Weihnachtsgebäck:"Wir wollten etwas Gutes tun, für uns und für die Natur"

Glonntaler Backkultur

Geduldsarbeit: Plätzchen werden fein säuberlich in Reihe gelegt, eins neben das andere

(Foto: Fotos: Peter Hinz-Rosin)

Die Glonntaler Backkultur hat sich mit ökologischer und traditioneller Herstellung einen Namen gemacht. Was bei ihnen in den Teig kommt - und was nicht.

Von Alexandra Leuthner, Glonn

Jetzt, an einem Vormittag mitten im Advent, sind die Backbleche voll gepackt mit flachen Herzen aus hellem Teig, Vanillekipferln und runden, samtbraunen, saftigen Lebkuchen. Ein feiner Duft nach Zucker und warmem Mehl verführt die Nase, sobald man aus dem winterlichen Schneetreiben hereintritt. Warm ist es hier, an den schweren Holztischen wird konzentriert gearbeitet, Plätzchen werden fein säuberlich in Reihe gelegt, eins neben das andere. Geduldsarbeit.

Glonntaler Backkultur

Romeo Butic ist der Herr über die Backstube. Im Advent gehören Lebkuchen und Plätzchen zum Angebot.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Konditoren haben die Herrschaft in der Backstube übernommen, und ein Blech nach dem anderen füllt sich mit zarten Gebäckstücken. "Das sind unsere roten Herzen", erklärt Antonia Weiß, die Chefin über das ganze Treiben, und deutet auf die ordentlich ausgerichteten Teiglinge, die eine Angestellte in weißer Schürze mit duftender Marzipanpaste bestreicht.

Glonntaler Backkultur

Hildegard Stinauer verziert frischen Panettone als Geschenk für Mitarbeiter und Kunden.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das ist aber längst nicht der letzte Arbeitsgang, wie die Plätzchenbäckerin ausführt. Sie stellt sich schlicht mit "Monika" vor und erklärt: "Die werden noch mit Marmelade umhüllt, dann sind sie rot." Das blonde Haar hat sie nach hinten gesteckt - passend zu den Früchten ihrer Arbeit mit einer Klammer in Herzform. Die Chefin bemerkt es und lächelt.

Kurz vor Weihnachten stehen die Öfen der Glonntaler Backkultur überhaupt nie still. Wenn nach den zwei Arbeitsschichten, die in die Nacht hinein und in aller Früh wieder aus ihr herausreichen, endlich alles Brot, alle Semmeln und das Kleingebäck fertig gemischt, geknetet, gebacken, kommissioniert und zum Ausliefern in Lieferfahrzeugen verstaut, oder im 100 Meter entfernten Café in der Auslage drapiert sind, dann gehen die Zuckerbäcker ans Werk. Jedes Kipferl wird einzeln abgewogen, von Hand in seine halbrunde Form gebracht, mit Zucker bestreut, jeder Stern liebevoll ausgestochen, mit Glasur bestrichen. Maschinen, die diese Handgriffe automatisieren würden, gibt es keine.

Glonntaler Backkultur

Antonia Weiß von der Glonntaler Backkultur.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Keine Automatisierung, nur Biogetreide

Wie so vieles, was in einer herkömmlichen Bäckerei hilft, Kosten zu sparen. Als Antonia Weiß und ihr Mann Romeo Butic vor zehn Jahren die aufgelassene Bäckerei in Piusheim übernommen haben, wollten sie alles anders machen. Keine konventionell hergestellten Zutaten, keine Automatisierung. Ausschließlich Biogetreide findet den Weg in die Produkte, keine Backtriebmittel oder andere Zusatzstoffe, Backmischungen sowieso nicht.

Gebacken wird mit zertifiziertem Öko-Getreide aus zwei Familienmühlen in den Landkreisen Mühldorf und Ebersberg. Schon die Namen der verwendeten Mehlsorten klingen gesund und nach Nachhaltigkeit: Emmer, Kamut oder Oberkulmer Rotkorndinkel - alles alte Getreidesorten, die in Zeiten kultiviert wurden, als es noch keine Weizenallergien gab. Auf klassischen Weizen verzichtet Bäckermeister Butic weitgehend.

All das kostet und macht die Biobäckerei nicht zu einem einträglichen Geschäft, auch wenn das "Kamut Kerndl"-Brot oder der kompakte "Dinkelheimer" vielleicht etwas mehr kosten als das Mischbrot vom Discounter und die Standardsemmel von der Backwarenkette. Wenn so ein Sauerteig komplett von Hand hergestellt wird und dann noch 20 Stunden Ruhe bekommt, bevor er gebacken wird, wie es beim traditionellen Bäcker einmal üblich war, dann braucht das Zeit und Personal.

Letzteres ist für den Ökobäcker noch schwerer zu bekommen als in der konventionellen Bäckerei, vor allem der Arbeitszeiten wegen. Doch wenn man hineinbeißt in den Dinkelheimer, dann scheint es, als erwache jedes einzelne Körnchen zu einem zweiten Leben - und letztlich ist es das, was für Antonia Weiß zählt.

