Egmating:Wenn Bürger zu Verkäufern werden

Egmating: In Harthausen im Landkreis München gibt es seit einigen Jahren bereits einen Dorfladen. Die Egmatinger könnten dem Vorbild ihrer Nachbarn nun folgen.

In Harthausen im Landkreis München gibt es seit einigen Jahren bereits einen Dorfladen. Die Egmatinger könnten dem Vorbild ihrer Nachbarn nun folgen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Egmatinger wünschen mehr Nahversorgung in ihrem Ort. Von einem Berater lassen sie sich nun über das Konzept Dorfladen informieren

Von Jessica Morof, Egmating

Ein kleiner Laden voll frischer Lebensmittel; glückliche Senioren packen Gemüse in ihre Körbe und nebenan halten die freundliche Verkäuferin und die junge Mutter mit Kleinkind auf dem Arm ein Pläuschchen. So stellen sich viele einen Dorfladen vor. "Natürlich spielt eine gewisse Sozialromantik mit hinein", bestätigt Wolfgang Gröll diese Vermutungen - und fügt, an die mehr als 50 Besucher im Haus der Gemeinde Egmating gerichtet, hinzu: "Andererseits wird ein Dorfladen betriebswirtschaftlich knallhart geführt." Diese Erfahrung könnten die Bürger der kleinen Gemeinde vielleicht bald selbst machen, wenn Gröll sie überzeugt hat.

Auf Antrag der Aktiven Bürgerliste Egmating (ABE) besuchte der Unternehmensberater für Dorfläden die jüngste öffentliche Gemeinderatssitzung in Egmating, um das Konzept hinter dem System vorzustellen. Denn viele Bürger wünschen sich eine bessere Nahversorgung; einen Supermarkt gibt es in der Ortschaft nicht mehr. Eineinhalb Stunden lang sprach Gröll über Umsetzung, Vorteile und Herausforderungen solcher Läden, wie es sie in vielen kleinen Gemeinden inzwischen gibt. Denn gerade dort sehen Supermärkte und Discounter keinen wirtschaftlichen Anreiz, sich niederzulassen. Ein Dorfladen gehe aber anders an die Herausforderung heran, so Gröll: "Es geht nicht darum, originär Geld zu verdienen. Der Vorteil ist die Tatsache, dass der Laden da ist."

Trotzdem muss dieser natürlich zu Egmating passen und die Bürger müssen das Geschäft auch annehmen. Die meisten Gemeinden gründen dafür laut Gröll eine Genossenschaft und stemmen die erste Finanzierung des Ladens selbst. Auch das Konzept werde nicht einfach vom Berater vorgegeben; es komme vielmehr von denjenigen, die genau wissen, was sie brauchen - von den Bürgern selbst. Und darin liege auch der Vorteil.

Wann möchten die Menschen dort einkaufen? Wer soll hinter der Theke stehen? Welche Produkte wollen sie dort finden und woher sollen diese bezogen werden? All ihre Wünsche können die Egmatinger einbringen, wenn sie sich für den Dorfladen entscheiden. Das Ziel sei auf keinen Fall, anderen Anbietern wie örtlichen Metzgern oder Getränkemärkten Konkurrenz zu machen. Der Laden soll vielmehr das bestehende Angebot ergänzen. "Deshalb hat jeder Dorfladen seinen eigenen Charakter und sein eigenes Profil", so der Unternehmensberater.

Ein wichtiger Trend sei momentan die Regionalität. Vor allem junge Familien setzen verstärkt auf frische Lebensmittel aus der Region. Das sei eine Chance der örtlichen Geschäfte, die nicht nur diesen Wunsch bedienen können, sondern zusätzlich Arbeitsplätze und Aufträge in der Region generieren. Darüber hinaus gebe es weitere Zusatzangebote, mit denen man Kunden locken könne: Kaffee-Ecken, Kopiergeräte, Rezeptdienste oder die Untervermietung eines Geschäftsteils an eine Bäckerei.

Dies alles zeigte Gröll anhand einer Bilderpräsentation auf. Ebenfalls bildlich, aber zudem auch sehr plakativ, stellte der Unternehmensberater viele Vorteile des Dorfladens vor, indem er den Vergleich zu bösen Supermarktketten und Discountern zog, die Produkte aus anderen Ländern als regional bezeichnen und frisch drauf schreiben, wo alt drin ist. Mit witzigen Sprüchen und Anekdoten gelang es ihm zwar, das Publikum für sich zu gewinnen. Jedoch können die schlechten Machenschaften anderer noch lange kein Garant für ein Gelingen des kleinen Gemeindegeschäfts sein. "Nicht jeder Dorfladen überlebt", fügte Gröll auch ganz offen hinzu.

Die Fragen aus Publikum zielten vor allem auf Größe, Öffnungszeiten und Lage des Ladens ab. All dies, so Gröll, hänge von den Bedürfnissen der Bürger sowie den äußeren Gegebenheiten in Gemeinde und Region ab. Eine Bürgerbefragung und Machbarkeitsstudie würde die Bedingungen für das Projekt definieren. Der Unternehmensberater wird der Gemeinde nun ein Angebot machen. Klar sei, dass nur die Schritte in Rechnung gestellt würden, die die Gemeinde auch nutzen möchte.

Ob es nun eine Zusammenarbeit Egmatings mit dem Unternehmensberater geben wird, ist noch offen. "Vielen Dank für den ausführlichen, umfassend überzeugenden Beitrag. Jetzt sind wir erschlagen", sagte Bürgermeister Ernst Eberherr (CSU/FW) nach dem Vortrag. "Positiv natürlich", fügt er schnell hinzu. "Aber wir müssen das schon noch ausführlich diskutieren." Dies will der Gemeinderat in der kommenden Zeit tun. Falls man sich für einen Dorfladen und die Kooperation mit Gröll entscheidet, könnte bereits ein Dreivierteljahr später ein solches Geschäft entstehen.

Die Umsetzungsphasen eines Dorfladens: Phase 1 - Sensibilisierung: Information aller Bürger und Gründung eines Arbeitskreises; drei Wochen Dauer. Phase 2 - Vorgründungsphase: Machbarkeitsstudie, Wahl der Rechtsform, Sicherung der Finanzierung; ein bis drei Monate Dauer. Phase 3 - Umsetzungsphase: Raumfindung, Gründung, Antragstellung, Erarbeitung des Feinkonzepts, Auswahl der Mitarbeiter; ein bis vier Monate Dauer.

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