Gewalt gegen Frauen:"Sonst bring ich dich um"

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Ist die Androhung von Gewalt schon Gewalt? Der Ebersberger Frauennotruf sagt Ja - Polizei und Justiz definieren den Gewaltbegriff indes anders.

(Foto: Imago)
  • Wenn sich Mütter von Vätern ihrer Kindern trennen, geht oft ein langer Leidensweg durch die Instanzen los.
  • Oftmals haben die Frauen den Eindruck, ungerecht behandelt zu werden.
  • Carola Fuchs hat nun ein Buch über ihre eigenen Erfahrungen nach der Trennung von einem Mann geschrieben, der sie ständig bedrohte.

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

"Mit dem Kreißsaal kam die Verwandlung." Carola Fuchs schüttelt bei diesen Worten den Kopf, so als könne sie ihnen selbst nicht glauben. Immer noch nicht. Nach elf Jahren. So lange ist es jetzt her, dass die bis dato liebevolle Beziehung zu ihrem Freund innerhalb kürzester Zeit zu einer Katastrophe wurde. Carola Fuchs, die eigentlich nicht so heißt, hat ihre Erfahrungen in einem Buch verarbeitet, das sie an diesem Freitag, 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, im Familienzentrum vorstellt.

Mit sehr viel Sprachwitz erzählt sie in "Mama zwischen Sorge und Recht" wie sie nach der Geburt ihrer Tochter Katja und der darauf folgenden Trennung vom Vater des Kindes zwischen die Mühlsteine von Jugendamt und Justiz geraten ist. Die Namen aller Beteiligten hat sie im Buch geändert.

Tanja Hafner und Silvia Bothe vom Ebersberger Frauennotruf, die die Lesung organisiert und Fuchs zu einem Vorgespräch in die Geschäftsstelle eingeladen haben, waren begeistert, als sie das Buch gelesen hatten. "Da habe ich ganz viele ähnliche Fälle", sagt Hafner, aber für gewöhnlich scheuten sich Frauen mit solchen Erfahrungen, davon zu erzählen. Sei ja auch alles andere als angenehm, erklärt Fuchs, wenn die Polizei auftauche vor der eigenen Haustür, um das Kind zu holen, dass man angeblich dem Vater vorenthalte. "Drei Polizeieinsätze in meiner Straße, was sich wohl die Nachbarn gedacht haben."

Dabei hatte sie, so erzählt sie es auch in ihrem Buch, trotz der Morddrohung, die sie dazu gebracht hat, den Kindsvater Hals über Kopf zu verlassen, den Kontakt zwischen Vater und Tochter nie blockieren wollen. Nachdem sich Thomas, mit dem sie zuvor sechs Jahre lang eine harmonische Wochenendbeziehung geführt hatte, mit der Geburt der Tochter um 180 Grad gewandelt hatte, war sie zunächst zu ihren Eltern geflüchtet.

Erst während der Schwangerschaft war sie bei ihm eingezogen, doch schon mit der Heimkehr aus dem Krankenhaus sei der Terror losgegangen. "Jetzt bist du zu Hause und ich krieg' kein Mittagessen", solche Sätze habe ihr Thomas um die Ohren gehauen, "und das, obwohl ich einen drei Wochen alten Säugling auf dem Arm hatte, der nicht trinken wollte." Dann habe er ihr vorgeworfen, das Kind zu verwöhnen, es ihm, dem Vater zu entfremden. "Selbst hat er es aber gar nicht nehmen wollen", erzählt sie.

Der Vater hat kein Verhältnis zum Kind

Als er dann doch einmal auf seine Tochter aufpassen sollte, habe er sie, wie sie im Buch beschreibt, heftig geschüttelt, als sie nicht aufhören wollte zu schreien; sich darüber beschwert, dass immer das Kind zwischen ihm und der Freundin sei. Bis er dann jenen Satz gesagt habe, der sie aus dem Haus trieb: "Treib es nicht zu weit, Carola. Sonst bring ich dich um."

Es ist die Einstiegsszene ins Buch. Und der Ausgangspunkt. Nach zwei Jahren Trennungszeit geht Carola eine neue Beziehung ein, und Thomas, der zu seiner Tochter bis dahin gar kein Verhältnis hat, fordert, sie solle nun jedes zweite Wochenende bei ihm übernachten. Schon der erste Versuch geht total schief, weil das kleine Mädchen schreit und weint. Dennoch setzt Thomas sich vor Gericht durch - allerdings nicht bei seiner Tochter. "Sie schläft bis heute nicht bei ihm."

