Eine Spurensuche in der Region:Arbeitslos durch den Tag

Der Flüchtlings-Hungerstreik vor dem Landratsamt wirft die Frage auf, ob die Ebersberger Behörde besonders streng ist, wenn es um die Beschäftigung von Asylbewerbern geht

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Am Ende waren es noch zwölf Männer unter der Plane, vor zehn Tagen lagen sie noch vor dem Ebersberger Landratsamt: Zwölf Asylbewerber aus Pakistan, die dort fünf Tage ausharrten, Essen und Trinken verweigerten und am Ende kaum mehr stehen konnten. Ihren Hungerstreik lösten sie erst auf, nachdem sich um die 60 Ebersberger solidarisch mit ihnen und ihren Forderungen gezeigt hatten. Die Streik-Aktion war gefährlich, die Methode sicherlich fragwürdig. Geändert hat sich dadurch nichts, und doch wurde durch die Aktion ein Thema in den Fokus gerückt, das viele andere Menschen auch betrifft: dass Tausende Flüchtlinge während ihres laufenden Asylverfahrens in Deutschland zum Nichtstun verdammt sind.

Offen blieb bei all dem die Frage, welchen Asylstatus die Männer derzeit haben. Das Landratsamt hat diese Frage nun auf SZ-Bitte beantwortet. Demnach wohnen elf der zwölf Männer im Landkreis Ebersberg. Zwei von ihnen warten auf die Bearbeitung ihres Asylantrags, bei den anderen neun wurde dieser bereits abgelehnt. Fünf von ihnen haben Klage beim bayerischen Verwaltungsgericht eingereicht, vier sind laut Landratsamt "vollziehbar ausreisepflichtig".

Unter den elf Flüchtlingen sind demnach genau jene beiden Fälle vertreten, denen in Bayern in aller Regel keine Arbeitserlaubnis erteilt wird. Erstens: wenn man sich im laufenden Asylverfahren befindet, oder zweitens: in der Zeit, wenn jemand nach der Ablehnung seines Asylantrags gegen den Bescheid klagt - ein wichtiger Unterschied. Klar ist: Wer klagt, hat in dieser Zeit keine Chance, eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten. Wer sich aber noch im Asylverfahren befindet, kann theoretisch eine Arbeitserlaubnis bekommen. Dem Asylgesetz nach entscheidet hier stets die zuständige Ausländerbehörde "dem Ermessen nach" in jedem Einzelfall separat, ob eine Arbeitserlaubnis erteilt werden kann oder nicht (siehe Infokasten).

Wie sonst auch in Bayern hat die zuständige Ausländerbehörde für Ebersberg ihren Sitz im Landratsamt. Auf der Kundgebung vor zehn Tagen wurden Vermutungen laut, dass dort besonders wenige Genehmigungen erteilt würden - ohne dies belegen zu können. Wie streng ist die Ebersberger Behörde wirklich? Entscheidend dabei ist die Frage, wie viele Asylbewerber eine Arbeitserlaubnis haben und wie viele abgelehnt wurden. Auf Nachfrage teilt das Landratsamt mit, dass sich im Landkreis derzeit 640 Flüchtlinge in einem laufenden Asylverfahren befinden - die meisten davon aus Afghanistan (150), Nigeria (135) und Pakistan (130). Wer von ihnen arbeiten darf und wer nicht, darauf gibt es vom Landratsamt keine Antwort. "Das wäre sehr zeitaufwendig und von wenig Nutzen, da sich laufend Änderungen ergeben", teilt eine Sprecherin mit.

Wie viele Flüchtlinge im Landkreis also gerne arbeiten würden, aber nicht dürfen, lässt sich so nicht herausfinden - anders als in manch anderem Landkreis in der Region. In Fürstenfeldbruck wird etwa seit Januar eine entsprechende Statistik geführt. Danach wurden dort seither 77 Anträge gestellt, wovon 22 angenommen und 55 abgelehnt wurden. "Geschätzt fast die Hälfte der Ablehnungen beziehen sich auf Antragsteller, die bereits einen ablehnenden Asyl-Bescheid erhalten haben", teilt die Fürstenfeldbrucker Behörde mit.

Noch mehr Details sind aus dem Landkreis München zu erfahren, dort sind alle Asylbewerber mit einer Arbeitsgenehmigung nach Herkunftsländern aufgelistet. Von insgesamt 2292 Asylbewerbern in einem laufenden Verfahren haben dort 600 eine Arbeitserlaubnis bekommen. Interessant daran: Von den 230 Pakistanern darf jeder zweite arbeiten. Etwas strenger erscheint die Freisinger Behörde, auch dort gibt es eine detaillierte Auflistung, von 194 Pakistanern haben nur 36 eine Arbeitserlaubnis, von den insgesamt 1415 Asylbewerbern darf nur jeder neunte arbeiten.

Haben Pakistaner in Freising und Ebersberg also schlicht Pech mit der Behörde?

Wahrscheinlich wäre diese Erklärung zu einfach, denn auch in vielen anderen Landratsämtern gibt es auf Nachfrage keine Hinweise, welcher Anteil der dort wohnenden Asylbewerber eine Arbeitserlaubnis haben könnte. Die Landratsämter in Dachau, Erding, Starnberg und Bad Tölz-Wolfratshausen teilen wie die Ebersberger mit, dass keine solche Statistik vorliege.

Allerdings, so scheint es, gehen die Landratsämter ähnlich vor. "Bei der Entscheidung über die Beschäftigungserlaubnis wird jeder Fall für sich betrachtet", teilt das Landratsamt Ebersberg mit. "Innerhalb der geltenden Gesetze und Weisungen wird sorgfältig abgewogen", ergänzt die Freisinger Behörde. Ob es Absprachen gibt? Aus Dachau ist zu erfahren, "dass sich andere Ausländerbehörden bei uns erkundigt haben, wie wir mit der Erteilung (...) umgehen". Starnberg "steht anlassbezogen in Kontakt mit den benachbarten Ausländerbehörden". Ähnliches ist aus Bad Tölz- Wolfratshausen zu vernehmen.

Und in Ebersberg? In der Eigenwahrnehmung des Landratsamtes gehört die dortige Ausländerbehörde "bei der Entscheidung über die Beschäftigungserlaubnis eben nicht zu den strengen Ausländerbehörden", heißt es von dort. Wiederlegbar ist das nicht, ohne Zahlen lässt sich eine Selbstwahrnehmung aber auch nicht überprüfen. Wie es den zwölf Männern vom Streik jetzt geht? "Den Versammlungsort", heißt es vom Landratsamt, den "konnten alle aus eigener Kraft verlassen."

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