Evangelische Christen:Demokratisches Glaubensbekenntnis

Bei Wahl der Kirchenvorstände mobilisiert vereinfachte Briefwahl mehr Gemeindemitglieder als früher.

Nadia Pantel

- Die neuen evangelischen Kirchenvorstände sind gewählt. Die Wahlbeteiligung lag dabei knapp unter 19 Prozent. Im Vergleich zur letzten Wahl vor sechs Jahren ist die Wahlbeteiligung damit durchschnittlich um vier Prozentpunkte gestiegen. "Dass insgesamt nur so wenige Gemeindeglieder wählen, kann man unterschiedlich auslegen. Man kann das als Desinteresse werten oder als stille Zustimmung zur geleisteten Arbeit des Kirchenvorstands", sagt Pfarrer Axel Kajnath von der Gemeinde Grafing. Dennoch handele es sich um eine demokratische Wahl, da es in allen Gemeinden deutlich mehr Kandidaten als zu besetzende Posten gab.

Den Anstieg der Wahlbeteiligung führen Pfarrer Kajnath und auch die Rosenheimer Dekanin Hanna Wirth auf die Einführung der vereinfachten Briefwahl zurück. Dabei waren im Dekanat Rosenheim allen Wahlberechtigten unaufgefordert die Unterlagen für die Briefwahl zugeschickt worden. Statt 14 Prozent Wahlbeteiligung wie im Jahr 2006 gab es nun 19. Ein Erfolg, der jedoch durch eine Panne geschmälert wird: Gut 20 Prozent der eingesandten Briefwahlunterlagen waren in der Gemeinde Grafing ungültig, in Poing und Ebersberg immerhin ganze zehn Prozent. Viele Wähler hatten vergessen neben dem verschlossenen Wahlumschlag auch noch ihren Wahlausweis beizufügen. "Das war eben das erste Mal, dass wir die Briefwahl in solchem Umfang angeregt haben", sagt Kajnath, "da haben noch nicht alle realisiert, wie das richtig funktioniert". Doch auch nach Abzug der ungültigen Stimmen, seien immer noch deutlich mehr Stimmen zu zählen gewesen als bei der letzten Wahl, so Kajnath. Bei der nächsten Wahl werden Piktogramme durch die Briefwahl leiten, verspricht der Zornedinger Pfarrer Michael Simonsen.

Mit der Wahl ist die Zusammensetzung der neuen Kirchenvorstände nicht abgeschlossen. Die neu gewählten Vorstände haben in ihrer ersten Sitzung jeweils die Aufgabe, ihren Kreis um ein bis zwei Mitglieder zu erweitern. "Durch die nachträgliche Berufung können wir ausgleichend eingreifen, falls zum Beispiel nicht genug Frauen oder Jugendliche oder auch nur Kandidaten aus einer Region gewählt wurden", sagt Kajnath. Da der Kirchenvorstand die Gemeinden sowohl in weltlichen Fragen wie der Finanz- und Gebäudeverwaltung, als auch in Fragen des Glaubens vertritt, soll die Zusammensetzung des Vorstandes die Vielfalt der Gemeindemitglieder möglichst umfassend repräsentieren.

Gerade in der Gemeinde Grafing-Glonn trägt der neue Kirchenvorstand in der anbrechenden Amtszeit eine große Verantwortung. Die derzeit vakante Pfarrstelle in Glonn soll in eine zweite feste Pfarrstelle umgewandelt werden. "Das sind natürlich wunderbare Neuigkeiten", so Kajnath, der die letzten Jahre alleine die 3500 Mitglieder starke Gemeinde leiten musste. Für den Kirchenvorstand bringt der zweite Pfarrer in der Gemeinde auch viel Arbeit mit sich: In Glonn muss ein neues Pfarrhaus geschaffen werden und die gesamte Gemeindestruktur muss umgestellt werden. Doch dann, so Kajnath, werde endlich wieder eine kontinuierlichere und intensivere Gemeindearbeit möglich sein.

In der mitgliederstärksten Gemeinde des Landkreises, in Baldham-Vaterstetten, war der Wahlsonntag nicht nur als Tag der Gemeindepolitik, sondern als Festtag begangen worden. Pfarrer Stephan Optiz hatte nicht auf Briefwahl, sondern auf Aktivierung gesetzt. Ein Konzert Mulo Francels, von "Quadro Nuevo" und ein aufwendiges Kinderprogramm sollten die Gläubigen zur Urne locken. "Das war ein sehr, sehr lebendiger Gemeindetag", sagt Opitz, "der Gottesdienst am Sonntagmorgen war eine der schönsten Messen, die ich je feiern durfte." Während Mulo Francel für die musikalische Auflockerung sorgte, lieferte Opitz das Gedankenfutter. In seiner Predigte erzählte er die Geschichte der Schwestern Martha und Maria. Beide folgen Jesus. Martha erledigt, arbeitet, schafft. Maria hingegen hört einfach zu. "Oft werden die beiden Figuren gegeneinander ausgespielt und Maria als tiefsinniger und positiver bewertet", sagt Opitz. Doch im Kirchenvorstand brauche es eben beides: Fleiß und Disziplin, aber auch immer wieder die Zeit für Einkehr und Reflexion.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: