Ebersberg/München:107 Schritte pro Minute

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Fünf Vereine aus dem Landkreis haben am ersten Wiesn-Wochenende ihren großen Einsatz. Wie ihr Auftritt aussehen soll, dafür gibt es klare Regeln

Von Lea Weinberg, Ebersberg/München

Bunte Gewänder, laute Marschmusik und Tausende begeisterte Zuschauer: Die traditionellen Einzüge zum Auftakt der Wiesn sind für die dort auftretenden Trachtenvereine, Spielmannszüge und Musikkapellen das Highlight des Jahres. Auch fünf Vereine aus dem Landkreis haben in diesem Jahr beim Trachten- und Schützenumzug am Sonntag ihren großen Auftritt, die Spielmannszüge aus Ebersberg und Grafing werden zudem auch am Einzug der Festwirte am Samstag mitmarschieren. Für die Teilnehmer aus dem Landkreis Ebersberg ist der traditionelle Trachtenumzug keine Premiere mehr, sie alle sind schon viele Jahre fester Bestandteil der Münchner Oktoberfestumzüge.

So hat auch der Gebirgs -und Volkstrachtenerhaltungsverein Neu-Edelweiß aus Markt Schwaben eine lange Tradition auf dem Oktoberfest-Einzug. Seit dem 125. Jubiläum der Wiesn im Jahr 1935 ist der Verein alle zwei Jahre dabei. Die 65 Erwachsenen und 20 Kinder stellen eine bayerische Hochzeitgesellschaft nach. Ehrmutter, Kranzlpaar, das Brautpaar und alle Hochzeitsgäste laufen in traditioneller Tracht mit. Seit 1990 stellen die Vereinsmitglieder auch ein besonderes Fuhrwerk, extra für den Oktoberfestumzug: den Kammertwagen. Auf ihm wurde früher die Aussteuer der Braut in das Haus des Ehemanns gefahren, erklärt die Vereinsvorsitzende Claudia Hemmer. Das von Pferden gezogene Fuhrwerk wird mit teilweise originalen Haushalts-Utensilien bestückt, die die Braut für ihr Eheleben braucht.

Die letzten Minuten, bevor es losgeht: Die Mitglieder des Spielmannszugs Ebersberg warten auf ihren Einsatz. (Foto: privat)

Zu Proben trifft sich der Trachtenverein in der Regel nicht, erst an Ort und Stelle wird die Aufstellung besprochen. "Die meisten bringen schließlich viel Routine mit", so die Vorsitzende. Für den Umzug tragen die Vereinsmitglieder entweder die Niedertracht oder die Volkstracht. Ein Trachtenwart kontrolliert, ob alles richtig sitzt. "Das ist bei den Männern natürlich einfacher", erklärt Claudia Hemmer. Neben der Stiefelhose und der Taschenuhr "muss überall ein bissl Charivari dran sein", erklärt sie. Bei den Frauen sei es allein durch die größere Anzahl an Kleidungsbestandteilen komplizierter. Im Laufschritt geht es dann los, 107 Schritte pro Minute ist die Vorgabe des Festringes, die Straße muss immer ausgefüllt werden, "die Neuen zieht man da einfach mit", sagt Claudia Hemmer und lacht.

Auch die Musikkapelle Poing wird mit knapp 60 ihrer Mitglieder mitmarschieren. Von jung bis alt seien alle Altersgruppen vertreten, erklärt der zweite Vorsitzende Martin Lutz, "und einen Rentner haben wir auch dabei". Nur ein paar wenige seien fußkrank und könnten nicht mitlaufen, erklärt der zweite Vorsitzende des Vereins. Alle zwei Jahre darf die Musikkapelle beim Wiesn-Einzug mitmachen, wo bestimmte Regeln gelten: "Man muss natürlich immer in einer Reihe laufen, und der linke Fuß kommt zuerst", sagt Martin Lutz. Die Choreografie muss auch geübt werden, erst kürzlich hat die Gruppe bei einem Marschwettbewerb 91 von 100 Punkten erreicht, so Lutz, "wir hatten die meisten Punkte in der schwierigsten Kategorie", erzählt er stolz.

Ein kleiner Teil des Grafinger Spielmannszugs steht neben den Instrumenten. (Foto: privat)

Beim traditionellen Einzug werden sie Marschlieder spielen, vor allem bayerische oder den Bozener Bergsteigermarsch. Alle klassischen Instrumente haben die Musiker dabei, nur das Fagott sei für den Umzug ungeeignet. Der Fagottspieler darf aber trotzdem mit, er spielt das Becken. Die Poinger Musikkapelle läuft dieses Mal im ersten Drittel des Zuges. Martin Lutz schätzt, dass sie gegen halb zwölf bei der Wiesn ankommen werden. Mit knapp sieben Kilometern sei der traditionelle Wiesn-Einzug zwar einer der längsten, "er kommt einem aber am kürzesten vor", so Lutz, schließlich seien so viele Leute da, dass man mit dem Schauen gar nicht fertig werden würde. "Und danach gehen wir natürlich alle ins Zelt, das halbe Hendl und die Mass haben wir uns dann verdient", so Lutz.

