Ebersberger Kunstpreis:Die Ästhetik des Mandelkerns

Maja Ott wird für ihr Bild "Amygdala" ausgezeichnet

Rita Baedeker

EbersbergMaja Ott reagiert verhalten. "Ich finde es toll, damit habe ich nicht gerechnet", sagt sie. "Es ist für mich natürlich eine Ehre", erklärt sie bescheiden. Aber dies ist schließlich nicht die Oscar-Nacht mit ihren zur Schau gestellten Gesten der Rührung, sondern die Verleihung des mit 1500 Euro dotierten Kunstpreises der Stadt Ebersberg, den in diesem Jahr die sympathische Moosacher Malerin bekommt. Und die neigt nicht zur eitlen Selbstdarstellung.

Aus 282 eingereichten Arbeiten hat die Jury 66 ausgewählt und sich bei der Frage, wer preiswürdig ist, auf das Hinterglasbild "Amygdala" von Ott verständigt. "Es war eine klare Entscheidung für das Bild", erklärt Kunstvereinsvorsitzende Karin Dohrmann bei der Preisverleihung. Anerkennung für ihre Arbeit bekommt Maja Ott, die an der Münchner Kunstakademie bei Helmut Sturm studiert hat, zwar häufig auch andernorts. Das Urteil der Jury aber ist ihr sehr wichtig. "Das sind professionelle Künstler, die haben Ahnung, deren Bewertung ist für mich als Feedback etwas Besonderes."

Als besonders empfanden die Juroren auch Otts Arbeit, das Motiv "Amygdala". Auf dem 1.20 mal 1.70 Meter großen Gemälde bildet die Künstlerin den für Emotionen und Affekte zuständigen Teil des Gehirns als rosa-grau gefärbte, puddingartige Hirnmasse nahezu realistisch ab. Ein Herz, das Skelett einer Schlange, korallenartige Blutgefäße, Nervenbahnen und -knoten übersetzt sie in phantastische monumentale Malerei, kreiert ein Tableau seltener Lebensformen. Mikroskopisch kleine Materie-Bausteine im Grenzbereich zwischen pflanzlichem und organischem Leben faszinieren die Künstlerin. Früher, so erzählt sie, wollte sie Biochemie studieren. Und noch heute lese sie lieber Wissenschaftsmagazine als Kunstzeitschriften. Auch bildgebende Verfahren in der Medizin findet sie spannend. Eine alte Ausgabe von "Brehms Tierleben" liefert ihr immer wieder Vorlagen, die sie, seien es Quallen oder Korallen, mal abstrahiert, mal figürlich umsetzt. In ihrem ornamentalen Reichtum erinnern die Motive von "Amygdala" auch an die Illustrationen in medizinhistorischen Lehrbüchern früherer Jahrhunderte. Die leuchtende Farbigkeit (Acryl), die spiraligen kleinteiligen Muster mit Punkten und punktierten Linien verströmen zudem eine orientalische Lust am Ausschmücken. Was kein Zufall ist; gerade eben war Maja Ott auf einer längeren Indienreise.

Seit 2010 malt die Künstlerin, die 1960 in Bad Reichenhall geboren ist, Hinterglasbilder. Als Motive finden sich häufig Blumentiere, Pflanzen, wie zum Beispiel ein "Lungenbaum", und andere anatomische Details. Auslöser war die Biennale in Venedig, wo sie die Hinterglasbilder einer indischen Malerin bewunderte. "Man kennt dieses Genre hier vor allem von Heiligenbildern", sagt Ott. Kandinsky und Münter griffen zu ihrer Zeit die Tradition auf, auch Gerhard Richter malt hinter Glas.

Arbeiten wie "Amygdala" entstehen allerdings nicht in ihrem Moosacher Atelier, wo sie seit 1989 mit ihrem Mann, dem Steinbildhauer Hubert Maier, und den Kindern Lucia, Leo und Paul lebt, sondern in einem Künstlerkollektiv nahe der schwedischen Stadt Göteborg am Meer. Dort verbringt die Familie den Sommer, dort ist ein "Wahnsinnslicht", wie Ott sagt, dort gibt es einen Steinarbeitsplatz und viel Granit, ein Atelier mit großer Tischplatte, auf der sie ihre Plexiglasscheiben bemalen kann; und dort gibt es, nicht ganz unwichtig in einem schwedischen Sommer, Schlauchboote und einen Grill.

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