FDP in Zorneding:Knallende Korken

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Peter Pernsteiner und der Wiedereinzug der Liberalen in den Bundestag werden im Zornedinger Neuwirt mit Applaus gefeiert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Aufatmen bei den Liberalen: Im Zornedinger Neuwirt feiert die FDP Erding-Ebersberg den Wiedereinzug ihrer Partei in den Bundestag - und spekuliert bereits auf eine Jamaika-Koalition

Von Franca Wittenbrink, Zorneding

"Meine Frau und ich haben es gemacht wie jedes Jahr", erzählt Klaus Willenberg, FDP-Ortsvorsitzender in Vaterstetten: "Jeder von uns hat auf ein Zettelchen seine persönliche Prognose geschrieben. Wenn es nach ihr geht, liegen wir bei 10,6 Prozent - ich setze auf ganze 11! Sehr optimistisch, ich weiß, aber wer weiß!"

Es ist Sonntagabend, kurz nach halb sechs, im Bauernstüberl beim Neuwirt in Zorneding hat sich die FDP zusammengefunden. Noch sind erst zwei der Tische besetzt, die Sektgläser unbefüllt, die Spannung groß. Robert Harrison, Beisitzer aus Zorneding, rückt eine Kamera zurecht, die das Treiben der Feier in den nächsten Stunden filmen soll. "Ein Live-Stream für unsere Facebook-Seite", erklärt er, "so können alle, die nicht dabei sind, zumindest online teilnehmen."

Es sind tatsächlich nicht alle gekommen: Direktkandidat Peter Pernsteiner ist in den Landratsämtern von Erding und Ebersberg unterwegs, Kreisvorsitzender Alexander Müller hilft beim Stimmenauszählen in der Gemeinde Baiern. "Die sind dann eben ein bisschen später da, aber wir stoßen jetzt trotzdem schon mal an", verkündet Harrison, mittlerweile im gelben FDP-Pullover, und öffnet die erste Flasche Sekt. Drei Minuten noch bis zur ersten Hochrechnung, die ARD-Live-Übertragung ist auf die Wand gebeamt. Und dann ist es so weit: 10,5 Prozent für die FDP, so die ersten Zahlen - es folgt großer Jubel im mittlerweile vollbesetzten Raum. Die Gläser klirren, es wird geklatscht und gelacht, die Erleichterung scheint groß zu sein. Geschafft: Nach dem Wahldebakel 2013 - für die bayerische FDP ja gleich in doppelter Hinsicht: erst im Land, dann im Bund - können die Liberalen endlich wieder aufatmen. Sie sind zurück im Bundestag.

"Der Wiedereinzug war auch unser größtes Ziel", bekräftigt Harrison, "aber dass die Zahlen gleich so gut werden - das ist nun wirklich ein Grund zum Feiern!" Von der Seite kommt Klaus Willenberg heran. Er sei "äußerst zufrieden", erklärt er, dann lacht er: "Aber meine Frau hatte natürlich mal wieder Recht. Auch das ist jedes Jahr das Gleiche."

Wie es nun weitergeht? "Das sieht stark nach Jamaika aus", vermutet Willenberg, "für uns eine durchaus realistische Option." Der Blick in die Runde bestätigt: Die anderen sehen es ähnlich. Direkt mit in der Regierung zu sitzen, das werde natürlich eine Mammutaufgabe, so Willenberg, "aber wir werden uns schon zusammenraufen!" Eines stehe allerdings fest: "Von Merkel lassen wir uns nicht wieder so über den Tisch ziehen wie vor acht Jahren. Das passiert nicht noch mal!" Eine weitere Sorge, die auch die Liberalen an dem Abend umtreibt: der Erfolg der AfD. "Das wird eine Herausforderung für die Demokratie", so Müller, "da müssen wir zusammenhalten."

In der Zwischenzeit hat Kreisvorsitzender Alexander Müller die Gaststube betreten, fröhlich wird er begrüßt. Dann stellt er sich in die Mitte des Raumes und hebt das Glas: "Danke für's Kämpfen, und auf die Verdopplung!"

Vor vier Jahren sei er genau hier gesessen, erzählt Müller, und hätte heulen können. "Hätte man mich noch vor einem Jahr gefragt - ich hätte schon bei sechs Prozent einen ausgegeben!" Dagegen sei das Ergebnis nun natürlich fantastisch. Sehr überrascht ist Müller allerdings nicht: "Ich habe mit einem guten Ergebnis gerechnet." Christian Lindner habe mit seiner Strategie bei den Wählern gepunktet, so Müller. "Aber auch hier im Wahlkreis haben wir viel gemacht. Gerade in den letzten Wochen waren wir mit vielen Infoständen vertreten - die Rückmeldungen waren durchweg positiv. Vor vier Jahren sah das ganz anders aus." Eigentlich, so Müller, müsse man jetzt schleunigst mit Pernsteiner anstoßen, der sei allerdings noch immer unterwegs. Über Telefon zugeschaltet lässt der Direktkandidat verkünden, er sei "überaus erleichtert". Dass es "mit den Erststimmen schwierig" werden würde, so Pernsteiner, sei ihm natürlich klar gewesen - "aber darauf kommt's ja auch nicht an." Nun freue er sich vor allem auf etwas ruhigere Zeiten, gesteht Pernsteiner, "das wird wirklich höchste Zeit!" Jetzt allerdings erst mal: Anstoßen!

Ein paar Straßen weiter macht sich derweil ein kleiner junge an einem zerfledderten AfD-Plakat zu schaffen. Geduldig zerreißt er das Papier in immer kleinere Stückchen und lässt die blauen Fetzen neben sich zu Boden fallen. "Ach, Kleiner", kommentiert die junge Mutter zerknirscht, "das hättest du wahrscheinlich gestern machen sollen. Jetzt ist es zu spät - die sitzen schon drin."

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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