Erziehermangel in den Kitas:Die Angst vor dem Dominoeffekt

Der Erziehermangel könnte neben dem Poinger Diakonieverein weitere Träger zur Aufgabe zwingen. Plötzliche Ausfälle und Bürokratie machen vor allem den Kleineren zu schaffen.

Von Carolin Fries

Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) im Landkreis benötigt vier Erzieherinnen, die gemeinnützige Kinderland Plus Gmbh drei, das Storchennest in Markt Schwaben eine. Sie alle suchen, doch keiner findet. Nun hat der erste Träger - der Diakonieverein Poing - aufgegeben. Er hatte es zuletzt nicht geschafft, ausreichend Fachpersonal für zwei Kitas vorzuhalten, weshalb an diesem Dienstag über die Abgabe der Trägerschaft beraten wird. "Das wird sicher nicht der letzte sein", sagt Christian Althoff, Sachgebietsleiter Kitas beim BRK. "Die Personalsuche ist sehr, sehr schwierig", klagt er.

Weshalb es das BRK dennoch schafft, den Kita-Betrieb aufrecht zu erhalten, liegt laut Althoff vor allem an der Größe des Trägers. Das BRK zählt mit 90 Mitarbeitern neben der Arbeiterwohlfahrt (Awo) und der Kinderland Plus GmbH zu den größten Kita-Trägern im Landkreis. "Wir haben einen Puffer eingebaut", sagt Althoff. Bricht jemand weg, etwa durch eine Schwangerschaft wie im Poinger Diakonieverein, wird immer noch der gesetzliche Anstellungsschlüssel eingehalten.

Auch die Arbeiterwohlfahrt mit etwa 200 Mitarbeitern im Kita-Bereich arbeitet "grundsätzlich so, dass Ausfälle kompensiert werden können", wie Kreisgeschäftsführerin Ulrike Bittner sagt. So würden sich die Häuser gegenseitig mit Personal aushelfen. Darüber hinaus leiste sich der Kreisverband Berufspraktikanten in den Einrichtungen, um so den Nachwuchs zu sichern. Vor allem aber wird der Betrieb wie in einem Dienstleistungsunternehmen gemanagt. Es gibt eine hauptamtliche Geschäftsstelle mit Abteilungsleitung. "Meine Hauptbeschäftigung sind seit 16 Jahren die Rahmenbedingungen", sagt Bittner. Ganz gleich, ob Anstellungsschlüssel oder Hygienevorschriften: Wer hier nicht untergehen wolle, braucht Know-How. Die gesamte Büroarbeit ehrenamtlich oder gar nebenbei zu machen, kann sich Bittner nicht vorstellen.

Wie zeitaufwendig und fachlich intensiv die Personal- und Finanzplanung ist, stellen immer mehr kleine Träger fest. Deshalb bietet die gemeinnützige Kinderland Plus GmbH in Poing kleineren Trägern an, für sie den "Bürokram" mitzuerledigen, wie Geschäftsführer Herbert Matzner das Administrative nennt. Die GmbH, die selbst aus einem kleinen Trägerverein gewachsen ist, betreibt inzwischen elf Einrichtungen. Darüber hinaus betreut sie zum Beispiel den Waldkindergarten in Erding, der sich der GmbH angeschlossen hat. Für Matzner ist das ein logischer Schritt: "Das fachliche Wissen ist das Gleiche - ob für zehn Mitarbeiter oder für hundert." Er kennt die Probleme kleiner Träger, "die meinen's ja gut", doch Unwissenheit schütze vor Strafe nicht.

Marianne Blöth hat sich dafür Rat geholt. Sie arbeitet in der Verwaltung des Markt Schwabener Storchennestes, einem kleinen Haus mit vier Krippengruppen, das sich in der Trägerschaft eines Vereins befindet. Seit 2011 läuft der Betrieb, manchmal fragt Blöth sich selbst, warum er so gut läuft: "Ist es Glück?" Dann begründet sie das Überleben als kleiner Fisch zwischen den großen Träger-Schwärmen doch mit einem "guten Ambiente", einem modernen Haus und einer "adäquate Bezahlung". Und der Bürokram? Da liefe viel EDV-unterstützt. So würde sie gewarnt, wenn sie Buchungsstunden im System erhöhen will, dafür aber kein Personal zur Verfügung steht: "Das blinkt dann rot."

Der kleine Fisch Diakonieverein liegt derweil auf dem Trockenen, doch die Großen wollen nicht noch größer werden. Für Christian Althoff vom BRK steht eine Übernahme nicht zur Diskussion, Ulrike Bittner sagt: "Wir sind inzwischen sehr zurückhaltend in der Übernahme von Kitas." In Markt Schwaben hat die Awo vor einigen Jahren zwei gemeindliche Einrichtungen übernommen. Denn auch die Städte und Kommunen sind nichts anderes als kleine Träger, die vom Erziehermangel und den bürokratischen Rahmenbedingungen betroffen sind. "Das Know-How ist in den Kommunen da", sagt Ulrike Bittner.

Wie wirtschaftlich der Betrieb ist, sei eine andere Sache. Bittner jedenfalls rechnet in der Zukunft mit noch mehr Kindertagesstätten, für die ein neuer Träger gesucht werden muss. "Die Finger leckt sich danach keiner", sagt sie ganz offen. Für Bittner stellt sich eine andere Frage: Wie verantwortlich fühlt man sich für die Kinder und Eltern dort?

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