AfD-Quote in Emmering:Warum wir?

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In Emmering schneidet die AfD landkreisweit am besten ab. Der Bürgermeister sagt: "Eigentlich sind wir doch ganz normale Leut". Eine Spurensuche im Ort.

Report von Korbinian Eisenberger, Emmering

Max Maier schaut fast so traurig wie die Holzengerl neben dem Jesus an der Wand. Der Bürgermeister der Gemeinde Emmering sitzt in seiner Stube, im Hergottswinkel hängt ein geschnitztes Kreuz, auf dem Tisch liegen die Zahlen. Da steht es, schwarz auf weiß. Maier, der Bürgermeister, hat selbst mit ausgezählt am Sonntagabend: 16,19 Prozent steht da in der Spalte für die AfD, einer von sechs Wählern aus Emmering hat mit der Zweitstimme die Rechtspopulisten gewählt. Nirgendwo anders im Landkreis Ebersberg ist die Quote der AfD so hoch. Maier faltet die Hände, er zittert leicht beim Sprechen. "Das hat mich ganz schön getroffen", sagt er.

Warum wir? Das fragen sich an diesem Montag viele Wähler, etwa in Niederbayern, wo die AfD besonders stark war, oder eben im oberbayerischen Emmering, wo CSU wählen stets dazu gehörte wie das Amen in der Kirche und der Schweinsbraten beim Wirt. Vielen Emmeringern dürfte das nach wie vor so gehen, 47 Prozent sind der CSU hier immerhin noch geblieben. Vor vier Jahren waren es aber noch 62 Prozent, und nur knapp sechs Prozent wählten die AfD. Irgendwas muss seither passiert sein. Aber was?

Es ist Mittag, die Sonne taucht die Wiesen um den Ort in ein warmes Licht, Dorfbewohner sägen Brennholz für den Winter. Kein Hinweis, dass man hier mitten im Grün einen braunen Sumpf finden könnte, bis auf die blauen Plakate mit den großen Buchstaben. Weiter runter an der Hauptstraße steht Pankraz Schneeberger, 65, in der Hand eine Säge, er schneidet Äste zusammen und versucht Antworten zu finden. "Die Flüchtlingspolitik halt", sagt er. Pankraz ist Rentner, er hat CSU gewählt, sagt er, "wie immer". Aber warum war die AfD hier so stark? "Das wundert mich auch grade", sagt Schneeberger. "Bei uns fallen die gar nicht auf, da führt sich keiner auf, manchmal grüßen sie sogar", sagt er.

Man muss lange fragen, bis man einen AfD-Wähler findet

Emmering hat die höchste Flüchtlings-Quote im Landkreis Ebersberg, das ist bekannt, auf 1500 Einwohner kommen 50 Asylbewerber, "aber wir haben damit überhaupt keine Probleme", sagt Bürgermeister Maier. Er stemmt die tellergroßen Hände auf den Tisch, legt die Stirn in Falten. 159 Emmeringer Stimmen für die AfD. "Ich kann es mir auch nicht erklären", sagt er.

Man muss lange fragen, bis man einen AfD-Wähler findet, aber dann spricht doch einer. Werner Albrecht bringt gerade seine Kinder zum Musikunterricht, ein Mann Anfang 40, Auto, Job, Familie, seinen echten Namen will er nicht in der Zeitung lesen. "Man kann das in vielen Kreisen nicht laut sagen", sagt er, in der Schule oder beim Kramer. "Ich finde das schade, weil unsere Politik einen Denkzettel verdient hat", erklärt er. Stolz auf Weltkriege? Das gehe ihm zu weit, sagt er. Lieber Grenzen dicht machen, Versprechen der CSU einlösen, so steht es auf den Plakaten am Ortsrand.

Man hat schon drastischere Worte von AfD-Wählern gehört, im Kern geht es aber um das Gleiche. Es geht gegen Menschen wie Mohamed Ali Galler aus Mali, auch er gehört seit zwei Jahren zu Emmering, oder eben nicht. Der 22-Jährige steht am Balkon des Männerwohnheims an der Hauptstraße, er teilt sich sein Zimmer mit zwei Mitbewohnern. "Die anderen sind alle bei der Arbeit oder in der Schule", sagt Galler. "Ich bin der einzige ohne Pass und Arbeit." Über die Emmeringer könne er nichts Schlechtes sagen, "die Helfer sind sehr engagiert", sagt er. Offenen Rassismus habe er im Ort nicht erlebt, sagt er. "Mein Problem ist, dass ich nicht arbeiten darf."

Glauben sie in Emmering, dass die Dinge mit der AfD im Bundestag besser laufen? Das fragt sich auch Johann Gambos. Dem 55-Jährigen gehört das örtliche Trachtengeschäft, wenn die Afrikaner aus dem Wohnheim kommen, näht er ihnen Knöpfe zum Nulltarif an die Lederhose. "Es gibt hier schon Leute, wo man Fremdenfeindlichkeit raushört", sagt er. "An dem Punkt wechsle ich aber gleich das Thema".

Manchmal braucht es einen Wechsel, besonders in der Politik. Max Maier weiß das recht genau, der Ex-CSUler, der nach einem Streit die Wählergruppe "Bürger für Emmering" gründete. Die vielen Zweitstimmen der AfD, sagt er, die hätte es aber nicht gebraucht. Weil eigentlich, sagt er, "sind wir Emmeringer doch ganz normale Leut'".

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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