Der Leidensweg durch die Gerichte

Für Carola beginnt damit ein Leidensweg durch Gerichtsverfahren, mit Terminen beim Jugendamt, dem Kampf um Unterhalt. Als alleinerziehende Mutter kann die Lehrerin nicht Vollzeit arbeiten. Dazu kommt das Gefühl, sich ständig für ein Fehlverhalten verantworten zu müssen, zunächst gegenüber dem Freund, seiner Mutter, später dem Richter und dem Jugendamt. Als die Auseinandersetzung erstmals vor Gericht ging, "da hatte ich das Gefühl, "jetzt kommt endlich ein bisschen Ordnung in die Sache, aber das war ein Irrtum. Auf einmal war ich die Böse."

Sie habe sich immer verteidigen müssen. "Wenn der Gutachter des Gerichts etwas sagt, oder das Jugendamt, dann ist das immer richtig. Wenn der eigene Gutachter zu einem anderen Ergebnis kommt, dann ist das eine Gefälligkeitsbeurteilung." Ihr habe man vorgeworfen, die Tochter zu stark zu beeinflussen, deshalb wolle sie nicht zum Vater. "Ich musste zu jedem Termin im Jugendamt persönlich erscheinen, meine Vormittage dort verbringen, bei ihm hat es gereicht, wenn er angerufen hat."

Alles Dinge, die Tanja Hafner und Silvia Bothe immer wieder ganz ähnlich erleben, bei Frauen, die Hilfe beim Frauennotruf suchen. Bei der Beurteilung solcher Fälle schlage das Pendel viel zu sehr in Richtung der Väter aus - zumindest bei jenen 20 Prozent hoch strittiger Fälle, in denen es um Gewalt gehe. "Grundsätzlich sind auch wir dafür, dass getrennt lebende Väter sich mehr einbringen können. Wenn es gleich starke Partner sind. Aber nicht, wenn es um Gewalt geht", sagt Hafner.

Da stimme von vorn herein die Gewichtung in der Beziehung nicht. Das Problem an der Gewaltdefinition aber sei, dass Polizei und Gerichte sie erst bei tatsächlich verübten körperlichen Angriffen erfüllt sähen. "Wir setzen da viel früher an", so Hafner. Gewalt werde auch allzu oft nur mit den unteren Gesellschaftsschichten in Verbindung gebracht, ergänzt Maximilian Dierauff von der Gleichstellungsstelle in Grafing, was nichts als ein Klischee sei.

Bei einer selbstbewussten Frau könne ein Richter sich nicht vorstellen, dass sie sich nicht wehren könne. "Als ich vor dem Gericht alles erklären wollte, ich hatte mir alles aufgeschrieben, kam das gar nicht gut an", bestätigt Fuchs.

Das Kindswohl im Mittelpunkt

Um zu verhindern, dass Mütter in solch strittigen Trennungsfällen unter die Räder kommen, sei es nötig, dass Jugendämter und Gerichte viel mehr auf den Einzelfall schauten, erklären die Mitarbeiterinnen des Frauennotrufs, eine engere Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, Polizei, Beratungsstellen, Anwälten -, so wie es beim so genannten Ebersberger Weg üblich ist -, sei da ein Schritt in die richtige Richtung.

Zweimal im Jahr kommen die beteiligten Stellen im Landkreis zu einem runden Tisch zusammen, was den Blick auf strittige Betreuungsfälle erweitert. Es müsse bei beiden Elternteilen viel mehr auf positive Merkmale für eine verantwortliche Elternschaft gesetzt werden", sagt Bothe. Solche Dinge wie "hält er sich an Verabredungen, kommt er pünktlich, um das Kind abzuholen, stimmt er einer Therapie zu, die das Kind braucht." Das Wohl des Kindes müsse viel mehr im Mittelpunkt stehen. "Eltern haben das Recht, ihr Kind zu sehen, aber was ist, wenn sie keine Lust haben. Dann scheint das oft genug für das Kind auch recht zu sein."

Der Vortrag von Carola Fuchs über ihre Erfahrungen mit juristischen Umgangsregelungen beginnt um 17 Uhr, Familienzentrum, Von Feury-Straße. 10.

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