Ehrenamtliches Engagement:Beständig das Tabu brechen

Ehrenamtliches Engagement: Doris Priesmeier-Feiner, Bernhard Hoiß, Hans Leonard Schneider und Maria Sommer blicken auf 20 Jahre Hospizverein im Landkreis zurück. In dieser Zeit konnten die Ehrenamtlichen viel erreichen: Es gibt eine Palliativstation in der Kreisklinik und häusliche Sterbegegleiter.

Doris Priesmeier-Feiner, Bernhard Hoiß, Hans Leonard Schneider und Maria Sommer blicken auf 20 Jahre Hospizverein im Landkreis zurück. In dieser Zeit konnten die Ehrenamtlichen viel erreichen: Es gibt eine Palliativstation in der Kreisklinik und häusliche Sterbegegleiter.

(Foto: Christian Endt)

Seit 20 Jahren setzt sich der Christophorus-Hospizverein für einen offenen Umgang mit dem Sterben ein und begleitet totkranke Menschen auf ihrem letzten Lebensweg

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Die Besenkammer ist ein Ort, an den man für gewöhnlich Lästiges und Unschönes hinein verbannt: Staubsauger, Wäscheständer und -körbe, Putzeimer mitsamt Putzmitteln, und den Besen natürlich. Vor einigen Jahrzehnten noch hätte man am liebsten auch unheilbar kranke Menschen während ihrer letzten Wochen oder Monate vor dem Tode - metaphorisch gesprochen - am liebsten in eine Besenkammer verbannt, so tabu war das Thema Sterben. "Der Punkt, ab dem es früher hieß 'da kann man nichts mehr machen', da kann man heute noch sehr viel machen", sagt Hans Leonard Schneider, der Vorsitzende des Christophorus Hospizvereins in Ebersberg. Seit 20 Jahren setzt sich der Verein im Landkreis dafür ein, dass nicht mehr die sterbenden Menschen abgeschoben werden, sondern der einst würdelose Umgang mit ihnen, bei dem sie so behandelt wurden, als wären sie längst tot.

Es war 1996, als sich eine ökumenische Woche für das Leben unter dem Titel "Tod - Sterben - Trauer" als Ideenstifter für die Vereinsgründung herausstellen sollte: Durch die Veranstaltungsreihe war die Motivation geboren, die Themen "Tod und Sterben aus dem Tabubereich herauszuheben", erinnert sich Maria Sommer, eines der Gründungsmitglieder und stellvertretende Vorsitzende des Hospizvereins. Um dieses Ziel zu erreichen, riefen Sommer und ihre Kolleginnen und Kollegen nach einigen vorbereitenden Maßnahmen ein Jahr später den Hospizverein ins Leben. 47 Menschen haben sich noch am Abend der Gründungsversammlung unter dem damaligen Vorsitzenden Oskar Bergauer angemeldet. Mittlerweile liegt der Vereinsvorsitz in den Händen von Hans Leonard Schneider und die Mitgliederzahl ist auf zirka 280 angewachsen.

Ein Hospiz gibt es im Landkreis Ebersberg nicht. Die nächstgelegenen sind in München. Es gibt allerdings eine Palliativstation in der Kreisklinik, die maßgeblich durch die Initiative von Schneider entstanden ist, der früher Chefarzt der Kreisklinik war. Im Gegensatz zu einem Hospiz ist die Palliativstation aber eine klinische Einrichtung mit dem Ziel, Beschwerden zu lindern, die man nicht mehr heilen kann. Im Regelfall befinden sich die Patienten bis zu zehn Tage auf einer solchen Station. Danach entscheiden sich viele für ein Hospiz, "und da gehen sie normalerweise nicht mehr heim", sagt Hans Leonard Schneider. Wenn es wie im Landkreis kein Hospiz gibt, kehren die Menschen nach einem palliativen Klinikaufenthalt nach Hause zurück oder gehen in eine Pflegeeinrichtung. Dort versuchen dann die Hospizbegleiter auf ambulantem Weg, die sterbenden Menschen und ihre Angehörigen zu unterstützen.

"Das, was wir geben, ist Zeit und Zuneigung", sagt Bernhard Hoiß. Er ist einer von knapp 40 Hospizbegleitern. Jede Woche besuchen die Hospizbegleiter einen ihnen fest zugeteilten Patienten für jeweils drei Stunden. Wie diese Zeit gefüllt wird, ist jedes Mal unterschiedlich und ganz von den Wünschen der Betroffenen abhängig. "Ich war auch schon mal bei einem Patienten, da haben wir eine Stunde lang geschwiegen", erinnert sich Hoiß. "Aber das ist eine Zeit, die kann eine Pflegekraft nicht aufwenden" - und ist für viele Menschen doch so wichtig. Bei Hoiß' Kollegin Doris Priesmeier-Feiner gab es einen Fall, bei dem sie mit den Angehörigen mehr Kontakt hatte als mit der kranken Person. Man müsse sich einfinden in die Menschen, sagt sie, in die individuelle Situation, und sich fragen, was hier gebraucht wird. Dabei ist es egal, ob der Patient in häuslicher Umgebung oder in einer Klinik ist: Die Hospizbegleiter und -Begleiterinnen vom Christophorus-Verein kommen dorthin, wo sie eben gerade benötigt werden.

Jeder Hospizbegleiter hat vor dem Beginn des Ehrenamts eine knapp sechsmonatige Ausbildung erfahren. Meistens findet alle ein bis zwei Jahre ein Grundseminar statt. Zu diesem Kurs kann sich jeder anmelden, der sich mit dem Thema Sterben auseinandersetzen möchte. Nur etwa 20 Prozent der Teilnehmer entschließen sich dann zur eigentlichen Hospizbegleiterausbildung. Dort lernen sie, wie sie sensibel mit den sterbenden Menschen eumgehen können und auch, was an seelischer Belastung auf sie selbst zukommen wird. Dieser Aspekt ist dem Ebersberger Hospizverein sehr wichtig, denn auch nach der Ausbildung haben die Hospizbegleiter in regelmäßigen Abständen verpflichtend eine Supervision. "Wir lassen die nicht alleine", betont Bernhard Hoiß.

Der Christophorus-Verein versucht, Menschen zumindest einen Teil ihrer Furcht vor dem Sterben zu nehmen, insbesondere dadurch, dass er sich für eine offene Gesprächskultur einsetzt. Wenngleich ein aufgeschlossener Umgang mit dem Thema rund um den Tod bereits viel von seinem Tabu-Image verloren hat: Viele schweigen noch immer, sobald es um den letzten Lebensweg geht. "Ich würde mir wünschen, dass die Menschen keine Angst mehr haben zu fragen", sagt Maria Sommer. Den Wunsch, den Vorsitzender Schneider lange mit sich herumtrug, wurde durch den Hospizverein und die Hospiz- und Palliativbewegung der vergangenen Jahre aber schon erfüllt: "Bitte keine Sterbenden mehr in die Besenkammer abschieben."

Anlässlich seines 20-jährigen Bestehens veranstaltet der Christophorus Hospizverein am 12. Oktober ein Fest unter dem Motto "Musik trifft Poesie". Nach einem Sektempfang und einer Begrüßung des Vorsitzenden Hans Leonard Schneider folgt ein Konzert mit Lesung in der evangelischen Petrikirche in Baldham.

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