Gerüchte im Netz:Privater Polizeibericht

Die Internetseite "Vaterstetten Crime" dokumentiert Verbrechen in der Gemeinde. Mit der Veröffentlichung unbewiesener Geschichten macht sich der Betreiber eventuell selbst strafbar

Wieland Bögel

Dass er von der Polizei verhaftet worden sein soll, ist für Eisdielenbetreiber Zampolli Luciano eine große Überraschung. Doch genau so stand es zu lesen auf der Internetseite "Vaterstetten Crime", welche ein martialisches Erscheinungsbild hat: Neben dem Foto einer Pistole über dem Vaterstettener Kirchturm ist ein Piktogramm zu sehen, auf dem ein Strichmännchen ein anderes bedroht. Die Facebook-Seite wartet mit Nachrichten über Verbrechen aus der Gemeinde auf. Sie ist gefüllt mit aus Lokalzeitungen herauskopierten Artikeln zu aktuellen Polizeimeldungen und Rückblicken auf die größten Verbrechen in Vaterstetten, etwa die Zerstückelung der Leichen eines Doppelmords, was sich vor sechs Jahren ereignet hat.

Eigentlich passiert hier ja sonst nicht viel", erklärt der Verantwortliche, der seinen Namen nicht in der Zeitung sehen will und sein Alter mit 25 angibt, seine Motivation für die Publikationen über die dunklen Seiten der Großgemeinde. Das Interesse sei offenbar groß. Schon 135 Leute klickten den seit einer Woche im Netzverfügbaren privaten Kriminalitätsreport an.

Dessen Urheber spart aber auch nicht mit Kommentaren: Der Bericht über zwei Mädchen, die sich erfolgreich gegen einen Überfall wehren, ist mit "Girl Power" überschrieben. Mit einem spöttischen "Super Polizeiarbeit" wird eine Fahndungspanne der Vaterstettener Polizei kommentiert. Diese hatte mit einem falschen Foto nach einem Dieb gefahndet. Doch auch der Seitenmacher selbst scheint es mit der Sorgfalt nicht ganz so genau zu nehmen. Unter der Rubrik "Breaking News" veröffentlichte der Autor am vergangenen Freitag die Meldung von der Verhaftung des Eisdielenbesitzers. Als Beleg wird die Aussage einiger "Medls" angeführt und dass das Lokal am Freitag geschlossen gewesen sei.

Zampolli Luciano kann sich die Gerüchte im Internet nicht erklären. Zwar sei die Polizei tatsächlich in der vergangenen Woche da gewesen, aber wegen einer "privaten Sache". Verhaftet worden sei niemand. Dass der selbsternannte Ermittler vor verschlossenen Türen stand, liege daran, dass am Freitagnachmittag wegen Urlaubs geschlossen war. So habe es übrigens auch auf einem Schild im Schaufenster gestanden. Der Verfasser der Internet-Ente gibt sich zerknirscht: "Ich wollte niemanden rufmorden." Seine "Breaking News" hat er inzwischen von der Seite entfernt und durch einer Entschuldigung ersetzt.

Doch möglicherweise ist der Facebook-Kriminalist bald ein Fall für seine eigene Seite: "Grenzwertig ist es auf jeden Fall, ob es auch ein Fall für die Justiz ist, müsste ein Staatsanwalt entscheiden", meint die Vaterstettener Anwältin Brigitte Benker. Laut Strafgesetzbuch gilt das Verbreiten von Tatsachen, die einen anderen " verächtlich machen oder in der öffentlichen Meinung herabwürdigen" als üble Nachrede, ein Vergehen, das mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden kann. Darüber zu urteilen, hätte wahrscheinlich das Ebersberger Amtsgericht

Dort wagt man allerdings keine Prognose über den Ausgang eines möglichen Verfahrens wegen übler Nachrede. Grundsätzlich könne man aber dagegen vorgehen, "wenn jemand Gerüchte in einer Weise verbreitet, dass auch Dritte davon Kenntnis erhalten", meint die Ebersberger Amtsrichterin Susanne Strubl. Andererseits sei der vorliegende Fall "hochsensibel", sagt Strubl. Denn hier gelte es, "zwei hohe Rechtsgüter", nämlich Meinungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht, gegeneinander abzuwägen.

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