Gekündigter Zuwanderer:Hat das Ebersberger Ausländeramt diese Entlassung forciert?

Gekündigter Zuwanderer: Salomon Kafour an einem Tag Anfang November in seinem Zimmer in Oberelkofen.

Salomon Kafour an einem Tag Anfang November in seinem Zimmer in Oberelkofen.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Salomon Kafour aus Senegal hatte ein Visum, eine Versicherung und eine Ausbildung. Dann wurde er krank, und sein Baubetrieb kündigte ihm. Die Frage ist warum.

Von Korbinian Eisenberger

Die Narbe geht über den Bauch, zwei Schnitte, wie ein großes L. Die Schmerzen sind weniger geworden, sagt er, es sticht nicht mehr so stark. Weh tut das alles trotzdem irgendwie. Ein Wummern von draußen. "Das war einer von den blauen Zügen, die sind nicht so laut", sagt er, das Gleis geht fünf Meter an seiner Hauswand vorbei. Der Wasserhahn ist defekt, offene Rohre, Fliesen an der Wand. Früher war das eine Küche, jetzt wohnt hier ein Mensch. "Halb so wild", sagt er und öffnet eine Schublade mit Medikamenten.

Salomon Kafour heißt eigentlich anders. Er trägt eine Jogginghose, der Fleecepulli spannt über den Oberarmen. Der 34-Jährige kommt aus Senegal und wohnt nun hinter dem Ortsschild von Oberelkofen, in einem Häusl, wo nichts ist, außer Wald und der Bahnstrecke nach Grafing. Etwas besseres ließ sich nicht finden nach seiner Zeit im Obdachlosenheim. Immerhin, er hat sein eigenes Zimmer. Er wolle sich nicht beschweren, sagt er. Nur, dass da eben auch dieses Foto hängt, auf dem er Anzug und Krawatte anhat. Damals, vor zwei Jahren hatte er Arbeit, ein Einkommen, eine Chance. Das war, bevor die Schmerzen kamen, die Operationen. Und die Kündigung.

Kafour hatte sich etwas aufgebaut und wieder verloren: Statt Beruf, Versicherung, Arbeitsvisum und -erlaubnis droht ihm an diesem Tag Anfang November die Abschiebung. Seine Geschichte erzählt von einem Einzelschicksal - und sie gibt Einblicke in die Untiefen der Bürokratie, deshalb ist sein Fall im Landkreis zum Politikum geworden. Im Zentrum steht das Ebersberger Landratsamt:

Zwei Männer werfen der dortigen Ausländerbehörde vor, Kafours jetzige Lage aktiv befördert zu haben. Mehrere Mitarbeiter hätten Kafours Arbeitgeber unter Druck gesetzt, damit dieser ihm kündigt. Die Landtagsabgeordnete Doris Rauscher (SPD) hat das Landratsamt per Brief um Aufklärung gebeten, Landrat Robert Niedergesäß (CSU) wies die Vorwürfe umgehend zurück.

Bei einem einheimischen Maurerlehrling wäre so etwas nicht passiert

Was ist geschehen? Nachfrage bei Josef Daberger; er hatte Kafour in seiner Grafinger Baufirma eingestellt, Fachkräftemangel in der Region war auch damals Thema. Daberger hat Kafour dabei geholfen, über Umwege ein Visum zu organisieren, so dass Kafour in Oberbayern eine Ausbildung zum Maurer anfangen konnte. "Er ist fleißig und zuverlässig, ich hätte ihm nie freiwillig gekündigt", sagt Daberger am Telefon.

Auch nicht, als Kafour krank wurde, "akutes Leberversagen" steht in den Arztbriefen, die der SZ vorliegen, Kafour hat zwei Transplantationen hinter sich. Alkohol? "Als Muslim habe ich nicht getrunken", sagt er, schiebt das Bett weg, öffnet den Schrank und holt sein Moscheegewand heraus. Schwer zu sagen, woher die Schäden kamen, vielleicht von den Gemüseplantagen in Spanien, wo er monatelang ohne Schutzkleidung gearbeitet hat, die Ärzte jedenfalls haben keine Ursache gefunden.

Im Frühjahr 2017 war Kafour schon über eineinhalb Jahre krankgeschrieben, erhielt Krankengeld, so wäre es auch bei einem deutschen Maurerlehrling - nur dass es der Ausländerbehörde egal wäre. Darum geht es Josef Daberger, deswegen haben er und der Deutsch-Lehrer James Matthäi sich an die SZ gewandt: Daberger berichtet von zwei Anrufen, so fing es an.

"Die Ausländerbehörde wollte wissen, warum ich einem kranken, arbeitsunfähigen Flüchtling nicht kündige", sagt Daberger, überrascht, dass eine Behörde die Entlassung eines Mitarbeiters empfiehlt. Dann kam der 22. Mai 2017, eine Besprechung im Landratsamt. Matthäi und Daberger erzählen von dem gemeinsamen Besuch im Büro der Ebersberger Ausländerbehörde. "Der Mitarbeiter sagte, ich muss ihm kündigen, weil er sonst keine Leistungen mehr bekommen würde", sagt Daberger. "Ich habe es als Aufforderung verstanden, dass er ihn entlassen soll", sagt Matthäi.

Mit der Entlassung waren Versicherung und Krankengeld hinfällig

Das tat Daberger dann auch - und für Kafour war nichts mehr wie vorher. "Dabei hätte er weiter Leistungen bekommen und wäre versichert gewesen", sagt Daberger. Das wiederum habe ihm dann das Ebersberger Jobcenter mitgeteilt. Mit der Entlassung aber waren Versicherung und Krankengeld ebenso hinfällig wie das vor der Entlassung gemachte Angebot der Rentenversicherung, ihm eine Umschulung für eine weniger schwere Arbeit zu finanzieren. Kafour blieb nur noch die Grundsicherung vom Landratsamt.

Wie also kam es dazu? Warum die Anrufe? Und warum die Kündigungs-Empfehlung? Gab es die so überhaupt?

Das Ebersberger Landratsamt beantwortet eine SZ-Anfrage vom Dienstag am Freitagmittag mit einer allgemeinen Erklärung. Aus Datenschutzgründen könne man auf den Fall nicht genauer eingehen, heißt es. Bei einem zweckgebundenen Visum (wie in diesem Fall) "erlischt dieses Visum, wenn der Zweck nicht mehr gegeben ist". Der Betroffene müsse dann ausreisen. "Nur in sehr besonderen Ausnahmefällen kann ein Bleiberecht ermöglicht werden."

Offenbar ist Kafour so ein besonderer Fall. Wenige Tage nach dem Treffen in seinem Zimmer ordnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge per Bescheid einen Abschiebestopp an. Der Ober sticht den Unter. Es erinnert an einen Fall aus dem Sommer, als das Bundesverfassungsgericht per Fax um 22.07 Uhr die Abschiebung eines Nigerianers aus einer geschlossenen Psychiatrie stoppte, das Ebersberger Ausländeramt hatte die nächtliche Aktion angeordnet.

Kafour gießt Tee auf, Kaffee darf er nicht mehr trinken. "Der Chef hat mir geholfen", sagt er, "auch als ich keine Mauern mehr machen konnte". Kafour hat die gefliesten Wände mit selbstgezeichneten Bildern verhängt, Vögel, Bäume, Blumen, "es macht den Raum wärmer", sagt er. Er hat in diesen Tagen ein Schreiben bekommen, darin steht, dass er wohl bald wieder arbeiten darf. Nicht mehr mit Mörtel und Ziegel, vielleicht aber mit Papier und Stift.

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