Einbruch auch im Landkreis:Es ist aus

Die FDP fliegt aus dem Landtag - damit endet auch die politische Karriere der Baldhamer Bildungsexpertin Renate Will

Von Luisa Seeling

Um kurz nach 18 Uhr, die vernichtende Prognose von drei Prozent ist gerade im Fraktionssaal der FDP verkündet worden, geht Renate Will durch einen Flur im Maximilianeum, schüttelt Hände, verteilt Trostküsschen, umarmt einen studentischen Mitarbeiter. Sie wirkt gefasst, tröstet, anstatt sich trösten zu lassen. Da kommt eine Frau auf sie zu und zieht sie an sich. "Jetzt muss ich Sie aber mal in den Arm nehmen, Frau Will!" Es ist nicht die letzte Sympathiebekundung, die der 66-Jährigen an diesem Abend entgegengebracht wird. "Das ist doch auch ganz schön jetzt", sagt sie später über ihr "Standing im Landtag", wie sie es nennt. Und doch: Es ist eine bittere Niederlage, die ihre Partei eingefahren hat, entsprechend verhalten ist die Stimmung im Hofbräukeller am Wiener Platz, wo die Liberalen ihre Wunden lecken. Richtig voll ist es nicht geworden, auf dem dunklen Holzboden stehen sie herum und schauen auf die großen Bildschirme mit ihren Wahlanalysen.

Renate Will muss ihren Abgeordnetensitz räumen, der Landkreis verliert seine vor allem in der Bildungspolitik profilierte Vertreterin im Landtag. "Ich kann es mir diesmal nicht erklären", sagt Will, die sich bis zum Schluss optimistisch gegeben hatte. "Tagsüber habe ich noch Prognosen von fünf bis sechs Prozent gehört, ich dachte, wir sind drinnen." Sie schließt sich der Erklärung von Martin Zeil und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an, die zuvor im Fraktionssaal von einer schmerzlichen Niederlage sprachen und erklärten: Die FDP habe hervorragende Arbeit geleistet in der Regierungskoalition, doch sie habe es nicht geschafft, diesen Erfolg in Form von Wählerstimmen einzufahren. "Gerade im Bildungsbereich musste ich viel anschieben, aber wenn es vorwärts ging, hat die CSU das als ihren Verdienst dargestellt", sagt Will. Dass die Christsozialen nun eine absolute Mehrheit im Landtag haben, sieht sie als ein "Zurückfallen in alte Strukturen". Da sei die FDP ein wichtiges Korrektiv gewesen. "Legislative und Exekutive hängen zu eng zusammen, da gibt es Filz. Eigentlich mache ich mir jetzt mehr Sorgen um Bayern als um mich."

Renate Will hätte gerne an ihren Herzensprojekten weitergearbeitet, der frühkindlichen Bildung und der Chancengerechtigkeit. Doch für sie sei es jetzt aus, zur nächsten Landtagswahl wird sie nicht mehr antreten. "Ich werde jetzt programmatisch in der Partei arbeiten", kündigt sie an, aber auch, dass sie sich im Landkreis schrittweise zurücknehmen will. "Ich werde da sein, aber ich werde daran arbeiten, dass jüngere Gesichter aufgebaut werden. Im Vorstand muss ein Wechsel stattfinden." Sie hofft, dass es ihrer Partei in der außerparlamentarischen Opposition gelingt, ihr Profil wieder zu schärfen. "Aus der Opposition heraus kann man mehr zuspitzen, als man es als kleiner Koalitionspartner tun kann."

Tut sie weh, die Wahlniederlage? "Mir persönlich nicht so, aber für die Menschen in Ebersberg tut es mir weh, die mir ihre Stimme gegeben haben." Das taten unter fünf Prozent, deutlich weniger als bei der vergangenen Wahl. Bevor sie in den Hofbräukeller geht, muss sie noch ein Interview geben. "Al Jazeera", sagt sie und lacht. "Ich weiß gar nicht, was ich denen erzählen soll."

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