Eglharting:Der Kaiser geht als König

Auf dem Sommerfest der Eglhartinger Werkstätten verabschieden die Mitarbeiter ihren langjährigen Chef Rudi Kaiser mit einer symbolischen Krönung. 250 Gäste feiern ihn für ein Modell, das er vor 17 Jahren mitgründete: Wer in der Werkstatt arbeitet, hat gleich nebenan einen Platz im Wohnheim.

Von Korbinian Eisenberger, Eglharting

Natürlich darf man bei so einem Event auch einmal schelmisch sein - wenn der Chef in den Ruhestand verabschiedet wird. Und deshalb musste Rudi Kaiser an diesem Sonntagmittag auf die Bühne, wo ein wackeliger Stuhl und ein dicker Mantel auf ihn warteten. Des Kaisers neue Kleider sollten ihn zusätzlich wärmen, an diesem brühheißen Tag, eine kleine Gemeinheit zum Abschied.

Der Kaiser sollte vor allen zum König gekrönt werden, nach 17 Jahren als Leiter der Eglhartinger Werkstätten. Und deswegen wickelte ihm die als Burgfräulein verkleidete Silvia Maier (die Sozialdienst-Leiterin) den königlichen Mantel um, und, damit er auch ja nicht friert, noch eine Decke. Wer abtritt, muss vorher noch mal richtig schwitzen.

Das diesjährige Sommerfest der Eglhartinger Werkstätten war nicht nur ein gemütliches Beisammensein bei Schweinsbraten und Fassbier. Der Einrichtungsverbund verabschiedete seinen Werkstattleiter Kaiser, der von der Gründung an dabei war und im Januar in Ruhestand geht. "Ich bin 65, und irgendwann langt es", sagte er. "Ganz leicht wird es mir aber nicht fallen."

Der Ruhestand beginnt im Januar,bis dahin leitet er die Einrichtung noch

Bis zum endgültigen Abschied sind es noch einige Monate, und deswegen lag nur wenig Wehmut in der Luft des Innenhofs. Dieser sonnige Spätsommertag meinte es gut mit den 250 Gästen, die unter Sonnenschirmen auf Bierbänken saßen und applaudierten, als ihrem Kaiser schließlich die königliche Krone aufgesetzt wurde. "Ein bisschen heiß ist es mit unter der Decke schon geworden", sagte er danach. "Aber sie haben mich dann ja wieder befreit".

Sonst geht es am Westring in Eglharting nicht um Klamauk, normalerweise wird in der Werkstatt gearbeitet. Menschen mit Behinderung schleifen und hämmern dann hinter den Türen an Eisenstangen herum. Die Metallteile aus der Werkstatt gehen dann in den Verkauf - eben wie bei einer ganz normalen Behindertenwerkstätte. Das Besondere in Eglharting ist aber die Wohnform. Hier geht der Einrichtungsverbund nach dem sogenannten Elternmodell vor: Das angrenzende Wohnhaus mit den 22 Einzelapartments auf zwei Stockwerken wurde komplett von den Eltern der Bewohner finanziert.

Weil es vom Staat für Wohnprojekte in Behindertenwerkstätten meist keine oder nur wenige Zuschüsse gibt, bleiben viele Behinderte im Elternhaus wohnen und haben dadurch oft große Distanzen zwischen Arbeitsplatz und Wohnort. In Eglharting essen die Bewohner stattdessen mittags in der Kantine, es wird gemeinsam gekocht und eingekauft. Die Eglhartinger Werkstätten sind deshalb so etwas wie ein Vorzeigemodell. "Die Bewohner sind dadurch unabhängiger", sagt Kaiser.

Über potentielle Nachfolger wurde am Sonntag nicht gesprochen

In einem der Appartements wohnt die 21-jährige Carolin Hase. Unter der Woche würde sie um diese Zeit in der Werkstatt stehen und zusammen mit ihrem Gruppenleiter an der CNC-Maschine Metallteile stanzen. Jetzt steht sie mit einem Fächer auf der Bühne und wedelt Rudi Kaiser frische Luft ins Gesicht, das einen leicht rötlichen Teint angenommen hat.

"Es ist schade, wenn er geht", sagt sie, als die Bühnenshow zu Ende ist. "Wenn mir das Material in der Werkstatt ausgegangen ist, dann bin ich immer zu ihm gegangen und er hat mir geholfen", sagt sie. Schmerzlich vermissen werde sie auch ihren Gruppenleiter Reinhard Weber, 63, der ebenfalls aufhört, und mit einem Ritterschlag seines Chefs verabschiedet wurde. "Wenn mal was schief läuft, dann ist er sofort da und bringt es wieder in Ordnung", sagt Carolin Hase.

Bis spät in den Nachmittag hinein spielte dann noch die Party-Band Diri Dari. Und Franz Horny, Gruppenleiter in der Werkstatt, hopste vor seinem gekrönten Chef herum und plärrte: "Ich bin dein Hofnarr, seit 15 Jahr'". Horny ist auch schon lang dabei, er und all die anderen, die das Fest, die Kostüme, den Thron und den Herrscherstab (einen Wanderstock) organisiert hatten, bleiben den Eglhartinger Werkstätten erhalten. Wer Rudi Kaiser ersetzen wird, wer im Januar sein Thronfolger sein soll, darüber sagten sie am Sonntag nichts. Noch bleiben ja einige Monate Zeit.

Der gekrönte König durfte dann wieder unter Mantel und Decke hervorschlüpfen und gesellte sich bei einem kühlen Drink zu den Gästen unter die Sonnenschirme. Da hatte seine Gesicht dann wieder die alte Farbe zurück.

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