Glonn:Baguette und Brezn

Glonn Bretonischer Bäcker zu Besuch

Ludovic Gerboin mit der Galette de roi, dem französische Dreikönigskuchen. In Glonn macht er sich nicht nur damit viele Freunde.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ludovic Gerboin führt eine französische Bäckerei - mitten in Bayern. In Glonn erzählt er bei einem privaten Sprachkreis seine Lebensgeschichte

Von Stefanie Deimel, Glonn

Große, flache Plastikkörbe stehen aufeinandergestapelt auf dem Lehrerpult, darin knusprige Baguettes, saftige Galettes de Roi und cremig-gefüllte Eclaires. Ludovic Gerboin heißt der Mann, der die französischen Leckereien an diesem Nachmittag in ein Klassenzimmer der Glonner Grundschule mitgebracht hat. Der Bäcker ist dort zu Besuch bei einem privaten Französischkreis. Dessen Organisatorin Brigitte Schneider war zufällig auf den französischen Bäckermeister aufmerksam geworden und hatte ihn eingeladen.

"Seit ich ein kleiner Junge war, wollte ich Bäcker werden", erzählt der 38-Jährige, der aus der Bretagne stammt. Er sitzt in seinem typisch französischen Streifenpullover auf einem der Stühle, auf denen sonst Grundschüler Platz nehmen. Vor ihm stehen zu einer langen Tafel zusammengeschobene Tische - darauf Pappteller, ein paar Flaschen Cidre und die Galette de roi, der französische Dreikönigskuchen. In seiner Heimat verfolgte Ludovic seinen Traum, machte die Ausbildung zum Bäcker, Konditor und Chocolatier und erhielt schließlich den Meisterbrief. Durch ein Austauschprogramm kam er im Alter von 20 Jahren nach Deutschland, um Erfahrungen im Ausland zu sammeln. "Das Land ist zwar ein bisschen kalt, aber ein Jahr dürfte schnell umgehen", liest er vor. Ludovic hat einige bedruckte Seiten vor sich liegen, ein Manuskript, denn er hat seine Lebensgeschichte schon einmal vor dem deutschen Bäckerkongress erzählt. An diesem Nachmittag in Glonn tut er dies auf sehr charmante Art und Weise, immer wieder bringt er seine Zuhörer zum Lachen.

Die Menschen, die heute der Geschichte des Bäckers lauschen, treffen sich hier sonst, um in der Gruppe Französisch zu lernen oder ihre Sprachkenntnisse wieder aufzufrischen. Ludovic wartet kurz ab, dann fährt er mit seiner Erzählung fort. Als er nach Deutschland kam, erhielt er die Möglichkeit, in einer Allgäuer Bäckerei zu arbeiten. Dort lernte Ludovic, dass die Unterschiede zwischen deutschen und französischen Backwaren sehr groß sein können. "Die Deutschen wollen zum Beispiel keine Löcher in ihrem Brot", sonst würden Butter und Marmelade sich nicht ordentlich verstreichen lassen, sagt er und lächelt.

So war das erste Jahr für Ludovic schnell vergangen - doch den Gedanken, in die Heimat zurückzukehren, verwarf der Bäcker rasch wieder. Schließlich hatte er inzwischen seine Frau Anette kennengelernt, Freunde im örtlichen Fußballverein gefunden und von seinem Chef das Angebot erhalten, noch länger in der Bäckerei zu arbeiten, um dort die deutsche Meisterprüfung zu machen - denn die französische wurde nicht anerkannt. Ludovic nahm das Angebot an, absolvierte die Prüfung erfolgreich und machte sich selbständig. Um den Bayern zu zeigen, was man in Frankreich unter großer Backkunst versteht, übernahm Ludovic 2010 die Bäckerei Ways in Moosinning. "Tatsächlich war das erst einmal eine richtige Katastrophe", sagt er. Es dauerte seine Zeit, brauchte Umzüge und Umstrukturierungen im Unternehmen, bis sich immer mehr Kunden trauten, bei dem Franzosen einzukaufen.

"Heute denke ich, dass es - ganz egal, woher man kommt - wichtig ist, immer für seine Träume zu kämpfen", sagt er. Der Bäcker legt viel Wert darauf, sich mit seinen Produkten von der Konkurrenz abzuheben. Er probiert ständig Neues aus, lässt sich von anderen Rezepten inspirieren. "Kreativität ist für mich besonders wichtig", ebenso, dass ihm das Gebäck selbst schmecke, betont Ludovic. In seiner Bäckerei hat er eine Mischung aus französischen und deutschen Leckereien im Angebot - neben den typischen Baguettes also auch Brezn und Laugenstangerl. Insgesamt gibt es drei Filialen im Erdinger Landkreis, zudem einen Verkaufswagen, mit dem die Backwaren ausgeliefert werden. Rund 30 Angestellte unterstützen Ludovic.

Die Arbeit als selbständiger Bäcker kostet den zweifachen Vater indes viel Zeit - um halb ein Uhr nachts beginnt er in der Backstube zu arbeiten, gegen sieben oder acht Uhr morgens ist er wieder zu Hause. Einmal monatlich veranstaltet der Franzose zudem ein "Backen in der Nacht". Dazu können sich Gruppen von vier bis fünf Teilnehmern anmelden, um nachts in der Backstube mitzuarbeiten.

Doch das alles mache ihm Spaß, sei seine Leidenschaft, antwortet Ludovic auf die Frage, ob ihm die Arbeit nicht einmal zu viel werden würde. Ihm ist es wichtig, dass das Handwerk in seiner Tradition weiterhin gepflegt wird und nicht ausstirbt. "Es gibt kaum noch Nachwuchs", sagt der Bäcker. Die Ausbildungen in den Großbetrieben hätten nämlich oft nichts mehr mit dem ursprünglichen Handwerk zu tun, bedauert er. Dass aber Ludovic selbst das Backen auf jeden Fall beherrscht, schmeckt man. Von der Galette de roi ist am Ende nicht mehr viel übrig, auch die Eclaires, ein Gebäck aus glasiertem und gefülltem Brandteig, haben große Begeisterung ausgelöst. Ludovic Gerboin wird wohl einige Menschen aus dieser Glonner Runde wiedersehen - sei es beim "Backen in der Nacht" oder als Kunde vor der Ladentheke.

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