Gemeindehaushalt Vaterstetten:Arme Millionäre

Trotz Rekordeinnahmen aus Grundstücksverkäufen kommt in Vaterstetten bei Gemeinderäten und Verwaltung keine Freude auf. Das Geld ist praktisch schon wieder ausgegeben, außerdem gibt es Kritik an einer angeblich zu wenig visionären Politik des Bürgermeisters

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Auf den ersten Blick könnte man glauben, die stets klamme Großgemeinde habe den Jackpot geknackt: Mehr als 30 Millionen Euro wird man in diesem Jahr wohl einnehmen können aus dem Verkauf der Grundstücke für das geplante Wohngebiet im Norden Vaterstettens. Dennoch mahnte Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) nun bei der Haushaltsberatung im Gemeinderat zu "strikter Ausgabendisziplin". Trotz der Rekordeinnahmen "haben wir nur bedingt Spielräume für Investitionen". Denn, wie Kämmerer Markus Porombka ausführte, "das wird 2017 alles wieder ausgegeben für die neue Schule".

Der Haushalt 2016, immerhin mit einem Gesamtvolumen von rund 80 Millionen Euro, ist eigentlich nur der erste Teil eines mehr als 300 Millionen Euro schweren Gesamtpakets. Dieses umfasst die Haushalte bis 2019, die nahezu komplett im Zeichen des Neubaus der Grund- und Mittelschule stehen. Dieser soll insgesamt 39,2 Millionen Euro kosten, auf eine entsprechende Kostendeckelung hatte sich der Gemeinderat im vorigen Jahr festgelegt. Und auch wenn die Schule wie geplant 2019 fertig ist, wird es Jahre dauern, bis sich die Finanzen der Gemeinde wieder erholen: Ende 2019 werden die Schulden auf fast 15 Millionen Euro gestiegen, die Rücklagen auf das gesetzlich vorgeschriebene absolute Minimum von 500 000 Euro gefallen sein. Und die Konsolidierung könnte länger dauern. Denn wie aus dem Haushalts- und Finanzplan ebenfalls hervorgeht, sieht es in den kommenden Jahren mit den Einnahmen eher bescheiden aus. Zwar dürfte die heuer auf 18,5 Millionen Euro geschätzte Einkommensteuer weiter steigen, dies gilt aber nicht für die Gewerbesteuer. Denn das neue Gewerbegebiete in Parsdorf scheint deutlich weniger profitabel zu sein als erhofft, mit 7,9 Millionen Euro erwartet man 2016 ein eher überschaubares Plus zum Vorjahr von 600 000 Euro.

Die meisten Gemeinderäte hoffen, dass diese Einnahmen noch steigerbar sind, so meinte etwa Dritter Bürgermeister Günter Lenz (SPD), man sei "auf dem richtigen Weg in Parsdorf, wir müssen vielleicht noch nachsteuern". Manfred Schmidt (FBU/AfD) hingegen kritisierte, die Gemeinde habe sich "für ein Butterbrot die Manhattanisierung Parsdorfs eingehandelt". Für CSU-Fraktionssprecher Michael Niebler ist es "im Jahr eins des Gewerbegebietes noch zu früh, den Stab darüber zu brechen". Was die Bewertung der Gesamtsituation des Haushaltes angeht, stimmte er mit Reitsberger überein, "wir werden finanziellen Spielraum verlieren durch die Schule, aber wir haben keine Alternative dazu". Wichtig sei es nun, so Niebler, dass man die Ausgaben im Blick behalte, bei den freiwilligen Leistungen gebe es noch Potenzial, etwa bei der VHS, mit der die Gemeinde derzeit über ein neues Zuschussmodell verhandelt.

Für seine Fraktionskollegin Christl Mitterer gibt es auch bei der kostenlosen Gehwegreinigung durch den Bauhof noch Einsparpotenzial, genau wie bei Sportplätzen oder den Rathauskonzerten. Die man natürlich nicht kaputtsparen wolle, "aber manchmal muss man Altes aufgeben, damit Neues kommt, es gibt viele innovative Sachen, die nichts kosten".

Mehr jedoch als Einsparungen vermisste Mitterer "das Gestalten" - es werde nur noch verwaltet. "Wir sollten etwas entwickeln für unsere Gemeinde stattdessen schließen wir nur einzelne Baustellen, das finde ich schade." In die Pflicht nahm Mitterer dabei Bürgermeister Reitsberger, "es fehlt der Weitblick, das Gesamtkonzept". Ähnlich sah dies SPD-Fraktionssprecher Sepp Mittermeier. Er bemühte das vor einigen Jahren von Günter Lenz in einer Haushaltssitzung erfundene Gemeindeschiff. Dieses "dümpelt im offenen Meer inmitten von Eisbergen herum, wie haben aber die Segel eingeholt und die Seekarten im Schrank versperrt". Dabei seien die Voraussetzungen für "grundsätzliche Entscheidungen zu den großen Themen", wie etwa Bürgersaal oder Rathausneubau, derzeit so gut wie selten: Im Gemeinderat gebe es den "Willen, die richtigen Entscheidungen zu treffen". Was aber fehle sei, dass der Bürgermeister "die notwendigen Diskussionen und Entscheidungsprozesse rechtzeitig anstößt".

Gemeindehaushalt Vaterstetten: Ab in die Schule heißt es in Vaterstetten für die Kinder und für knapp 40 Millionen Euro. Diese Summe muss die Gemeinde für einen Neubau ausgeben.

Ab in die Schule heißt es in Vaterstetten für die Kinder und für knapp 40 Millionen Euro. Diese Summe muss die Gemeinde für einen Neubau ausgeben.

(Foto: Christian Endt)

Dieser machte für seine Verhältnisse relativ deutlich klar, was er von diesen großen Ideen hält: "Wir müssen erhalten und fördern und wohl auch ein bisschen verzichten." Gemeinsam jedoch "können wir unsere Gemeinde so gestalten, dass sich jeder wohlfühlt". Beschlossen wurde der Haushalt mit großer Mehrheit, lediglich Schmidt sowie die Grünen stimmten dagegen, letztere wegen der im Plan dargestellten Ausgaben für die umstrittene Umfahrung für Weißenfeld und Parsdorf.

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