Forstinning:Neues Leben in Sophies Welt

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Im Kurzwarenladen Stimmer gibt es jetzt Kaffee und Kultur

Von Alexandra Leuthner, Forstinning

Das Geräusch des Hammers, der mit gewaltigen Schlägen auf die Eisen an der Unterseite der Pferdehufe niederging, ist seit Jahrzehnten verklungen. Und die Fadenrollen und Häkelnadeln, die einst hier Sophies Auslage schmückten, sind auch fast alle verschwunden - bis auf ein paar letzte Reste aus dem Kurzwarenladen, der mehr als vier Jahrzehnte an dieser Stelle beheimatet war. Doch der ferne Anklang an die Gespräche, die hier geführt worden, im Haus Nummer 10 an der Mühldorfer Straße, der liegt noch in der Luft. Zumindest ist es den Machern des neuen Cafés Zeitschmiede, dem Ehepaar Angela und Marcus Stimmer, ein Anliegen, die Erinnerung daran wachzuhalten. An den Urgroßonkel, der hier seine Schmiede betrieb, an die Plaudereien, die im Kurzwarenladen von Marcus' Großtante Sophie geführt wurden, an die vielen kleinen Erlebnisse, von denen alteingesessene Forstinninger erzählen, wenn sie heute auf einen Cappuccino und ein Stückchen Kuchen vorbei schauen.

Marcus Stimmers Großtante hat bis zu ihrem Tod vor drei Jahren den Laden geführt, den sie sich im Haus ihrer Eltern eingerichtet hatte. Stimmer hat sie bis zum Schluss unterstützt. Und nicht von ungefähr haben er und seine Frau das kleine Café, das sie nun Mitte Oktober anstelle des Ladens eröffnet haben, "Zeitschmiede" genannt, in Erinnerung an die Schmiedewerkstatt des Urgroßonkels und das Familienerbe, das sie hier fortsetzen wollen. Aber auch, weil der Gedanke, sich Zeit zu nehmen, für ein Gespräch, ein paar Augenblicke der Ruhe, eine gute Tasse Kaffee, für das Nachdenken und die Erinnerung, ihnen so wichtig sei, erklärt Angela Stimmer. Dass im Innern des im Vintage-Stil eingerichteten Cafés Uhren als Schmuckelement eine tragende Rolle spielen, ist nur folgerichtig. Auch ein Klavier steht hier, wie das Haus reich an Lebensjahren, als Angebot an Gäste, mal in die Tasten zu greifen, aber auch als Grundausstattung für Musiker, die hier auftreten sollen.

Ihre ersten Erfahrungen mit der Welt der Kaffeehäuser hat das Ehepaar im kleinen Pöcking am Starnberger See gemacht. Dort haben sie gemeinsam mit einer Gruppe von Ehrenamtlichen ein ehemaliges Waschhaus der Gemeinde umgestaltet und, ähnlich wie sie es auch in Forstinning vorhaben, zudem einen Ort für kleine Kulturveranstaltungen geschaffen. Eine Lesung und Performance der Schauspielerin Ruth Geiersberger soll an diesem Freitagabend, 18. November, 20 Uhr, den Auftakt bilden. Anknüpfend an die Vorgeschichte des Cafés Zeitschmiede hat sie sich stoffliche Texte von Hans Christian Andersen, Franz Kafka, Hilde Domin und Rainer Maria Rilke ausgesucht, die sie inszenieren, oder wie selbst es nennt, verrichten wird. Ein paar Sitzplätze sind noch frei und ein Gläschen Sekt oder Wein wird es abends ausnahmsweise auch geben. Geöffnet hat das Café von Mittwoch bis Samstag, 9 bis 17 Uhr.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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