Energie aus der Erde:Viel heiße Luft

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Für das Geothermieprojekt von Grasbrunn, Vaterstetten und Zorneding sind viele Fragen weiterhin offen. Die SZ erklärt die wichtigsten Unklarheiten

Lars Brunckhorst

Nach sieben Jahren Vorlauf kommt das mittlerweile 18. Geothermie-Projekt im Großraum München in die heiße Phase: In der Grünwalder Unternehmensgruppe Exorka/Geysir/Daldrup haben Grasbrunn, Vaterstetten und Zorneding endlich einen möglichen Investor an der Hand. Seit dieser Woche haben die Bürgermeister der drei Nachbargemeinden einen offiziellen Verhandlungsauftrag ihrer Gemeinderäte. Auch die voraussichtliche Investitionssumme (67,5 Millionen Euro) und die Beteiligung der Gemeinden (fünf Millionen) ist bekannt. Dennoch bleiben für die Menschen in den drei Orten viele Fragen offen, insbesondere für jene, die eine Modernisierung ihrer alten Heizungsanlage hinausschieben, weil sie mit einem Umstieg auf die umweltfreundliche Tiefenwärme liebäugeln.

Wer wird wann ans Erdwärmenetz angeschlossen?

Auch wenn die Investorengruppe bereits im nächsten Jahr mit der Probebohrung beginnen möchte und 2015 die ersten Haushalte mit Erdwärme beliefert - so hat es Geysir-Geschäftsführer Curd Bems diese Woche in Neukeferloh angekündigt - wann welche Häuser und Wohnungen ans Netz gehen, kann heute niemand vorhersagen. Zunächst einmal müssen die Verhandlungen zwischen den Gemeinden und der Investorengruppe zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden. Dann muss ein Bohrturm aufgestellt werden, der bis in eine Tiefe von mehr als dreitausend Meter gräbt. So weit unter der Erdoberfläche, im sogenannten Malm, vermuten Geologen das etwa hundert Grad heiße Thermalwasser. Bei den Bohrungen sind Pannen und Rückschläge nicht ausgeschlossen. In Poing etwa, wo der Energiekonzern Eon nach der wertvollen Tiefenwärme schürfte, verzögerte sich die Förderung um Monate, weil die Bohrung mehrmals feststeckte.

Sollte das Tiefbohrunternehmen in der Gesteinsschicht fündig werden, Wassertemperatur und Schüttung ausreichen, müssten eine Pumpenanlage und ein Kraftwerk gebaut werden, in welchem dem Tiefenwasser über Wärmetauscher die Temperatur entzogen wird, sowie eine Reinjektionsbohrung, um das abgekühlte Wasser zurückzuführen. Und natürlich müsste ein Fernwärmenetz aufgebaut werden.

Welche Gemeindeteile werden zuerst angeschlossen?

Dazu wollen die Projektpartner derzeit keine Angaben machen. Nicht ausgeschlossen ist etwa, dass eine Gemeinde - trotz finanzieller Beteiligung an der Bohrung - zunächst nicht in den Genuss in der neuen Energie kommt. Ebenso ist wahrscheinlich, dass manche, vor allem abseits gelegene Ortsteile wie Harthausen nie ans Netz angeschlossen werden. Die Reihenfolge des Netzausbaus hängt vor allem vom Standort des Bohrturms ab. Bisher sind drei Standorte im Gespräch: an der Autobahnraststätte Vaterstetten-Ost, südlich der B 304 bei Neukeferloh und in der Nähe von Möschenfeld. Klar ist nur: Das Netz soll in sechs Bauabschnitten errichtet werden, wobei die Investoren pro Abschnitt einen Anschlussgrad von 30 Prozent anstreben, damit der Betrieb wirtschaftlich ist.

Gibt es einen Anschlusszwang?

Die Antwort darauf ist eindeutig: nein. Jedem Hauseigentümer ist freigestellt, ob er auf die umweltfreundliche Tiefenwärme umstellt oder seine Öl- oder Gasheizung behält. Dass im Raum Grasbrunn, Vaterstetten, Zorneding, wo viele Häuser in den siebziger Jahren entstanden sind und viele Heizungsanlagen dringend saniert werden müssen, genügend Haushalte angeschlossen werden wollen, daran haben allerdings sowohl die Investoren als auch die Bürgermeister der drei Gemeinden keinen Zweifel. So weiß Vaterstettens Bürgermeister Robert Niedergesäß davon zu berichten, dass ein örtliches Seniorenwohnheim allein an einem kalten Wintertag 2000 Liter Heizöl zum Kamin hinausheizt.

Reicht die Energie aus der Erde?

Die Geothermie soll nach Berechnungen von Experten in einem ersten Teilausbau 66 Gigawattstunden Wärme liefern - das reicht für etwa 900 Objekte. Im Endausbau soll die Energie nach Schätzungen von Geysir für etwa 2000 bis 3000 Vier-Personen-Haushalte ausreichen. Von den rund 40 000 Einwohnern des Einzugsgebiets wird also nur etwa ein Viertel in den Genuss der Tiefenwärme kommen. In den Anfangsjahren des Netzausbaus könnte die Geothermie womöglich sogar die Spitzenlast abfangen. Zur Sicherheit würde aber zusätzlich ein konventionelles Kraftwerk errichtet, betrieben mit Öl, Gas oder Biomasse. Dieses wird ohnehin für später benötigt, wenn das Netz größer wird, um bei Spitzenzeiten im Winter zuzuheizen.

Ganz ohne konventionelle Energie kommt also auch die umweltfreundliche Erdwärme nicht aus, allein schon weil für die Förderpumpen viel Strom benötigt wird. Aus Erfahrung weiß man, dass das Verhältnis Stromverbrauch zu Wärmegewinnung bei etwa 1:15 liegt. Will man den Strom nicht von den großen Energieversorgungsunternehmen beziehen, könnte auch ein eigenes Kraftwerk errichtet werden, das sogar mit Biomasse betrieben wird. Auf diese Weise könnte die Geothermieanlage mit grünem Strom versorgt werden. Aus Kostengründen wollen die Investoren jedoch konventionellen Strom aus dem Netz beziehen. Möglich ist aber auch der Bezug von Ökostrom, was den Wärmepreis jedoch erhöhen würde.

Was wird die Geothermie den Kunden kosten?

Über Anschluss- und Betriebskosten machen die Investoren bisher keine genauen Angaben. Wer etwa exakte Kilowattstundenpreise erwartet, muss sich noch eine Weile gedulden. Sicher ist nur: "Für Geothermie gibt es keine allgemeine Preisformel", wie Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Geothermie Unterhaching GmbH & Co. KG sagt, dem ersten Geothermieunternehmen in der Region. Der Verbraucherpreis setzt sich aus einem komplizierten Mix von Strompreis-, Investitionsgüter-, Lohnkosten- und Gasindex zusammen. In der Gemeinde Unterhaching haben zum Beispiel Bewohner eines Einfamilienhauses momentan jährliche Heizkosten von knapp 2200 Euro, für ein Reihenhaus fallen Kosten von 1700 Euro an. In den vergangenen Jahren sind die Preise durchschnittlich um 2,5 Prozent jährlich gestiegen.

Hinzu kommen für die Kunden die einmaligen Anschlusskosten. Sie liegen in Unterhaching bei knapp 1600 Euro. Zum künftigen Preis in Grasbrunn, Vaterstetten und Zorneding gibt es von Geysir-Geschäftsführer Curd Bems derzeit nur diese Auskunft: Es werde sich um einen "fairen, marktgerechten Preis" handeln. Schließlich habe man ein ureigenes Interesse daran, dass sich möglichst viele Haushalte anschließen.

© SZ vom 28.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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