Für den Spielmannszug Grafing ist der Oktoberfestumzug ebenfalls keine Premiere, sie dürfen traditionell seit 1953 jedes Jahr sowohl beim Trachten -und Schützenzug, als auch beim Einzug der Festwirte dabei sein. "Da haben wir natürlich einen kleinen Vorteil", sagt Stefan Pihale, der erste Vorsitzende des Vereins, denn der Spielmannszug sei schon vor vielen Jahren von der Augustiner Brauerei verpflichtet. Beim Einzug der Festwirte laufen die 30 aktiven Mitglieder mit Taferlkindern und Standartenträgern vor der Augustiner Festkapelle. "Damit man sich auch mal abwechseln kann", erklärt Pihale.

Ihren Kammertwagen haben die Markt Schwabener dabei. (Foto: privat)

Mit Spielmannsflöten, Marschtrommeln in der Rhythmusgruppe und einer Lyra treten die Grafinger in einer klassischen Spielmannszugbesetzung auf. Vor allem die Lyra, die eigentlich als Saiteninstrument schon in griechischen Sagen auftaucht, in der bayerischen Tradition aber als eine Art tragbares Xylofon gespielt wird, "spürt man mit ihrem Gewicht schon im ganzen Körper", sagt Stefan Pihale.

Die Umzüge sind schließlich mit einer großen Anstrengung verbunden, "da habe ich vor allem Respekt vor den ganz kleinen Mitgliedern, dass die so tapfer durchhalten". Nach dem Marsch geht es natürlich ins Augustiner-Zelt, wo die Vereinsmitglieder ihre Gage bekommen: zwei Freigetränke und ein Hendl. "Das Highlight ist immer die Atmosphäre auf der Wiesn", sagt der Vereinsvorsitzende. "Vor zwei Jahren haben wir es auch geschafft, mit der Oktoberfest-Kapelle auf der Bühne zu spielen", berichtet der Vereinsvorsitzende stolz.

Fest im Kalenderjahr eingeplant ist der Wiesn-Umzug auch für den Spielmannszug Ebersberg. Fast jedes Jahr darf der Verein aus der Kreisstadt mitmarschieren und zwar, genauso wie der Spielmannszug aus Grafing, bei beiden Einzügen. Etwa 65 aktive Mitglieder werden am Wochenende dabei sein, für die Kleinsten seien beide Märsche aber zu anstrengend, "da wechseln wir schon durch", so Sebastian Brilmayer. Nur die Erwachsenen müssen alle mit, "da hilft nix", sagt der erste Vorsitzende. Die musikalische Besetzung des Ebersberger Spielmannszuges ist, im Gegensatz zum Grafinger Spielmannszug, keine klassische, auch Fanfaren sind hier vertreten. In drei Kategorien lässt sich die Marschmusik unterscheiden. Die Fanfarenmärsche werden ohne die sogenannten Pfeiferl gespielt, die Pfeiferlmärsche ohne die Fanfaren und zwischendurch sind kombinierte Märsche mit beiden Instrumenten zu hören.

Auch die Tracht ist den Ebersbergern wichtig. "Auf der Wiesn will man schließlich seine beste Seite präsentieren", so Brilmayer. Erst 2009, zum 50. Jubiläum des Vereines, wurde die Garderobe der Ebersberger Spielmannsleute komplett erneuert. Die Kleidung ist der Tracht um 1830 nachempfunden, wie man sie im Raum Ebersberg trug. Alle tragen schwarze Hüte, blaue Socken und schwarze Haferlschuhe. Die Frauen einen schwarzen Rock und ein rotes Mieder, die Männer eine rote Weste und eine blaue Jacke. Nach dem Umzug werden im Festzelt dann alle Anstrengungen belohnt: "Es ist einfach unvergleichbar, wenn man ankommt", erzählt Sebastian Brilmayer.

Das ganze Jahr bereiten sich die Vereine aus dem Landkreis auf die großen Umzüge vor, je näher das Wochenende kommt, desto größer ist die Aufregung. "Passt alles, hab ich alles und hab ich auch nix vergessen", das sind die letzten Gedanken von Claudia Hemmer, bevor es losgeht, "aber wenn ich mir alle anschau, dann bin ich stolz und alles ist schön", fasst die Vereinsvorsitzende zusammen. So wird es wohl auch den Mitwirkenden in den anderen Vereinen gehen, und schließlich sind sich alle einig: Beim Oktoberfest ist es am schönsten.

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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