Forstern:Trauriger Höhepunkt

Kurz hinter der Landkreisgrenze eskaliert ein Konflikt um einen Altar und kirchliche Hierarchien. Im Streit mit dem neuen Pfarrer hat Kirchenmusiker Konrad Huber dort nach 20 Jahren gekündigt

Von Florian Tempel, Forstern

Der langjährige Forsterner Kirchenmusiker Konrad Huber und der im September 2016 neu gekommene Pfarrer des katholischen Pfarrverbands Maria Tading, Christoph Stürzer, haben sich ziemlich schnell und ziemlich heftig verkracht. So sehr, dass Huber nach 28 Jahren als Chorleiter wütend hingeschmissen und seine Teilzeitstelle bei der Kirche gekündigt hat. Das ist ein Schritt mit großer Wirkung: Konrad Huber hat mit seinen Chören die Gottesdienste musikalisch auf hohem Niveau begleitet. Doch jetzt hat diese Tradition ein Ende gefunden. Dürfen die Chöre den Altar verrücken? Dürfen die Sänger überhaupt im Altarraum stehen? Solche Fragen haben zum Bruch geführt.

Zwar ist Zwietracht am Arbeitsplatz weder allgemein besonders selten, noch ist das Miteinander von Kirchenmusikern und Priestern grundsätzlich davor gefeit. Ganz im Gegenteil. Dass die Harmonie zwischen Kantor und Pfarrer flöten geht, passiert in katholischen wie in evangelischen Pfarreien gar nicht so selten. Doch im Gegensatz zum Streit zwischen beispielsweise Sachbearbeiter und Abteilungsleiter einer gesetzlichen Krankenkasse wird so eine Geschichte in kirchlichem Umfeld oft zu einem öffentlichen Drama - und so ist das nun auch in Forstern.

In der Auseinandersetzung Huber versus Stürzer vermuten Beteiligte und Beobachter grundlegendere Ursachen und tiefer liegende Gründe als nur zwischenmenschliche Spannungen. Das kommt auch in einem an Papst Franziskus gerichteten offenen Brief zum Ausdruck, den Hubers Ehefrau Birte Huber verfasst hat. Darin schreibt sie: "Die ganze Thematik entwickelt sich mehr und mehr zu einem Machtkampf zwischen liberalen, zeitgemäßen Ansichten, wie Kirche zu leben und zu erleben ist, und zwischen altmodischen, liturgischen Richtlinien, weit entfernt von jeglicher Sinnhaftigkeit." So denken auch andere in Forstern und darüber hinaus.

Kirche Tading Konzert

Vielleicht das letzte Konzert? Am Dreikönigstag trat im Altarraum der kleinen Kirche in Tading Konrad Huber mit hundert Sängern und Musikern auf.

(Foto: privat)

Fast zwei Jahre gab es in Forstern keinen Pfarrer, bis Mitte September vergangenen Jahres der 38-jährige Christoph Stürzer kam. Das war für die Mitglieder der Kirchengemeinde eine gute Nachricht. Für Stürzer ist es nach drei Jahren als Kaplan in Kraiburg und zwei Jahren als Pfarrvikar in Fürstenfeldbruck die erste Stelle als verantwortlicher Pfarrer und Leiter eines Pfarrverbands, zu dem neben Forstern-Tading auch Buch, Pastetten und Hohenlinden gehören. Stürzer sagt, er habe sich auf die Arbeit in Forstern gefreut. Er habe bewusst in einem ländlich geprägten Pfarrverband arbeiten wollen, und er versichert: "Die Vielfalt der Musiktradition war für mich sogar mit ein Grund, mich um diese Stelle zu bewerben." Um so trauriger, dass es mit ihm und seinem Kirchenmusiker nicht lief.

Denn die von Stürzer angesprochene Musiktradition ist in Forstern und Umgebung wesentlich mit dem Namen Konrad Huber verbunden. Der 49-Jährige leitet den Kirchenchor Forstern, den Gospelchor Pastetten, den jungen Chor "Ubi Caritas", das Vokalensemble "Canto Vivace" sowie mehrere Chöre des Singkreises Forstern, alles zusammen sind das mehr 250 Sängerinnen und Sänger. Der Singkreis Forstern ist zwar ein eigener aus dem Werkschor der Traktorenfirma Eicher hervorgegangener Gesangsverein. Doch die Synergie über die Person Konrad Huber - als profaner Singkreis-Leiter und kirchlicher Musiker - ist enorm. Durch ihn und sein großes Engagement, für den ihn der Landkreis Erding auch schon mit dem Kulturpreis ausgezeichnet hat, wurden seit Jahren nicht nur große Konzerte und anspruchsvolle musikalische Messen möglich, wie es sie sonst nur in viel größeren Pfarreien gibt. Auch viele normale Gottesdienste wurden oft von dem einen oder anderen Chor unter Hubers Leitung musikalisch begleitet. Schon seit 1988 dirigiert er den Forsterner Kirchenchor, da war er noch Musikstudent. Seit 1997 hat er eine halbe Stelle als sogenannter B-Kirchenmusiker.

