Faschingskonzert:Konfettibunter Föhnsturm

Faschingskonzert: Teufel auch! Beim Faschingskonzert in der Vaterstettener Pfarrkirche zum Kostbaren Blut Christi treten die Interpreten in wilder Verkleidung auf.

Teufel auch! Beim Faschingskonzert in der Vaterstettener Pfarrkirche zum Kostbaren Blut Christi treten die Interpreten in wilder Verkleidung auf.

(Foto: Christian Endt)

In Vaterstetten zeigen inspirierte Künstler, wie man sich mit Musik anregend verkleiden kann

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

Welche Überraschung. Alle Zwerge und Zauberer, alle Cowgirls und Indianer, alle Hexen und Scheichs aus Vaterstetten - sie kamen zwar verkleidet zum Faschingskonzert in die katholische Pfarrkirche, hatten sich aber wundersamerweise alle für das Kostüm "Sonntäglicher Kirchgänger in graubraunschwarzbeigem Wintergewand" entschieden. Da fielen die paar Unmaskierten natürlich doppelt auf - ein Mister Spock, eine Piratesse oder ein Kinderkrokodil waren zu sehen.

Wie auch immer das Kostüm aussah: Ein Lächeln in allen Mienen förderte das eineinhalbstündige, konfettibunte Programm zutage, das sich Organistin Beatrice Menz-Hermann zum Gaudi-Sonntag hatte einfallen lassen. Klassiker tanzten da entspannt mit Romantikern, Tradition küsste die Moderne, kunstvolle Spielereien zwickten sich mit ehrwürdigen Kirchenliedern. Das passt selbst in einen nüchternen Kirchenbau wie "Zum kostbaren Blut Christi". Wie überhaupt das Prinzip der "Freude" im katholischen Kirchenalltag eigentlich großes Ansehen genießt. Schließlich hat der allmächtige Schöpfer auch den Humor geschaffen. Wovon herzerfrischende Stücke wie "Von deiner Güt, o Herr und Gott" aus Haydns "Schöpfung" oder das "Laudamus te" aus Mozarts c-Moll Messe klangreiches Zeugnis ablegen, beide Male im engelsgleichen Sopran von Talia Or, der Glanz und Gold durch den Klangraum flirren ließ.

Dass man nicht unbedingt etwas Äußeres zu verändern braucht, um sich zu verkleiden, sondern dass oft schon der fröhliche Ton der Welt ein anderes Gesicht gibt, führte Matthias Privler vor. Er ließ das Publikum im vollbesetzten Gotteshaus etwas hören, was den meisten wohl zum ersten Mal ans Ohr drang: Obertongesang. Nicht wenige wandten sich Richtung Empore, um mit eigenen Augen zu überprüfen, ob dies noch menschliche Klänge sind oder nicht doch vielleicht ein Instrument? Mal surrend wie ein Feuerwerkskörper in Clarkes "Prince of Denmark's March", mal verzaubernd wie ein Märchenkobold im "Lullaby" von Stuart Hinds gab der Solist ein mitreißendes Zeugnis hoher Stimmkunst - und einen Anstoß gegen die Schubladen, in denen unser Musikverständnis mitunter schonend verstaut ist.

Johann Schmuck tat es ihm auf Posaune und Alphorn gleich. Beide Instrumente entriss er mit seinem Spiel den tradierten Rollenbildern, ließ ihre Klänge wie Kracher in die Faschingsparty springen. Beim "Glowing in die Alps", einer eigenkomponierten Improvisation für Alphorn und Orgel, rüttelte er so massiv an den Wänden des Kirchenbaus, dass ein veritabler Föhnsturm durch das adrett gebürstete Haupthaar der Kirchgänger tobte. Mit "The Rock" auf der Posaune dann gab er eine kraftvoll-anschauliche Demonstration in Sachen "Trompeten von Jericho", voller Leidenschaft und Herz, aber auch von kunstvollem bläserischen Esprit getrieben. Den schönsten Akzent indes hatte er schon zu Beginn gesetzt und damit die Gemüter der Anwesenden spürbar gelockert, als er - nach lustvollem Geknatter durch die Gigue aus Händels Konzert in F-Dur - den Schlusspunkt mit einem unverzagten Posaunenfurz markierte.

Wie viel fröhlicher Geist dieses Konzert auch erfüllte, so viel philosophische Geschenke bot es den Gästen. Etwa dann, als Sopranistin Or als Teufelchen durch den Altarraum tänzelte, um das "Schwipslied" aus "Eine Nacht in Venedig" zu zelebrieren. Da ist man schnell bei Peter Ustinovs Gedanken über die wechselseitige Bedingung von Gott und Satan, wie er sie in "Der Alte Mann und Mr. Smith" skizziert hat. Oder wenn Mozarts "Thema mit Variationen" (KV 331) sich vom Sandmännchen emanzipiert und Musik zur universellen Sprache von Mensch und Natur macht - indem sie im Zusammenspiel von Orgel und Obertongesang in neue Dimensionen vordringt. Oder wenn das Duett aus der "Schöpfung" eine Interpretation erfährt, die es wie einen letzten Walzer der Erschöpfung am Ende einer rauschenden Ballnacht wahrnehmen lässt.

Der herzliche, lange Applaus war getragen vom Frohsinn, den jeder aus diesem Konzert hinausgetragen hat. Weil dieses Konzert die Herzen unter den unscheinbaren Kostümen feuerrot glühen ließ.

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