Ebersberger Forst:Wunderwelt im Wald

Am Sonntag ist Finissage des im Oktober vor vier Jahren eröffneten Skulpturenpfads im Ebersberger Forst. Im Rückblick erscheint das Künstlern und Besuchern lieb gewordene Projekt als Erfolgsgeschichte

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Der Straußdorfer Bildhauer Franz F. Wörle formuliert es drastisch: "Bevor das Ganze in Siechtum übergeht, machen wir Schluss!" Gemeint ist der von den Staatsforsten initiierte und von ihm kuratierte Skulpturenpfad im Ebersberger Forst. Am Sonntag ist Finissage. Aus und Amen. Die Ebersberger Jagdhornbläser werden das aller Ehren würdige Projekt mit festlichen Fanfaren, in die sich ein wenig Traurigkeit mischt, verabschieden.

"Spätestens bis Ostern wird alles abgebaut", sagt Wörle. Fast alles. Die gigantischen mit der Kettensäge geschaffenen Holzinstallationen, die fast acht Meter hohe Eichenstele, das aus einem Fichtenstamm gesägte "Tipi" von Johannes Gottwald aus Herrmannsdorf zum Beispiel kriegt wohl keiner so mir nichts dir nichts aus dem Wald heraus. Das werde wohl stehen bleiben, solange die Stämme nicht siech werden, also zu faulen und zu brechen drohen, und für Spaziergänger ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, sagt Wörle. Weniger schwierig werde sich wohl der Abbau der aus rot bemalten Stämmen zusammengefügten Haus-Installation von Rainer Devens gestalten. "Umg'schnitten is glei!" Natürlich lassen sich die Schwergewichte aus Holz, Eisen, Acryl oder Granit nicht einfach unter den Arm klemmen und ins Auto hieven. Wie schon beim Aufbau des Pfads, werden auch jetzt die Forstarbeiter mit schwerem Gerät und Hebebühne mit anpacken.

"Wir waren uns mit Franz Wörle immer einig, dass es für den Skulpturenweg einen Anfangs- und einen Endpunkt geben soll", sagt Heinz Utschig, Leiter des zuständigen Forstamts Wasserburg. "Das heißt nicht, dass wir das nicht irgendwann wieder machen", betont er. Doch an den Arbeiten habe der Zahn der Zeit und der Witterung genagt. Sturm Niklas beschädigte im Mai vergangenen Jahres diverse Arbeiten, knickte die den "Ikarus" von Otto Dressler stützenden Baumstämme um, woraufhin die Skulptur - irgendwie passend zur Sage - abstürzte. Niklas zerbrach einige Panzer der einen Baumstamm "hinaufkrabbelnden" riesigen Käfer aus Acryl von Peter Pohl. "Es war eine tolle Kooperation und hat viel Energie und Herzblut gekostet", sagt Utschig. Beeindruckt habe ihn vor allem die Tatsache, dass es in den vier Jahren keinerlei Vandalismus gegeben habe. "Die Menschen haben den Weg als wertvolles Kulturgut angesehen und respektiert." Jetzt gelte es Energie zu sammeln. "Es müssen neue Objekte her, ein komplettes Update." Schon jetzt freue er sich auf eine für 2018 geplante Aktion des Fotoklubs Vaterstetten. "Die wollen den Wald zwei Jahre lang mit der Kamera begleiten."

Auch Steinbildhauer Hubert Maier spricht von einer Erfolgsgeschichte. "Wir hatten viel Feedback. Die Leute schickten Fotos, viele waren in der Zeit auf dem Pfad unterwegs." Traurig? "Nein, man muss auch einer solchen Aktion ein Ende setzen, sonst glauben die Leute, die Staatsforsten hätten die Werke gekauft, aber wir Künstler haben die Werke als Leihgaben zur Verfügung gestellt und quasi Miete bekommen." Den Rücktransport seines tonnenschweren Blocks müsse er selber finanzieren. Dennoch lautet sein Fazit: "Eindrucksvoll, wie die Staatsforsten Kunst rund um den Wald fördert."

Die Finissage ist der vorläufige Abschluss einer wunderbaren Idee - dem gelungenen Versuch, den Sehnsuchtsort Wald um ein sinnliches Erlebnis reicher zu machen, um die ungewöhnliche Erfahrung, wie Objekte aus bearbeitetem Holz, Stein und Metall sich ins Ensemble der Bäume und Büsche einfügen, ins Licht und in die Farben der Jahreszeiten. Wie viele Wanderer den Weg erkundet haben, ist unbekannt. Doch menschliche - und tierische - Spuren fanden sich zuhauf.