Gerald Fischer ist Diözesanmusikdirektor, Leiter des Amts für Kirchenmusik in der Erzdiözese München-Freising. Er sagt: "Konrad Huber hat große Verdienste. Da nehme ich kein Jota weg: Er hat dort über die Jahre eine ganz hochstehende Kirchenmusik aufgebaut." Und dabei sei Huber ja nicht mal "grundständiger Kirchenmusiker". Tatsächlich hat er nicht Kirchenmusik studiert, sondern gewissermaßen ganz profan Gitarre und Chorleitung. Für Forstern hätte man aber niemals einen richtigen Kirchenmusik-Profi gefunden, sagt Fischer, so einen wie Georg Rothenaicher in Erding oder Ernst Bartmann in Dorfen. Das alles solle aber Hubers Leistungen nicht schmälern, sagt Fischer. Es sei sehr beachtlich, in Forstern zum Beispiel Mendelssohn-Bartholdys Elias zur Aufführungen zu bringen oder Beethovens Neunte Symphonie, die am 6. Januar beim Neujahrskonzert in der Tadinger Kirche hundert Musiker und Sänger unter Hubers musikalischer Leitung erklingen ließen.

Forstern: Lange war Konrad Huber in Tading Kirchenmusiker.

Lange war Konrad Huber in Tading Kirchenmusiker.

(Foto: oh)

Die Musiker und Sänger hatten da, vielleicht zum letzten Mal, im Altarraum der Kirche Platz genommen. Pfarrer Stürzer ist der Ansicht, dass das eigentlich nicht in Ordnung ist. Obwohl der Altar in der Tadinger Kirche ein Tisch aus Eichenholz ist. Man kann ihn ganz wegtragen, um für Konzerte Platz schaffen. Und man kann ihn weiter nach vorne rücken, um bei Festgottesdiensten Orchester und Chor zwischen ihm und dem Hochaltar zu positionieren.

Normalerweise, sagt Stürzer, ist ein Tischaltar in einer Kirche aus Stein und fest und unverrückbar im Boden verankert. In solche Altäre ist meist auch eine Reliquie eingelassen. Ein Altar sei aber in jedem Fall "symbolisch aufgeladen". Der Altar repräsentiere nicht weniger als die Mitte der Kirche, er sei ihr Zentrum. "Deshalb habe ich ein Problem damit, wenn er bei jedem Konzert aus der Kirche gebracht wird." Absolut strikt will Stürzer das aber nicht sehen. Zwei Mal im Jahr für die wirklich großen Konzerte, die nur Konzerte und nicht Gottesdienste sind, dürfte man den Altar von ihm aus schon raustragen. So viel will Stürzer nun zugestehen.

In anderen Kirchen wird auch im Altarraum konzertiert. Wo es feste Tischaltäre gibt, gruppieren sich Musiker und Sänger respektvoll um den Altar. Und in Altenerding beispielsweise wird der dort wie in Tading mobile Altar für die Dauer eines großen Konzerts auch weggebracht.

Die Sache mit dem Altar ist der Knackpunkt gewesen, der Punkt, an dem sich Huber zur Kündigung entschloss - "um ein Zeichen zu setzen, ein Signal zu geben". Davor gab es aber freilich noch weitere Unstimmigkeiten. In Forstern war es bislang Gewohnheit, dass die Chöre, die bei Gottesdiensten singen, vorne stehen. Auch bei den musikalischen Messen bei Festgottesdiensten waren Orchester und Sänger vorne platziert. Huber sagt, das habe schon Stürzers Vorvorgänger so eingeführt, vor weit mehr als zwanzig Jahren. Stürzer hätte es aber lieber, die Musik käme - wie es in anderen Kirchen nicht unüblich ist - von hinten, von der Orgelempore. Und dann war da noch die Sache mit dem Weihrauch. Seit Stürzer da sei, gebe es viel zu viel Rauch, manche Sänger klagen, das sie kaum noch Luft kriegten. Und nebenbei, auch das wird klar, wenn man länger mit Huber und Stürzer über die Angelegenheit spricht: Die Zusammenarbeit, die Art und Weise, wie der eine mit dem anderen spricht, von ihm fordert oder ihn bittet, war wohl nicht so, wie Stürzer und Huber es gewohnt waren, wie sie es vom jeweils anderen erwartet und gehofft hatten.

Diözesanmusikdirektor Fischer sagt, er sitze "etwas zwischen den Stühlen". Er sei ja eigentlich immer auf der Seite der Musiker. Doch so ganz könne er das in diesem Fall nicht durchhalten. Den Altar hinauszutragen, dass die Musiker und Sänger bei der Messe vorne stehen, dass das ein neuer junger Pfarrer nicht für richtig hält, müsse ein Kirchenmusiker respektieren: "Kirchenmusik ist zwar ein wesentlicher Bestandteil des Gottesdienstes, hat aber schon auch dienenden Charakter." Musik bei der Messe sei eben kein Konzert. Die Haltung von Pfarrer Stürzer mag "retro" erscheinen, andere mögen vielleicht flexibler sein, sagt Fischer, "aber er hat auf keinen Fall Unrecht". Der entscheidende Punkt sei: Ein Kirchenmusiker könne nicht "auf Augenhöhe" mit einem Pfarrer diskutieren. Der Pfarrer sei immer der Chef, der Kantor, Organist oder Chorleiter immer nur sein Mitarbeiter. Und übrigens: "Gekündigt ist gekündigt", sagt Fischer, er sehe derzeit keinen Weg zurück für Huber.

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