EU-Richtlinie:Landkreis der Stille

Einzig Kirchseeon muss laut EU-Richtlinie einen Aktionsplan gegen Lärm vorlegen, doch der hat kaum Chancen auf Umsetzung.

Carolin Fries

"Wir sind sehr wohl von Lärm betroffen", versichert Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD). Er selbst höre auf der Terrasse seines Reihenhauses sowohl morgens als auch abends Verkehrslärm. Doch die Lärmbelastung in Poing liegt im erträglichen Rahmen - findet die EU. Sie hat sich zum Ziel gemacht, den Umgebungslärm zu reduzieren und 2002 eine Richtlinie herausgegeben. Demnach sind im Landkreis lediglich 112 Bürger über Gebühr mit Verkehrslärm belastet - und die wohnen in Kirchseeon. Die Gemeinde ist darum zu einer Lärmaktionsplanung verpflichtet.

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Laut Europäischer Union ist der Umgebungslärm "eines der größten Umweltprobleme in Europa".

(Foto: dpa)

Laut Europäischer Union ist der Umgebungslärm "eines der größten Umweltprobleme in Europa". Um entsprechende Brennpunkte auszumachen, hat sie Lärmindizes festgelegt. In Bayern hat das Landesamt für Umwelt (LFU) anhand dieser Werte eine Liste möglicher betroffener Städte und Gemeinden erstellt, die an einer Haupteisenbahnstrecke, nahe an einem Großflughafen oder an einer Hauptverkehrsstraße mit einer durchschnittlichen Verkehrsstärke von mehr als 16400 Kraftfahrzeugen pro Tag liegen. In Oberbayern hat die Regierung anhand dieser Liste 35 Kommunen die Überprüfung einer Lärmaktionsplanung empfohlen, darunter Kirchseeon und Vaterstetten.

In Kirchseeon hat die Gemeinde daraufhin ein Gutachten anfertigen lassen, welches zu dem Ergebnis kommt, dass hier in 86 Wohnhäusern der Lärm tagsüber mehr als 70 Dezibel und nachts mehr als 60 Dezibel erreicht. Damit sind mehr als 50 Personen besonders stark betroffen, was die Gemeinde zu einer Lärmaktionsplanung verpflichtet. In der EU-Richtlinie steht, dass die Aktionspläne bis Sommer 2008 vorliegen müssen, tatsächlich hat bislang noch keine Kommune Pläne eingereicht, teilt Pressesprecherin Michaela Krem mit.

Aus Kirchseeon wird die Regierung nun aber bald Post bekommen: Der Gemeinderat hat vor wenigen Wochen ein Konzept zur Lärmreduzierung verabschiedet. Dieses wird die Regierung nun in Absprache mit zuständigen Behörden wie dem Straßenbauamt analysieren und dann genehmigen oder ablehnen. Kirchseeons Bürgermeister Udo Ockel (CSU) zeigte sich kritisch, was die Genehmigung einzelner Maßnahmen betrifft. "Nichts Neues, das war alles schon einmal auf dem Tisch", sagte er. Seine Zweifel an der Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen scheinen berechtigt, denn "öffentliche Mittel gibt es nicht", sagt auch Krem. Damit scheint klar, dass die Wunschliste aus Kirchseeon, auf der an erster Stelle eine millionenschwere Umgehungsstraße steht, wohl kaum Chancen auf eine Umsetzung hat.

In Vaterstetten hat man 2008 ein Lärmkataster in Auftrag gegeben. Das Ergebnis lautete: Jeder 15. Einwohner ist erheblich von Verkehrslärm betroffen. Ein Aktionsplan nach EU-Richtlinie war nicht erforderlich. "Ich lege Wert darauf, dass nur derzeit kein Aktionsplan notwendig ist", erläuterte Bürgermeister Robert Niedergesäß (CSU). Auf die Ergebnisse könne man sich nicht lange zurückziehen. Die EU-Richtlinie sieht vor, das bereits im Sommer 2012 und "danach alle fünf Jahre strategische Lärmkarten für sämtliche Ballungsräume sowie für sämtliche Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken" erarbeitet werden müssen. Die Aktionspläne sollen "mindestens alle fünf Jahre nach dem Zeitpunkt ihrer Genehmigung überprüft und erforderlichenfalls überarbeitet" werden.

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