Filme und Musik:Streifzug durch den Frühling

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Die Familienmusik Augenstein begleitete den Grafinger Filmemacher Robert Kristen und seine Geschichten rund ums Osterfest. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

In drei Filmen beschäftigt sich der Grafinger Robert Kristen mit Geschichten und Ritualen rund ums Osterfest

Von Franziska Langhammer, Grafing

Manche Accessoires kommen aus der Mode, finden aber nach Jahren wieder ihren Weg zurück in die Hitliste der Must-Haves und erleben ein Revival. Wer hätte etwa gedacht, dass übergroße Hornbrillen jemals wieder in sein würden, nachdem die kleine randlose Variante auf den Markt gekommen war? Auch wenn man sie nicht auf den ersten Blick mit Trendsettern und der Jagd nach dem letzten Schrei in Verbindung bringt: Kirchen folgen ebenfalls Moden. Allerdings können sich diese durchaus etwas langlebiger gestalten, aber genauso sang- und klanglos plötzlich von der Bildfläche verschwinden. So erging es etwa dem Fastentuch, einem überdimensionalen Tuch, mit dem seit dem frühen Mittelalter in den Kirchen während der Fastenzeit die Fenster und ganze Altare bedeckt wurden. Bis ins 18. Jahrhundert hielt sich dieser Brauch, dann verschwanden die Fastentücher in den Hinterzimmern und geheimen Kämmerchen der Gotteshäuser. Erst in den letzten Jahrzehnten wird das Fastentuch wieder neu entdeckt und ist zur Kunstform avanciert, weiß Robert Kristen zu berichten. Der Grafinger Filmemacher hat diesem religiösen Symbol einen großen Teil seines Werks "Fasten für die Augen" gewidmet, das er zusammen mit zwei anderen Filmen am Montagabend in der Stadtbücherei Grafing vor etwa 50 Gästen im Rahmen der Woche der Büchereien zeigte. Die Veranstaltungsreihe, die in Kooperation mit dem Katholischen Kreisbildungswerk Ebersberg stattfindet, hat sich das Thema "Jahreszeiten" zum Motto erkoren, und so ging es an diesem Abend vorwiegend um den Frühling.

Auf einer seiner zahlreichen Reisen sei er vor zwölf Jahren in Zittau gelandet, erzählte Kristen zur Einführung, wo er auf das Große Zittauer Fastentuch gestoßen sei. Dessen bewegte Geschichte scheint wie eine Parabel über die Mode des Fastentuchs: Es war 1472 von einem reichen Gewürzhändler gestiftet worden und schließlich in Vergessenheit geraten. Kurz nach dem Krieg, 1945, entdeckten russische Soldaten das reich bestickte Tuch, zerschnitten es kurzerhand und verwendeten es zur Abdichtung einer provisorisch errichteten Sauna. Heute gilt es als einer der größten Kulturschätze der sächsischen Stadt.

"Indem man die Kirchen in der Karwoche mit Tüchern verhüllt hat, wollte man den Gläubigen die Trauer um den Tod Christi vermitteln", so Kristen. Außerdem sollten die Menschen sich auf diese Weise darauf freuen, dass an Ostern "das Licht wieder angeht", wenn die Tücher abgenommen werden: "Da steckt viel Psychologie dahinter." In seinem etwa halbstündigen Film nimmt Robert Kristen sein Publikum mit auf eine Reise quer durch Europa, in verschiedene Kirchen und Kathedralen, er lotst seine Gäste sachlich-distanziert durch die Hysterie der spanischen Setmana Santa, bis er schließlich - wie sollte es anders sein - in Jerusalem landet, bei der Grabstätte Jesu. Dabei verknüpft Kristen detaillierte Sachkenntnis mit anschaulichen Beispielen aus der Kirchengeschichte. Streckenweise wirkt das Werk dadurch wie ein Lehrfilm, doch das vorwiegend ältere Publikum ist begeistert. Immer wieder hört man aus den Reihen der Gäste "Ah's" und "Oh's" oder ein belustigtes Schnauben. "Da haben Sie Großartiges geleistet", sagte eine Zuschauerin nach der Vorführung zu Kristen. Auf besonderes Wohlwollen stieß der Kurzfilm "Jahreszeiten", ein optisch-musikalischer Streifzug durch das Jahr, in dem sich Kristen vorwiegend Natur- und Landschaftsimpressionen widmet. Passend zu Antonio Vivaldi wechseln sich Heimatfilm-Ästhetik und Poesiebuch-Optik ab; man mag dies zuweilen etwas altbacken finden - dem Publikum gefiel es. Viel zustimmendes Geraune und Kichern ertönte beispielsweise, als die Ebersberger Kirche erkannt wurde, die sich hinter im Wind wippenden Wildblumen auftut.

Musikalisch untermalt wurde der Abend von der Familienmusik Augenstein, die mit Hackbrett, Tuba und Akkordeon eine behagliche Wohnzimmerstimmung herbei zauberten. "So geht der Frühling los", kündigte etwa Martin Augenstein das Gute-Laune-Stück "Frühling 2000" an, ein Volkslied, in dem er auch eigene Kompositionen verarbeitet hat.

Kristen erweist sich in seinen Werken als sinnenfroher Ästhet und akribischer Rechercheur, der immer zielführend vorgeht und auch mal eine Hintertür benutzt, um die richtigen Bilder zu bekommen. Schade nur, dass die beiden Hauptfilme sich vorwiegend mit Bräuchen und Ritualen rund um Ostern beschäftigen - zwei Wochen nach dem Fest, wo die Osterluft eigentlich schon raus ist. Doch zum Glück ist ja eines sicher: Das nächste Ostern kommt bestimmt.

© SZ vom 18.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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