Gespräche mit Anwohnern:Bälle für den Bolzplatz

Bürgerversammlung Pöring

Kontroverse Debatten auf allen Kanälen: Zwei Gebärden-Dolmetscherinnen übersetzen am Donnerstagabend vor 250 Zornedingern im vollbesetzten Pöringer Feuerwehrhaus.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auf der ersten barrierefreien Bürgerversammlung Zornedings kommt Kritik an der Gemeinde auf: Die einen sind gegen die geplante Verkleinerung des Sportfeldes, andere fordern einen rollstuhlgerechten Bahnhof

Von Viktoria Spinrad, Zorneding

Bisher war Camila Klerner praktisch ausgeschlossen, wenn in Pöring zur Bürgerversammlung geladen war. Im Gasthof Mairsamer, in dem sie bisher immer stattfand, war ihr als Rollstuhlfahrerin der Zugang stets verwehrt, weil man eine Stiege hinaufmusste, um in den großen Saal zu gelangen. Am Donnerstagabend hielten sie die Bürgerversammlung nun erstmals im Pöringer Feuerwehrhaus ab, ebenerdig, die erste barrierefreie Bürgerversammlung Zornedings. Zwei Simultandolmetscher übersetzten in Gebärdensprache, zwei Schriftdolmetscher transkribierten. Menschen wie Camila Klerner hatten nun erstmals die Möglichkeit, ihre Probleme und Sorgen öffentlich zu äußern. Die nutzte Klerner, um ein Dauerthema in der Gemeinde anzusprechen: den Zornedinger Bahnhof, der zwar als barrierefrei ausgewiesen ist, es aber faktisch nicht ist. "Wir brauchen einen Lift", flehte sie. Bürgermeister Piet Mayr (CSU) verwies dann darauf, dass der Gemeinderat sich vor zwei Jahren gegen einen millionenschweren Umbau entschieden hatte: "Das ist keine befriedigende Situation, ich weiß", sagte Mayr.

Auch der gehörlose Anton Schneid nutzte die neue Barrierefreiheit in der Bürgerversammlung, die neben Plädoyers des Helferkreises und zu den Bauvorhaben auf dem Bolzplatz und der Wimmerwiese vor allem Verkehrs- und Lärmbeschwerden eine Plattform bot. Über die Simultandolmetscherin sprach er seine Befürchtungen zur Straßenausbaubeitragssatzung an, eine Regelung, bei der der Freistaat Gemeinden vorgibt, Hauseigentümer zum Mitzahlen zu bewegen. Eines der eher wenigen Themen, für die Mayr an diesem Abend Applaus von den etwa 250 Besuchern im voll besetzen Feuerwehrhaus erhielt: "Bisher konnten wir uns erfolgreich dagegen wehren", so Mayr.

Bei Mayr selber fand der Vorschlag des Asyl-Helferkreises Anklang, einen Integrationsbeauftragten einzusetzen, der als Schnittstelle zwischen Rathaus und Helferkreis agiert. Einen solchen gibt es seit mehreren Jahren in Poing und seit Kurzem auch in Ebersberg. "Das nehm ich jetzt auf meine Kappe", sagte Mayr, verzichtete auf eine Abstimmung und versprach, den Vorschlag dem Gemeinderat vorzutragen. Vorausgegangen war ein Plädoyer des Helfers Falk Skeide, der schilderte, wie der Helferkreis von 150 Aktiven auf 30 zusammenschrumpfte. Auch deshalb rief der Bürgermeister dazu auf, sich für Flüchtlinge zu engagieren; im Feuerwehrhaus lagen dazu Handzettel mit Kontaktdaten aus.

Und dann waren da die beiden großen Bauthemen im Ort, auch hier wurde am Donnerstag emotional diskutiert. Wie angekündigt waren einige Zornedinger mit Bällen ins Feuerwehrhaus gekommen: ein Zeichen gegen die geplante Verkleinerung des Pöringer Bolzplatzes zugunsten einer Neubebauung. Dass dieser mit dem "Bebauungsplan Tannenstraße", der eine Überbauung des maroden Acht-Familienhauses vorsieht, zwar vor Lärmklagen geschützt, aber auch voraussichtlich etwas kleiner würde, hatte Mayr bereits in seinem Rechenschaftsbericht eingeräumt. André Mol bekam tosenden Applaus für seine Liebeserklärung an den Bolzplatz - "er gibt Pöring seinen liebenswerten Charakter", sagte Mol und überreichte dem Bürgermeister einen Fußball. Dieser bemühte sich um eine schnelle Beschwichtigung und verwies auf die weiteren Schritte, in denen Bedenken der Bürger an den Planungsverband zur Prüfung vorgelegt werden, die Entscheidung trifft letztlich der Gemeinderat. Zudem kündigte Mayr einen öffentlichen Erörterungstermin mit den Vertretern des Planungsverbandes an.

Zufrieden waren die Bolzplatz-Verfechter damit offensichtlich nicht; als nächster trat der Mann auf, der eine Petition für den Erhalt des Platzes gestartet hatte. Harald Kummerer fragte, warum die Fläche auf dem Bolzplatz trotz der Lage am Ortsrand bebaut werden dürfe. Mayr erklärte das mit dem Flächennutzungsplan der Gemeinde, worauf einige Bürger Einwände dazwischen riefen und Kummerer auf seinen Anwalt verwies. Mayr sagte dazu: "Ich lass das jetzt mal so stehen."

Die einzige Abstimmung an diesem Abend entfiel auf einen Sechs-Punkte-Plan zu dem geplanten Neubau auf der Wimmerwiese in Pöring. Auf dem Areal an der Georg-Münch-Straße sind Geschosswohnungen für 500 Menschen in bis zu vier Stockwerken hohen Häusern geplant. "Wir wollen keine Messestadt light, wir sind Pöring, nicht Poing", sagte der Dorfbewohner Christian Baretti und forderte neben einer Begrenzung auf drei Stockwerke die Festschreibung einer Kindertagesstätte, einen Bolzplatz, Gewerbe wie "eine Apotheke oder ein Café", oberirdische Stellplätze und die Beauftragung eines Verkehrsgutachtens. "Oh, okay", wirkte Bürgermeister Mayr überrascht, als fast alle Hände hochgingen. Jetzt muss sich der Gemeinderat mit den Vorschlägen befassen, bevor diese an den Planungsverband weitergegeben werden.

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