40-Jähriger vor dem Schöffengericht:Neunjährige sexuell missbraucht

"Sie war wie eine Tochter für mich", sagt der Angeklagte. Der Täter zeigt sich geständig und reuig. Trotz einer früheren Verurteilung wegen Kinderpornos entgeht er einer Haftstrafe

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Die Szene spielt sich auf der Couch im Wohnzimmer der Mutter ab. Der Fernseher ist an, das Mädchen hat sich an den Mann auf der Couch gekuschelt, wie sonst auch, wie Tochter und Vater. Sie ist zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt, er ist 36. Der Fernseher läuft, sie schläft ein, als seine Hand unter die Leggins der Neunjährigen wandert. "Ich habe sie dort gestreichelt", sagt er. Das war im Jahr 2013.

Es ist Sitzungsmorgen am Amtsgericht in Ebersberg, und Thomas M. gesteht. M., der eigentlich anders heißt, wohnt im nördlichen Landkreis Ebersberg, er muss sich nun wegen zwei ähnlicher Taten, die er vor vier Jahren begangen hat, vor dem Schöffengericht verantworten. Es geht um mehrfachen sexuellen Missbrauch eines Kindes. Und der 40-Jährige bestätigt die schlimmen Details der Anklage. Im Urteil des Amtsgerichts Ebersberg bekommt er wegen sexuellen Missbrauchs und Nötigung eines Kindes ein Jahr und neun Monate. Die Gefängnisstrafe wird allerdings zur Bewährung ausgesetzt. Thomas M. verlässt das Gericht als freier Mann.

Das Kind leidet manchmal unter Panikanfällen

Das Opfer ist mittlerweile 13 und mache "einen normalen Eindruck", so der Anwalt der Nebenklage. In bestimmten Momenten zeige das Kind jedoch immer noch panische Reaktionen. Während der Ermittlungen sagte das Mädchen unter Tränen bei der Polizei aus, es gibt ein Video davon. Sie wolle M. nicht wiedersehen und wünsche sich, dass er aus Bayern wegziehe.

Bei der Polizei hatte M. umfangreich gestanden und dem Opfer so eine Aussage vor Gericht erspart. Dennoch erhielt das Mädchen eine Zeugenvorladung vom Gericht, was "Panik-Zustände" ausgelöst habe, so der Nebenkläger-Anwalt. Ein bedauerliches Versehen, sagt die Richterin.

Entscheidend ist nun die Frage, ob M. für seine Taten ins Gefängnis kommt oder nicht. Belastend wirkt sich für den gebürtigen Münchner aus, dass er eine besonders enge Verbindung zum Opfer hatte und es für das Mädchen in den Situationen "keine Chance gegeben hat zu flüchten", so die Richterin. "Das hebt den Fall negativ von anderen ab."

Seit März macht der Angeklagte eine Therapie

Belastend kommt auch hinzu, dass M. bereits zwei Vorstrafen hat: eine Geldstrafe aus dem Jahr 2004 wegen Verbreitung pornografischer Schriften. Und eine zehnmonatige Bewährungsstrafe wegen "Besitz und Verbreitung von "kinderpornografischen Schriften", das war 2009. Monate nach dem Ende seiner dreijährigen Bewährung von damals kam es zu den Missbräuchen auf der Couch.

Was treibt diesen Mann? Thomas M. geht die Verhandlung sichtlich nahe, während er über die Tat und die Folgen für das Mädchen spricht versagt ihm die Stimme. "Sie war wie meine Tochter für mich", sagt er. In den Monaten nach dem Vorfall habe sie dann Abstand von ihm gehalten, sagte aber nichts, so die Richterin, sie sei im Loyalitätskonflikt gewesen. "Es tut mir alles wahnsinnig leid, es ist meine Schuld, ich stehe dafür gerade", sagt M., Tränen in den Augen.

Auch für ihn habe die Tat vieles verändert, er könne im Ort nur mehr schwierig arbeiten, er werde wohl wegziehen, auch für die Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin. Als der Fall bekannt wurde, ging die Beziehung auseinander. Seit März macht M. nun eine Therapie, 60 Sitzungen, eine pro Woche. "Ich will herausfinden, warum ich das gemacht habe", sagt er vor Gericht.

Die Richterin warnt den Mann eindringlich

Auch deswegen überwiegen für das Gericht am Ende "besondere Umstände", die dem Angeklagten positiv ausgelegt werden. Nach einem Rechtsgespräch hinter verschlossenen Türen sind sich die Staatsanwaltschaft, die Nebenklage und der Verteidiger des Angeklagten in den wesentlichen Punkten einig - auch im Strafmaß. Richterin Hörauf folgt den Anträgen und verurteilt M. zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten.

Reicht das? Die Vorstrafe mit den Kinderpornos "lässt einen schon hellhörig werden", so die Richterin, ebenso die erheblichen Tatfolgen. Die Reue, die Einsicht und die Therapie würden es aber zulassen, die Gefängnisstrafe unter verschärften Bewährungsauflagen auszusetzen. Statt den üblichen drei Jahren steht M. nun vier Jahre unter Beobachtung. Über seine Behandlung muss er Bestätigungen vorlegen. "Sie gehen da solange hin, bis Ihre Ärztin sagt, dass Sie entlassen sind", so Hörauf. Auf eine zusätzliche Geldauflage verzichtet sie wegen des Einkommens des Angeklagten.

Dann schaut sie Thomas M. tief in die Augen. "Wenn noch mal irgendwas in der Art ist, dann kommen Sie für mehrere Jahre ins Gefängnis", sagt die Richterin. "Dies ist Ihre allerletzte Chance."

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