Ebersberg/Aying:Auf Holz gebaut

Aying, Werner Fauth, neuer Vorsitzende der Waldbesitzervereinigung München-Ost, Foto: Angelika Bardehle

Werner Fauth kümmert sich um die Geschicke seines eigenen Waldes und um die der gut 1200 Mitglieder der Waldbesitzervereinigung.

(Foto: Angelika Bardehle)

Den Hof in Aying hat Werner Fauth bereits an den Sohn übergeben. Der 51-Jährige kümmert sich jetzt umso intensiver um die Forstwirtschaft und sein neues Amt als Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung. Das muss er auch, angesichts der Sturmschäden in der Region

Von Konstantin Kaip, Ebersberg/Aying

Werner Fauth ist nicht leicht zu finden auf dem Kainzenhof in Aying. Seine Frau Elisabeth erreicht ihn nicht auf dem Handy, und erst als sie seinen Namen mehrmals über den Hof ruft, steigt er aus einem Traktor hinter dem Kuhstall und streckt einem schließlich seine kräftige Hand entgegen. "Am Montag ist bei uns immer viel los, da haben wir Schlachttag" sagt der 51-Jährige. Den landwirtschaftlichen Betrieb an der Bräugasse samt Direktvermarktung der Schweine und Rinder leitet zwar seit vergangenem Jahr sein Sohn Max. Seitdem kümmert sich Werner Fauth "ausschließlich um den Wald", wie er sagt. Das heißt aber nur, dass sich seine Prioritäten umgedreht haben: "Früher, wenn die landwirtschaftlichen Tätigkeiten erledigt waren auf dem Feld und im Stall, dann war man im Wald", erzählt der Ayinger. "Es hat nie einen Leerlauf gegeben."

Vor kurzem war die Welt auf dem Hof des neuen Vorsitzenden der Waldbesitzervereinigung (WBV) Ebersberg/München Ost noch in Ordnung. Doch dann folgte vor den Osterfeiertagen die Katastrophe: Das Sturmtief Niklas knickte Tausende Bäume wie Streichhölzer um und bescherte den Waldbesitzern Schäden wie seit Jahren nicht mehr. Besonders verheerend traf der Sturm die Wälder der Schotterebene, zu der auch Aying gehört. Fauths Bestände haben vermutlich mehr Schaden genommen als nach dem Orkan Wiebke, der 1990 ganze Wälder umknickte. Fauth schätzt ihn nach derzeitigem Ermessen auf etwa 3000 Festmeter, doppelt so viel wie er im Jahr erntet. Doch Werner Fauth muss sich nun nicht nur um den eigenen Schaden kümmern, sondern allen geschädigten Waldbesitzern zur Seite stehen. Am Mittwoch gab es eine lange Krisensitzung, bei der er mit seinem Vorstand und Vertretern der Staatsforsten das weitere Vorgehen besprochen hat.

Werner Fauth, übrigens Cousin des ehemaligen Ebersberger Landrats Gottlieb Fauth, ist ein stämmiger Mann in moosgrüner Faserpelzjacke. Man sieht ihm an, dass er gewohnt ist anzupacken. Mit seinen ausgeprägten Wangen und dem oft durchdringenden Blick erinnert er an Orson Wells - nur eben mit Lodenhut und moosgrüner Faserpelzjacke. Fauth war schon von Jugend an beides, Landwirt und Waldbauer. In die Landwirtschaft wurde er hineingeboren: Der Hof ist urkundlich nachweisbar seit mehr als 400 Jahren in den Händen seiner Familie. Zum Waldbesitzer wurde er mit 14, als ihm sein Großvater die ersten 23 Hektar Waldflächen übermachte. Insofern ist es logisch, dass ihn die Waldbesitzer im Februar zu ihrem Vorsitzenden gewählt haben, nachdem sein Vorgänger Hans Riedl nach mehr als 30 Jahren im Amt nicht mehr kandidiert hatte.

Zu seinem Wald hat es Fauth nicht weit: Nur ein paar hundert Meter Feldweg muss er mit dem Auto zurücklegen. In der Regel, sagt er, besäßen die Landwirte das Doppelte ihrer Feldflächen an Wald. Er selbst hat im Laufe der Jahre einiges dazugekauft oder auch getauscht, etwa als die Gemeinde Aying eine Fläche für einen Sportplatz brauchte. Heute bewirtschaftet seine Familie zirka 105 Hektar Wald, das liegt weit über dem Durchschnitt seines Zuständigkeitsbereichs: Die WBV Ebersberg/München Ost ist für insgesamt zirka 12 000 Hektar Wald zuständig, der etwas mehr als 1200 Mitgliedern gehört. Nicht alle von ihnen sind so nah an ihrem Holz wie Fauth. Immer mehr landwirtschaftliche Betriebe werden aufgegeben, und der Waldbesitz geht an die Erben über, die häufig in den Ballungsräumen leben. "Die Urbanisierung des Waldbesitzes macht auch vor Aying nicht halt", sagt Werner Fauth.

