gar im Klavierkonzert zu sitzen. Doch auch da löst sich alles wieder auf und verwandelt sich in grandiose Jazz-Improvisationen.

Sebastian Studnitzky hat Jazztrompete und -klavier an der Stuttgarter Musikhochschule studiert, aber auch Filmmusik und die Kunst des Arrangierens am Berklee College of Music in Boston. Er stammt aus einem klassikaffinen Elternhaus. Heute unterrichtet er selbst Jazztrompete an der Hochschule für Musik in Dresden. Erst letztes Jahr erhielt er einen Jazz Echo.

Was jetzt in Sonnenhausen zu hören war, ist kein Crossover zwischen Klassik und Jazz. Hier geht es um einen eigenen Stil, der einen ästhetischen Klangfarbenreichtum bietet, der Jazz ist, aber eben auch Wurzeln in der klassischen Musik besitzt. Aber die hat der Jazz sowieso. Dass Studnitzky offenbar auch György Ligeti und dessen Mikropolyphonie kennt, ist deutlich. Als Musiker wie Komponist ist er in jedem Fall bemerkenswert.

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