Von Anfang an ist das Experiment ein Faszinosum. Es ist ein strahlend blauer Oktobertag, als sich neben dem an diesem Tag verwaisten Biergarten des Forsthauses Hubertus etwas tut im Unterholz. Der Dachauer Bildhauer Paul Havermann versucht, an einem Draht aufgereihte farbige Holzstäbe in einigen Metern Höhe zwischen zwei Buchen zu befestigen. Es ist der Sesam öffne dich in eine Welt aus rätselhaften bunten Ringen, aus schlichten Toren und Seelenhäuschen, einem zimmergroßen, auf wetterfeste Folie gedruckten Gemälde, das einen Taucher zeigt, einem urtümlichen Fluggerät und einem Granitblock mit in den Stein geschnittenen Waben, die, kaum dass der "Honung" genannte Block steht, mit Zapfen und Moos gefüllt werden. Den etwa eineinhalb Kilometer langen Trampelpfad durch den Wald haben die Staatsforsten zum bequemen Wanderweg aufgepeppt, auf dem man auch Radfahrer - und gelegentlich das eine oder andere Wildschwein - trifft.

Der erste Winter gibt als Illusionskünstler sein Bestes. Er verwandelt Bäume und Büsche in rätselhafte Gestalten, verleiht gekerbtem Holz weiße Krägen, lässt die bunten Blattringe aus Polymergips von Christian Heß leuchten wie Zuckerkringel am Weihnachtsbaum und setzt Havermanns Stäben Köpfchen auf, so dass sie aussehen wie Rübezahls Zündhölzer.

Im Mai 2014 wird der Weg erweitert, es ist gibt ja noch viel Platz. Zu den sechs Künstlern Franz Wörle, Hubert Maier, Ingrid Wieser-Kil, Johannes Gottwald, Paul Havermann und Christian Heß, die am 21. Oktober den Pfad eröffnet haben, gesellen sich der Wasserburger Künstler Rainer Devens, der Bildhauer und Insektenforscher Peter Pohl aus Riedering und die Würzburger Künstlerin Angelika Summa, die eine Quadratur des Kreises aus Metallstäben ins Unterholz setzt. Aus dem Nachlass des verstorbenen Aktionskünstlers Otto Dressler aus Moosach steuert Ebersbergs Stadtarchivarin Antje Berberich den Ikarus bei, eine Figur, die perfekt ins Gelände passt.

Ein Jahr später wird im September eine zauberhafte Idee realisiert: ein klassisches Konzert mitten im Wald. Die Sopranistin Christina Gerstberger, Ehefrau von Christian Hess, Pianist Wolfram Heinzmann an einem beweglichen Klavier und der Trompeter Matthias Linke, der von ferne im Unterholz "flüstert", bilden eine fahrende Truppe von Musikanten, die Klangkunst von Schubert und Schönberg, Brahms und Dvorák von Station zu Station tragen, gefolgt von einem begeisterten Publikum.

Schließlich wird im Dezember 2015 der von Hubert Maier aus Schweden herangekarrte Granitblock zum Adventskalender. An einem Sonntag im Dezember legen einige der Künstler gemeinsam mit der SZ Ebersberg 24 kleine Präsente in die Höhlungen. Spaziergänger können Lose ziehen und gewinnen. Zu dieser Zeit hat auch Franz Wörle noch Pläne: vielleicht eine Kooperation mit dem Museum Natur und Umwelt, ein Landart-Projekt in der nahe gelegenen Kiesgrube. Doch es fehlt an Zeit und an Geld. Wörle sagt: "Es ist wie im Kino, man kauft eine Karte und irgendwann ist der Film zu Ende." Schön war's - und alles in allem beinahe ein Happy End.

Finissage des Skulpturenpfads ist am Sonntag, 11. Dezember, 15 Uhr. Treffpunkt ist um 15 Uhr, bei Wildparkeingang vom Gewerbegebiet St. Hubertus aus. Zum Programm gehören eine gemeinsame Begehung des Weges, eine Rückschau sowie ein gemütlicher Ausklang auf dem Weihnachtsmarkt am Forsthaus Hubertus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: