Gewalt an Schulen:Schule schmeißt Neunjährigen wegen Faustschlag gegen Lehrer raus

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Symbolfoto. (Foto: dpa)

Die Freie Schule Glonntal sieht darin das letzte Mittel. Die Mutter fordert eine Rücknahme der Kündigung. Jetzt ist der Fall vor Gericht.

Aus dem Gericht von Wieland Bögel, Ebersberg

Das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer kann schwierig sein, gelegentlich ist ein Verweis die Folge, in schweren Fällen kann ein Schüler von der Schule fliegen. Dies ist Ende Oktober einem Viertklässler der Freien Schule Glonntal passiert, diese kündigte den Vertrag mit der Mutter fristlos - wogegen diese nun vor dem Ebersberger Amtsgericht klagte.

Der Vorfall, der zu dem Ausschluss des Jungen führte, geschah einige Wochen nach den Sommerferien. Über die Folgen - ein junger Mann, der an der Schule sein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) ableistet, trug ein blaues Auge davon - waren sich die Beteiligten weitgehend einig. Nicht so dagegen über den genauen Hergang und die Bewertung: Der Schüler habe sich mit einem Klassenkameraden geprügelt, schilderten Vertreter der Schule vor Gericht. Der FSJler wollte schlichten, der Sohn der Klägerin habe ihm daraufhin ein blaues Auge geschlagen. Anschließend sei der Schüler um sich schlagend und tretend über die Bänke gesprungen. Die Klassenlehrerin und der FSJler packten den Jungen dann und brachten ihn zum Direktor.

Ganz anders stellte die Mutter des Jungen die Sache dar. Ihr Sohn habe mit einem Freund lediglich "Spaß-Raufen" gemacht. Der Begriff stamme von der früheren Klassenlehrerin, mit der es nie Probleme gegeben habe, so die Mutter: Mit solchen nicht ernst gemeinten Rangeleien sollten die Schüler überschüssige Energie abbauen. Was aber der FSJler wohl falsch interpretiert habe: Er habe den Jungen gepackt, "da hat er sich eben gewehrt".

Das blaue Auge sei aber ein Versehen gewesen, war sich die Mutter sicher, ihr Sohn sei nicht gewalttätig. Stattdessen sei ihm ungerechtfertigt Gewalt angetan worden, fand die Mutter. Dass nämlich zwei Erwachsene einen Neunjährigen packen und ins Büro des Direktors "zerren", sei schon an der Grenze zur Körperverletzung oder sogar darüber, meinte auch der Anwalt der Klägerin, die nach dem Vorfall der Schule mit einer Anzeige gedroht hatte.

Wiederaufnahme "für Pädagogen nicht zumutbar"

Was sicher nicht zur Deeskalation beitrug und möglicherweise den letzten Ausschlag zum Schulausschluss gab. Denn wie die Vertreter der Schule erklärten, sei der Junge entgegen der Aussagen der Mutter sehr wohl öfter gewalttätig gewesen, sei respektlos gegenüber Lehrern, was in zahlreichen Strafarbeiten Ausdruck fand, und seine Klassenleiterin habe zahlreiche blaue Flecken davon getragen, beim Versuch, ihn zu bändigen. In einem Gespräch mit der Mutter, das beide Seiten bestätigten, hatten Vertreter der Schule die Frage gestellt, was sie denn tun sollten, wenn der Viertklässler "wieder austickt", man ihn aber nicht einmal mehr anfassen dürfe, ohne eine Anzeige zu riskieren.

Etwas Verwirrung gab es in der Verhandlung darüber, was die Klägerin eigentlich fordert. Zunächst wollte sie per einstweiliger Verfügung die Rücknahme der fristlosen Kündigung erwirken, dann erklärte sie, den Sohn wenigstens so lange auf der Freien Schule Glonntal lassen zu wollen, bis ein Platz in einer anderen Privatschule frei sei. Sie habe sich bereits bei einigen beworben, doch alle hätten erklärt, frühestens zum Halbjahr oder gar erst im nächsten Schuljahr freie Kapazitäten zu haben. Derzeit ist der Bub nur zuhause.

Für die Vertreter der Schule war aber auch die befristete Wiederaufnahme nicht annehmbar. Sie machten klar, dass sie den Schüler auf keinen Fall mehr freiwillig aufnehmen werden, "das ist den Pädagogen nicht zumutbar" - auch wegen der in einer ähnlichen Situation drohenden Anzeige. Die Schulvertreter empfahlen, den Jungen bis auf weiteres auf der zuständigen Regelschule anzumelden, bis in einer Wunscheinrichtung ein Platz frei sei. Spätestens zum Schuljahresende, wenn der aktuelle Vertrag auslaufe, werde man sich ohnehin von dem Schüler trennen - sollte das Gericht beschließen, dass man ihn überhaupt so lange noch aufnehmen müsse.

Was auch der Richter als nicht glücklich einschätzte. "Es ist zu erheblichen Verwerfungen gekommen, das Verhältnis ist vergiftet", so seine Einschätzung, der Konflikt gehe weit über pädagogische Differenzen zwischen Eltern und Schule hinaus. Er riet den Streitparteien zu einer gütlichen Einigung - worauf sich diese aber nicht einlassen wollten. Beide machten klar, dass sie eine Entscheidung des Gerichts zu ihren Ungunsten bei der höheren Instanz anfechten würden. Damit könnte sich das Verfahren gut bis zum Schuljahresende hinziehen, gab der Richter zu bedenken. Eine Entscheidung fiel noch nicht, diese soll in drei Wochen verkündet werden.

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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