Erding/Markt Schwaben:Einfach Leben retten

Berufsschüler informieren sich über Stammzellenspenden für Krebskranke

Von Veronika Wulf, Erding/Markt Schwaben

Kirsten Schwalke aus Markt Schwaben hat einen genetischen Zwilling: Eine 39-jährige Frau aus der Slowakei. Ihr hat die Übereinstimmung der Gewebemerkmale mit der Unbekannten aus Markt Schwaben das Leben gerettet. Wie das kam, hat Kirsten Schwalke vor den Schülern der Berufsschule Erding erzählt, die auch von jungen Leuten aus dem Landkreis Ebersberg besucht wird. Anlass des emotionalen Berichts war ein Scheck in Höhe von 2135 Euro, den Lehrer Oliver Wohl an Vanessa Kruse von der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) überreichen konnte. Das Geld hatten die Berufsschüler bei verschiedenen Weihnachtsaktionen gesammelt. Um diese auch davon zu überzeugen, sich für die DKMS typisieren zu lassen, dafür war Kirsten Schwalke in die Schule gekommen. Schwalke berichtete von ihrer Stammzellenentnahme, die im Vergleich zur Wirkung unspektakulär gewesen sei: Nachdem sie sich fünf Tage lang spritzen musste, damit sie mehr rote Blutkörperchen bekommt, entnahm ein Arzt ihrem rechten Arm Blut, aus dem die Stammzellen herausgefischt wurden, bevor es über den linken Arm in den Körper zurückgeführt wurde. "Das dauerte vier bis fünf Stunden, aber ich konnte dabei Filme schauen und essen", sagt die 32-Jährige. Vor der Spende war sie bereits seit elf Jahren in der Kartei, in die sie sich auch hat aufnehmen lassen, weil eine Jugenderinnerung nach wie vor schmerzt: "Meine Schulfreundin ist mit zehn Jahren an Blutkrebs gestorben."

"Jeder von euch ist in der Lage, Leben zu retten", sagte Vanessa Kruse. "Das Mittel dazu ist in euren Knochen und in eurem Blut: Stammzellen." Wenn man an Blutkrebs erkrankt, produziert der Körper übermäßig viele mutierte weiße Blutkörperchen. Bei den meisten Patienten reicht laut Kruse eine Chemotherapie. Bei anderen kommt der Krebs zurück. Diese Patienten kann eine Stammzellspende retten, allerdings brauchen sie dazu ihren genetischen Zwilling. Ein Drittel der Patienten findet ihn in der Familie, alle anderen suchen einen Fremdspender. Ihnen will die DKMS helfen.

Sechs Millionen typisierte Spender hat sie deutschlandweit in ihrer Kartei, weltweit sind es 28 Millionen. Klingt nach genug, doch jeder siebte Patient findet keinen Spender, weil manchmal nur die Stammzellen von einem Menschen aus mehreren Millionen zu ihm passten. "Deshalb brauchen wir jeden Einzelnen", sagte Kruse. Zwei Jahre nach der Entnahme können Spender Kontakt mit ihrem genetischen Zwilling aufnehmen. Kirsten Schwalke hat bislang darauf verzichtet. "Das war mir bisher zu emotional", sagte sie.

Kruse von der DKMS erklärte, dass es häufig vorkomme, dass sich Spender und Patient miteinander verbunden fühlten, "ja, irgendwie verwandt". Nicole Blaschke, 17, aus einer der elften Klassen, haben die zwei Frauen mit ihren Vorträgen überzeugt. "Sonst kann man nie so einfach Menschen helfen", sagte sie und ließ sich im Anschluss registrieren. Wie auch Melisa Efe, 18, angehende Friseurin aus der 12 a. Die Tochter einer Bekannten sei im Alter von zwei Jahren an Blutkrebs erkrankt. "Sie hatte so eine harte Zeit", sagte Efe.

In die Kartei aufnehmen lassen kann sich jeder zwischen 17 und 55 Jahren, der mehr als 50 Kilogramm wiegt und dessen Body-Mass-Index unter 40 liegt. Außerdem dürfen keine schweren Krankheiten in der Familie vorliegen, schwangere Frauen sind ebenso ausgeschlossen. Sollte man als genetischer Zwilling infrage kommen, entnimmt ein Arzt nach einer Voruntersuchung die Stammzellen. Der Spender kann wählen zwischen der sogenannten peripheren Entnahme, wie sie bei Schwalke vorgenommen wurde, und einer Operation unter Vollnarkose, bei der die Zellen direkt dem Knochenmark aus dem Beckenbereich entnommen werden. Jede Registrierung kostet die DKMS nach eigenen Angaben 40 Euro. Die Organisation finanziert sich rein über Spenden. "Deshalb freuen wir uns sehr über die Spende der Schüler", sagte Kruse, die am Mittwoch und Donnerstag zu Gast in der Erdinger Berufsschule war. Dabei kamen noch mal 367 Euro Spenden zusammen. Außerdem haben sich 234 Schüler direkt für die DKMS registrieren lassen. "Das freut uns sehr", sagte Kruse, die den Erfolg gar nicht erwartet hatte. In den Schulen gehe es vor allem darum, zu informieren.

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