Gedankenaustausch mit der Konkurrenz:Grüne nähern sich Piraten an

Eine Diskussion in Grafing zeigt viele Gemeinsamkeiten, aber auch Differenzen. In Zukunft will man den Kontakt intensivieren.

Georg Reinthaler

Die Entstehungsgeschichte und jüngsten Erfolge der Piratenpartei lassen die etablierten politischen Kräfte aufhorchen - auch im Ebersberger Landkreis. Grund genug für die Grafinger Grünen, sich am Montagabend mit der neuen Konkurrenz zum gegenseitigen Gedankenaustausch zu treffen. In einer lebhaften Diskussion wurden viele Gemeinsamkeiten, aber auch Differenzen hervorgehoben.

Mehr als 30 Interessierte hatten sich eingefunden, wobei die überwiegende Mehrheit aus Mitgliedern und Sympathisanten der Grünen bestand. Unbekannte Gesichter wurden genau gemustert - und immer wieder war die so kurze wie selbstbewusste Antwort "Ja, ich bin Pirat" zu hören. Deren Kreisvorsitzender Michael Nausch kam im hellorangen Hemd mit unübersehbarem Piratenlogo. Der 45-jährige Plieninger ist verheiratet, Vater von vier Kindern und arbeitet als IT-Administrator. "Außer meinem Beruf erfülle ich eigentlich keine der gängigen Klischees, die den Piraten ständig nachgesagt werden", sagte er schmunzelnd.

Da der Abend keine Tagesordnung vorsah, stieg man direkt ein mit der Diskussion über die Pläne der Piratenpartei, den Umgang mit den deutschen Urheberrechten im Internet zu lockern. Wolfgang Huber, Vorstandsmitglied der Grafinger Grünen, übernahm die Moderation des zweieinhalbstündigen Austauschs. Von den vier anwesenden Mitgliedern der insgesamt 51 Piraten im Landkreis Ebersberg wurden dabei vor allem die Begriffe "Freiheit im Internet" und "Transparenz" eingeworfen. "Schön und gut, aber ich höre von euch in der Öffentlichkeit nichts darüber, wie ihr dann die kleinen Künstler schützen wollt", sagte eine Besucherin. Selbstverständlich sollten diese auch künftig von ihrer Arbeit leben können, aber nicht jede Privatperson, die sich kreative Werke aus dem Internet herunterlade, dürfe deswegen gleich kriminalisiert werden, antworteten die Piraten. Trotz einiger Gemeinsamkeiten beim Thema Urheberrechte offenbarten sich hier die einzigen größeren Differenzen des Abends.

Mehrere Anwesende betonten, dass die Piratenpartei vor allem jüngere Menschen für Politik begeistere, da sie, anders als mittlerweile auch die Grünen, nicht zu den etablierten Parteien gehöre. "Es gibt viele Bürger, die große Hoffnungen in euch setzen, und dieser Verantwortung müsst ihr euch bewusst sein", betonte ein Zuhörer. Aber auch Kritik daran, dass die Partei mit den Schlagworten "Internet" und "Basisdemokratie", ebenfalls ein ur-grünes Mantra, nur zwei Themen besetze, wurde geäußert. Hier konterten die Piraten, dass aktuell ein breiteres Parteiprogramm entwickelt und diskutiert werde, in dem beispielsweise auch die Bildung eine Schlüsselrolle spiele. "Wir werden auch nicht umhin kommen, in den nächsten Jahren gewisse Verhaltensweisen der etablierten Parteien anzunehmen und eigene Köpfe zu präsentieren", räumte Nausch ein.

Angesprochen auf die Wahlergebnisse in Berlin, im Saarland und aktuelle Umfragewerte von acht Prozent sprachen die Piraten von "Vorschusslorbeeren", die sie erst noch bestätigen müssten. Viele Grüne verglichen diese Situation mit der bewegten Entstehungsgeschichte ihrer Partei vor 30 Jahren. "Werdet ihr denn bei den Kommunalwahlen in zwei Jahren antreten?", wollten sie wissen. Hier verwies Sebastian Hietl, stellvertretender Kreisvorsitzender der Piratenpartei, auf laufende Beratungen, in denen es unter anderem um eine Kandidatenliste für den Kreistag gehe. Die langjährige Grafinger Stadträtin Ottilie Eberl empfahl den Piraten, baldmöglichst Sitzungen von Stadt- oder Gemeinderäten zu besuchen, um einen wertvollen Einblick in deren Arbeits- und Funktionsweisen zu erhalten.

Grünen-Kreisvorsitzender Stefan Kisters sagte, dass sich die Überschneidungen zwischen den Parteien nicht nur auf Inhalte beschränkten, sondern auch bei der Mitgliederstruktur und den gesellschaftlichen Einstellungen der Anhänger zu finden seien. "Gerade im Hinblick auf die Wahlen würde ich einen regelmäßigen Austausch sehr begrüßen, da beide Seiten davon profitieren können." Dem stimmte Nausch zu und lud die Grünen sogleich zum Gegenbesuch ein.

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