Ebersberger "Hörpfad":Klangspuren von Legenden

Per Mausklick und App über den Ebersberger "Hörpfad": Die ersten sieben Audiobeiträge sind fertig. Sie machen regionale Sehenswürdigkeiten und Geschichten auf besondere Weise erlebbar.

Von Alexandra Leuthner

Der Klosterbauhof ist in helles Sonnenlicht getaucht - "endlich", - stellt Alexandra Hessler fest. Dann klickt die VHS-Dozentin mit der Maus auf ein Feld an ihrem Laptopbildschirm und dreht die kleinen Lautsprecher auf, die auf einem Tischchen vor ihr aufgebaut sind.

Eine Fanfare ertönt, ein Käuzchen ruft, man hört Schritte, Stimmen, eine Autotür schlägt zu. Und plötzlich ist das Grüppchen der Besucher, die an diesem Nachmittag in den Klosterbauhof gekommen sind - einschließlich Bürgermeister Walter Brilmayer - mitten drin in einer Geschichte, mitten in einer nächtlichen Autofahrt durch den Ebersberger Forst. Zwei Frauen sind unterwegs, Mutter und Tochter. Sie unterhalten sich, es ist finster, es ist ein unheimlich, Blitze zucken über den Himmel. Da taucht die Hubertus-Kapelle im Scheinwerferlicht auf, und, wer täte das nicht, der schon einmal hier vorbei gefahren ist? Sie denken plötzlich an die Legende der Weißen Frau.

Ebersberger "Hörpfad": Heldenallee, Hochgrab, Klosterbauhof: Der Hörpfad widmet sich einigen Sehenswürdigkeiten.

Heldenallee, Hochgrab, Klosterbauhof: Der Hörpfad widmet sich einigen Sehenswürdigkeiten.

(Foto: Christian Endt)

Und - wer täte das nicht, der die Geschichte kennt um die Mutter, die den Tod ihrer beiden Kinder rächen will und die, der Sage nach, bei vorbei fahrenden Autofahrern auf dem Rücksitz auftaucht? Sie riskieren einen Blick in den Rückspiegel. Eine der beiden Frauen sieht, was sie befürchtet hat, greift der anderen voller Panik ins Lenkrad. Laute Schreie. Räder quietschen. Fast passiert ein Unfall.

Sehen kann man all das nicht, nur hören. Antje Berberich, Nadine Hackenberg, Isabella Hluchnick und Maria Weininger haben das kleine Stück zusammen aufgenommen. Es gehört zu den ersten sieben Audio-Files, die im neu installierten "Hörpfad Ebersberg" zu hören sind - per App bei einem Spaziergang an Ort und Stelle oder online zu Hause am PC. "Hörpfade" sind ein bayernweites Projekt, das Menschen die Möglichkeit gibt, Sehenswürdigkeiten ihrer Region in Hörbildern darzustellen, akustische Porträts einer Landschaft, eines Bauwerks, eines Gewässers zu erschaffen - ganz nach den eigenen Vorstellungen. Entstanden ist es in Zusammenarbeit der Volkshochschulen, des Bayerischen Rundfunks und der Stiftung Zuhören. 2011 wurde der erste Hörpfad in Oberhaching eingeweiht, inzwischen sind sechs weitere dazu gekommen. Nun hat sich auch die Stadt Ebersberg angeschlossen.

Ebersberger "Hörpfad": Es sei auch ein Anliegen, dass die Teilnehmer lernen, was "hinter so einem Zweiminutenspot steckt", erklärt Birgit Echtler von der Stiftung Zuhören.

Es sei auch ein Anliegen, dass die Teilnehmer lernen, was "hinter so einem Zweiminutenspot steckt", erklärt Birgit Echtler von der Stiftung Zuhören.

(Foto: Christian Endt)

Im Rahmen eines Kurses der VHS Ebersberg in diesem Frühjahr sind die ersten Geschichten entstanden. Außer mit der Weißen Frau haben sich die Macher mit dem Klosterbauhof und seiner Geschichte, der Gründung des Klosters Ebersberg, dem Hochgrab in Sankt Sebastian, der legendären "Glonner Mare", der Heldenallee und den Rennfahrerlegenden Hans Attenberger und Josef Schillinger befasst. Die Beiträge dauern jeweils nur ein paar Minuten, das Machen der Files aber natürlich deutlich länger. Es sei auch ein Anliegen der Initiatoren, dass die Teilnehmer lernen, was an Produktionsarbeit "hinter so einem Zweiminutenspot steckt", erklärt Birgit Echtler von der Stiftung Zuhören. Neben technischem Equipment und Know-How sind das Ideen und Engagement.

Ebersberger "Hörpfad": Die Beiträge dauern jeweils nur ein paar Minuten, das Machen der Files aber natürlich deutlich länger.

Die Beiträge dauern jeweils nur ein paar Minuten, das Machen der Files aber natürlich deutlich länger.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

An die zehn Mal seien sie die Strecke durch den Forst gefahren, erzählte Antje Berberich von den "Dreharbeiten" zur Weißen Frau, bis sie die Autogeräusche richtig im Kasten hatten. Und Matthias Ott, Lehrer am Gymnasium Kirchseeon, konnte von fünf Doppelstunden berichten, die er und die Schüler seines Wahlkurses Podcast allein mit der Heldenallee Ebersberg verbracht haben. "An einem Tag mussten wir innerhalb von 90 Minuten mit der S-Bahn nach Ebersberg fahren, zur Heldenallee laufen, Heimatpfleger Markus Krammer interviewen und wieder zurückfahren. Aber wir haben es geschafft." Entstanden ist dabei ein hörenswertes akustisches Protokoll unter dem Titel "Wenn die Linden Trauer tragen." Bürgermeister Brilmayer, der seine eigenen Jugenderinnerung zur Glonner Mare beigesteuert hat, sieht in dem Projekt ein Angebot mit echtem Mehrwert sowohl für den Tourismus als auch für die, "die hier zu Hause sind und jeden Tag an so vielen interessanten Sachen vorbei gehen, die wir gar nicht mehr wahrnehmen." Das ist eben die Idee, die hinter dem Projekt steht: Geschichten und Erinnerungen lebendig werden zu lassen, durch Menschen, die sie erlebt oder erzählt bekommen haben. "Geschichten werden entweder tradiert oder vergessen", sagte Markus Bassenhorst, Fachreferent für Kultur und Gesellschaft beim Bayerischen Volkshochschulverband. Die Erinnerungen an die Glonner Mare, die legendäre Besitzerin eines Kiosks am Klostersee, sind dafür das beste Beispiel. Alt eingesessene Ebersberger erzählen von ihren Kindheitserinnerungen ans Schlittschuhfahren in der Seestadt Ebersberg, wo die Mare fast schon den Status einer Bürgermeisterin hatte - und wer weiß heute noch, was die Seestadt überhaupt war?

Die App für Android-Telefone, über die man sich die Hörpfad-Beiträge aufs Handy holen kann, stehen übrigens von Ende Oktober an, die fürs I-Phone Ende November kostenlos im Netz. Online sind die Geschichten unter www.vhs-grafing.de/hoerpfad, über www.ebersberg.de und www.hoerpfade.de zu hören. Im Oktober startet ein neuer Kurs an der VHS Ebersberg, wieder unter der Leitung von Alexandra Hessler, die auch das erste Seminar betreut hat, in dem neue Beiträge entstehen sollen.

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