Forstinning:Zwist im Forst

Forstinning Protest gegen Ortsumfahrung.

100 Forstinninger protestieren am Samstag mit Initiator Ludwig Seebauer (rechts) gegen die Umgehungsstraße, 50 Gegendemonstranten sind dafür.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wegen der geplanten Umgehungsstraße des Ortsteils Schwaberwegen kommen 150 Forstinninger zu einer Demo im Ebersberger Forst zusammen. Die Meinungsverschiedenheiten werden laut.

Von Korbinian Eisenberger, Forstinning

Alexander Bock ist dagegen, dass das Waldstück, auf dem er gerade steht, verschwindet. Der 19-Jährige ist dagegen, dass hier eine 2500 Meter lange Schneise geschlagen wird. "Die Umgehungsstraße würde dann hundert Meter an unserem Haus vorbeilaufen", sagt er und zeigt auf sein Plakat, wo eine Karte mit einer Kurve eingezeichnet ist. Das Haus seiner Familie steht am Waldrand. Um sich gegen die Pläne des Gemeinderats zu wehren, ist der Student mit vielen anderen Forstinningern am Samstag in den Ebersberger Forst gekommen. Ihr Ziel: Sie wollen den Bau der Umfahrung verhindern.

Die Sonne scheint, ein frühlinghaftes Wochenende, doch in Forstinning ist die Stimmung eisig. Gegen Mittag versammeln sich um die 150 Dorfbewohner zu einer Protestaktion. Mit Plakaten und Trillerpfeifen folgen sie einem Aufruf einer Bürgerinitiative, die sich seit längerem gegen den Bau der Umgehungsstraße durch den Wald einsetzt. Auf dem Weg nahe des Ortsausgangs Richtung Ebersberg kommen aber nicht nur die hundert Gegner der geplanten Straße zusammen, sondern auch 50 Befürworter. Gezählt hat die Polizei Poing, sie sichert die Versammlung mit drei Beamten ab.

Das Bayerische Fernsehen ist da, Zeitungsreporter und Fotografen. Der Initiator der Initiative Ludwig Seebauer spricht durch einen Lautsprecher zu den Demonstranten. "Es handelt sich hier um fehlerhafte Planungspolitik", sagt er. Dadurch werde auf knapp 30 Metern 20 Prozent der Waldstrecke nach Ebersberg zerstört. Dies, so Seebauer, wolle die Initiative "im Dialog mit den Befürwortern" verhindern. "Andere Varianten der Trasse würden den Wald verschonen", sagt er unter Applaus. Es gibt aber auch wütende Zwischenrufe von Anwohnern, denen die Umgehung nicht schnell genug kommen kann.

Die Befürworter der Umfahrung der Ortsteile Moos und Schwaberwegen haben handgeschriebene Plakate dabei. "Vogelschutz? Menschenschutz??? Umgehung Jetzt", ist da etwa zu lesen. Viele der Verfasser wohnen in der Nähe der Hauptstraße, ein Verkehrsknotenpunkt zwischen der A 94 und Ebersberg. Ihnen geht es vor allem darum, dass die Lastwagen aus der Ortsmitte verschwinden.

"Ich wollte nie, dass mein Sohn sich mit den Kindern von der anderen Straßenseite anfreundet"

Einige von ihnen erzählen drastische Geschichten, sie haben Angst vor Unfällen. "Ich wollte nie, dass mein Sohn sich mit den Kindern von der anderen Straßenseite anfreundet", sagt Maria Eichinger, die seit 30 Jahren an der Straße wohnt. "Wenn die großen Laster durchfahren, bekommt mein Haus manchmal Risse in der Wand", sagt Siegfried Streb, der - wie er sagt - "70 Zentimeter neben der Straße" wohnt. "Der Verkehr wird immer mehr, man kann sich nicht mehr im Garten aufhalten", sagt der Sprecher der Trassenbefürworter Carl Teine. "Die Zahl derer, die profitieren, ist größer als die, denen die Umfahrung schadet."

Es treffen zwei Parteien aufeinander, die beide davon überzeugt sind, dass sie die besseren Argumente haben. Gegen die Umfahrung spricht für Seebauer, dass die Hauptstraße durch den Ort seit mehr als 200 Jahren existiert. "Die Leute, die hier wohnen, wussten, dass sie an eine Straße ziehen", sagt er. Einige haben ihre Häuser entsprechend ausgerichtet, ihre Schlafzimmer von der Straße weg gelegt. "Die Leute am Waldrand können ihre Häuser aber nicht einfach um 180 Grad drehen", sagt er. Der Fehler liegt für ihn mehr als 40 Jahre zurück. 1973 wurde ein Wohngebiet bis zur Hauptverbindungsstraße ausgewiesen "ohne, dass man ein Konzept hatte, auf eventuell zunehmende Verkehrsströme reagieren zu können", sagt Seebauer.

Die Stimmung ist gereizt, doch es bleibt friedlich. Es kommt zu lauteren Meinungsverschiedenheiten, aber auch zu sachlichen Debatten. Im Mittelpunkt steht immer wieder SPD-Gemeinderat Karl Segerer, er hatte im Herbst 2016 für die Umgehung gestimmt - genau wie die 15 übrigen Gemeinderäte. Im Gespräch mit Seebauer geht es um Lärmschutz und alternative Varianten, die Bürgerinitiative wünscht sich eine Optimierung der 2009 vorgestellte Variante, so dass die Umgehung unterirdisch verlaufen würde, "ohne Waldzerstörung und Gemeindezerschneidung", sagt Seebauer.

Was allerdings deutlich teurer wäre. Der Naturschutz ist das Kernargument der Gruppe um Seebauer. Nach seiner Rede befestigen die Initiatoren ein Protestplakat mit dem Schriftzug "Helfen Sie dem Wald" an einem Pfosten. Insgesamt haben die Umfahrungs-Gegner 50 solcher Schilder auf Hohlwandplatten drucken lassen - reißfest, weil einige Papierplakate zuvor beschädigt wurden. Markus Stocker und seine beiden Kollegen von der Poinger Polizei müssen nicht eingreifen an diesem Nachmittag im Forst. Auf dem Heimweg kommen die Demonstranten an einem Schild mit der Aufschrift "Ramadama" vorbei. Während im Wald demonstriert wurde, war Bürgermeister Rupert Ostermayr (CSU) dort als Schirmherr.

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