"Wir wollten etwas Gutes tun, für uns und für die Natur", sagt sie. Bodenständig sollte der Betrieb sein, den sie führen wollte, ehrlich und weit weg von überkandideltem Gewese. Weiß kommt aus der Gastronomie. Bevor sie sich mit ihrem Mann selbständig gemacht hat, arbeitete sie in einem Sterne-Haus. "Aber diese Leute, die sich beschweren, weil ihre Gänseleber ein bisschen zu kalt ist, das konnte ich mit meiner Lebensphilosophie nicht mehr verbinden."

"Wenn der Mann am Ofen nicht aufpasst, ist die Arbeit beim Teufel"

Sie habe sich immer einen Biobauernhof gewünscht. Mit Luxusdiners, feinem Kristall und hochgezüchteter Esskultur hatte diese Vorstellung freilich wenig zu tun. Ihre Lebensphilosophie allerdings war anfangs auch das Einzige, was Weiß und Butic hatten - das und eine Vision, die durch einen Zufall ihrer Verwirklichung näher kam. Weiß' Eltern kauften ein Haus in der Piusheimer Nachbarschaft und kamen eines Tages an der still gelegten Bäckerei vorbei, an der ein Schild mit dem Hinweis auf die Suche nach einem Nachmieter hing.

Eins kam zum anderen, das Paar sah sich die Backstube an, sprach bei der Bäckerinnung vor, von der Glonner Familienbäckerei Winhart bekamen sie einen zweiten Ofen geschenkt - gegen Abholung -, gleichzeitig eröffnete ein paar Meter weiter die Freie Schule Glonntal - die potenzielle Kundschaft schien also auch gesichert - und so schlugen sie zu. "Es hat so sein sollen", sagt Bäckermeister Butic, der nun auch in die Backstube gekommen ist, Lebkuchen und Kokosecken inspiziert und überhaupt nach dem Rechten sieht.

Vormittags ist nicht seine Backstubenzeit, erst um drei fängt der normale Backbetrieb wieder an, werden Brotteige an der Waage gemischt, am Tisch bearbeitet, fertige Teige in den Ofen gesteckt - eine hoch verantwortungsvolle Aufgabe, wie die Chefin erklärt, "wenn der Mann am Ofen nicht aufpasst, ist die Arbeit von allen, die vorher schon mit dem Brot zu tun hatten, beim Teufel". Nach dem Brot sind dann Semmeln, Baguettes und all die anderen Sachen aus Weißmehl an der Reihe. Bis morgens um sieben muss alles fertig sein.

Weiß und Butic haben inzwischen 55 Mitarbeiter, nicht nur in der Bäckerei, auch in dem Café. Das Café, ein paar Meter von der Backstube entfernt, eröffneten sie ein halbes Jahr nach der Backstube. Inzwischen ist daraus ein Cafe mit Restaurant geworden. Zusätzlich betreiben sie eine Verkaufsfiliale in Grafing, wo die Kunden auch mal eine Tasse Kaffee trinken und ein Stück Kuchen essen können, eine weitere eröffnet im Januar in Glonn. Zur gleichen Zeit soll auch das Café-Restaurant in Piusheim erweitert werden. Firmen und Familien mieten sich mittlerweile regelmäßig für Feste ein.

Die Lage in dem kleinen Ort, der aus einem Jugenddorf zur Unterbringung schwer erziehbarer Kinder entstanden ist und neben der jetzigen Schule Glonntal, ein paar Häusern, etlichen Handwerksbetrieben und ein paar Unternehmen vor allem viel Natur bietet, ist auch zu idyllisch. Doch der kleine Gastraum bietet nicht allzu viel Platz. "Wir haben schon Leute oben in der Wohnstube unterbringen müssen."

Ein Wintergarten soll die Gaststube, die mit Adventskränzen aus Stroh und goldenen Christbaumkugeln geschmückt ist, größer machen. Konzerte, Weihnachtsmärkte und der freitägliche Pizzaabend hat dem versteckt gelegenen Café einen soliden Kreis von Stammkunden verschafft. An diesem Morgen treffen sich zwei Freundinnen zum Ingwertee, ein junger Mann mit Hund bearbeitet sein Handy, ein Paar ist zum Frühstücken gekommen, während ein Herr in einer Ecke seine Zeitung liest.

Antonia Weiß pendelt zwischen Café und Backstube hin und her, auch die Lieferungen müssen organisiert werden. Um die 60 Biomärkte, Restaurants und Unternehmen rund um München und im südostbayerischen Raum stehen auf der Lieferliste der Backkultur. "Langweilig wird es mir nie", sagt sie. Und weil es eh rund geht, will das Paar auch noch in neue Backöfen investieren, um die viele Abwärme zu nutzen, die beim Backen entsteht, "da können wir Piusheim noch mitversorgen", erklärt Weiß. Und wenn sie mal ein paar Minuten hat, in denen sie nicht für ihren Lebenstraum werkt, dann sind da ihre drei Kinder, die zu ihrem Recht kommen wollen.

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