Forstinning:Straßenkampf

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90 Forstinninger werfen dem Gemeinderat in einer Unterschriftenaktion vor, beim Beschluss für die Umgehung falsche Motive angegeben zu haben. Das Rathaus weist die Anschuldigungen zurück.

Von Korbinian Eisenberger, Forstinning

Auf den Tag genau drei Monate ist es her, dass der Forstinninger Gemeinderat seine wohl wichtigste Entscheidung der vergangenen Jahre traf: Einstimmig besiegelten 16 Ratsmitglieder, dass die seit Jahrzehnten umstrittene Ortsumfahrung gebaut werden soll.

Die Fraktionen im Gemeinderat begründeten ihre Entscheidung jeweils damit, den zunehmenden Verkehr aus dem Ort verbannen zu wollen. Damit es so kommt, stimmten sie einem Vorentwurf zu, wonach eine Umgehungsstraße durch den Ebersberger Forst geschlagen werden soll. Im Juni sah alles danach aus, als sei das Millionen- Projekt besiegelt.

Nun scheint es aber, als ob es eine Fortsetzung gibt. 90 Forstinninger haben jetzt einen offenen Brief unterzeichnet und an die Gemeinde geschickt. In ihrem Schreiben, das seit Donnerstag auch der SZ vorliegt, formulieren die Mitglieder einer Bürgerinitiative einen schweren Vorwurf:

Der Vorwurf: Die Gemeinde benutzte einen falschen Vorwand

Aus dem Schreiben geht hervor, dass die Gemeinde das Verkehrsproblem im Ort als Vorwand benutzt, um das Gewerbegebiet Moos zu erschließen. Die Gemeinde solle "ihre wahren Motive auf den Tisch legen". Mit anderen Worten: Der Gemeinde soll es weniger um das Wohl ihrer Bürger gehen als um eine gute Infrastruktur für zusätzliche Gewerbe im Gemeindegebiet, inklusive lukrativer Steuereinnahmen.

Beweise für seine Thesen hat die Bürgerinitiative nicht - in dem Papier werden mögliche Anhaltspunkte genannt, allerdings keine konkreten Hinweise. Ließen sich die Anschuldigungen belegen, hätte das Gemeindegremium um Bürgermeister Rupert Ostermair freilich ein echtes Problem. Der CSU-Politiker steht seit seinem Amtsantritt 2014 immer wieder zwischen den Fronten.

In der 3700-Einwohner-Gemeinde haben sich über die Jahre Lager gebildet, so wie in vielen anderen Regionen des Münchner Speckgürtels, wenn Umgehungsstraßen gebaut werden sollen: Die einen wollen den Verkehr im Ort loswerden - die anderen befürchten, dass man ihnen den Lärm jetzt vor die Haustüre setzt.

Ein Verkehrsknotenpunkt im Osten von München

In Forstinning dürfte der Verkehr auf Dauer zunehmen: Die Ortsdurchfahrung, die Staatsstraße 2080, ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, den praktisch alle Autofahrer nutzen, die über die A 94 nach Ebersberg pendeln - also zwischen München und Südostbayern.

In den Ortsteilen Schwaberwegen und Moos klagen die Anwohner der Straße seit Jahren über den Lärm, viele dort sprechen von Zuständen wie auf einer Rennbahn, vor Kurzem starb ein Fahrradfahrer, nachdem ihn der Sog eines Lastwagens erfasst hatte. Kaum ein Zweifel, dass sich an dieser Straße ohne den Verkehr besser wohnen ließe. Allerdings gilt das für andere Ortschaften auch.

Die Unterzeichner bezweifeln, dass die Gemeinde den Verkehr als ernsthaftes Problem sieht. In ihrem Brief beklagt die Initiative, dass über die Jahre kaum Eingriffe vorgenommen worden seien: Kein fester Blitzer, keine Zebrastreifen für Schulkinder, kein Verschieben der Bushaltestelle weg von der Straße. Würde sich ein Ort Sorgen um seine Bürger machen, müsste er anders handeln, heißt es. Deswegen solle die Gemeinde das "scheinheilige Argument der Gefährlichkeit fallen lassen".

Der Bürgermeister weist die Vorwürfe zurück

Bürgermeister Ostermair hat den Brief zusammen mit der Unterschriftenliste per Post erhalten. Den Vorwurf, die Gemeinde habe falsche Motive vorgegeben, weist er auf Nachfrage zurück. "Das Gewerbegebiet war schon vor dem Entschluss zur Umgehung geplant", sagt Ostermair, es habe sich um ein normales Bauleitverfahren gehandelt. Die Gemeinde nehme das Verkehrsproblem ernst, es werde auch geblitzt, zwar nicht permanent, aber "regelmäßig". Eine der beiden Bushaltestellen habe mittlerweile einen Warteplatz für Schulkinder. Einen Grund dafür, das Projekt abzublasen, sieht Ostermair in dem Schreiben beim Stand der Dinge nicht.

Wie geht es jetzt weiter? Bleibt es dabei, dass die Umgehungsstraße einen Meter über der Erde verlaufen soll? Wird es ausreichend Fuß- und Radwege geben? Kann man die neue Trasse, den Kreisverkehr und die Verbindungsstraßen über Brücken queren? Oder über Ampeln? Wie hoch wird die Lärmschutzwand am Ende sein? Und wie laut wird es in den Ortsteilen werden?

So viele Fragen und so wenige Antworten. Am Dienstag findet in Forstinning die erste Gemeinderatssitzung seit der Sommerpause statt - bis dahin dürften alle Mitglieder den Brief gelesen haben. Der Bürgermeister sagt: "Wir werden uns damit beschäftigen."

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Kommentar
:Verschont uns!

Die Behauptung, die Gemeinde Forstinning habe falsche Gründe für die Umgehung vorgeschoben, ist frech. Die Argumentation dahinter ist aber teilweise nachvollziehbar.

Von Korbinian Eisenberger

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