Deshalb werden die Waldbesitzervereinigungen als "Selbsthilfeeinrichtungen der privaten Waldbesitzer" auch an Bedeutung gewinnen, ist er überzeugt. "Wir stehen finanziell und personell gut da", sagt Werner Fauth. Die WBV Ebersberg/München-Ost biete ihren Mitgliedern die nötige professionelle Beratung. Die sei nicht aufs wirtschaftliche Denken reduziert, sondern auf das "langfristige Optimum" gerichtet: stabile Wälder. Am Waldrand beispielsweise hat er Laubholz, Dornenhecken und Kirschbäume gepflanzt hat. Das macht den Bestand nicht nur weniger anfällig für Sturm, sondern bietet auch Raum für Vögel und andere Tiere. In Sachen Umgestaltung sieht Fauth die Waldbesitzer in der Pflicht. "Wenn wir es selber machen, gibt's von oben keine Bevormundung."

In Fauths bald 40 Jahren als Waldbesitzer hat sich der Waldbau geändert. Nicht nur, weil die Verluste durch Sturm und Borkenkäfer gezeigt haben, wie anfällig die einst so gängigen Fichtenmonokulturen waren. "Die Bewirtschaftung ist ganz anders geworden", sagt Fauth. Früher gab es den Altersklassenwald, die Standardmaßnahme war der Kahlschlag, anschließend wurde die Fläche neu bepflanzt. Die Auswirkungen kann man auch in Fauths Bestand stellenweise noch gut erkennen: auf dem Boden nichts als Nadeln, weil kein Licht durch die dichten Kronen dringt.

Die meiste Fläche seines Waldbodens ist heute hellgrün. Auf einer Fläche von 1,6 Hektar wachsen junge Bäume durch einen Drahtzaun vor Verbiss- und Fegeschäden geschützt heran: Fichten, Tannen, Buchen, dazu ein paar Birken und Eichen, die durch Anflug entstanden sind und zusätzlich gepflanzte Douglasien. "Die Naturverjüngung hat uns viel gebracht", sagt Fauth. Sie mache nicht nur das Anpflanzen überflüssig, sondern spare auch wertvolle Zeit: Auf 10 bis 15 Jahre schätzt er den Vorsprung der Jungbäume, die auf das Licht warten, das die Fällungen hiebreifer Bäume liefern. Damit sie ordentlich wachsen, brauche es aber die richtige Durchforstung: 25 Bäumchen wüchsen pro Quadratmeter in der Naturverjüngung. Später sollten es 350 Stämme sein - pro Hektar. "Da sieht man, dass man was tun muss."

Fauth lobt die Arbeit seines Vorgängers, Hans Riedl aus Bruck, der die WBV durch "schwierige Jahre mit vielen Kalamitäten" geführt habe. Nun muss er selbst die erste große Krise meistern. Als WBV-Chef will er auch in der Bevölkerung ein Bewusstsein für den Wald schaffen, "aber wirklichkeitsgetreu und nicht abstrakt". Deshalb hält er nichts von Forderungen nach immer mehr Naturwaldreservaten. "Flächenstilllegung im Wald wäre das Schlimmste." Denn der Wald sei nun einmal Teil der Kulturlandschaft, mit einer "beachtlichen Wertschöpfungskette" bis zum Schreiner oder zur Papierindustrie. Zur Arbeit Fauths gehört natürlich auch die Kernaufgabe der WBV: die gemeinsame Vermarktung des Holzes. Dass sich Waldbewirtschaftung wieder lohnt, sieht man an dem Rekordumsatz von mehr als 380 Millionen Euro, den die Bayerischen Staatsforsten vergangenes Jahr mit Holzverkauf gemacht haben. Entsprechend größer ist das Potenzial in Privatwäldern, die 54 Prozent der Waldflächen im Freistaat ausmachen. Und die Waldflächen in Bayern nehmen zu - um zirka 2000 Hektar pro Jahr, sagt Fauth.

Fauth räumt ein, dass sein Einkommen "ziemlich stark am Wald hängt". Zwölf Kubikmeter Holz entnehme er gewöhnlich pro Hektar im Jahr. Dafür wüchsen auf gleicher Fläche 15 Kubikmeter nach. Nun hat Sturm Niklas die Ernte mehrerer Jahre an einem Tag gefällt. Ausgerechnet die Natur hat dem Waldbesitzer einen Strich durch die Nachhaltigkeit gemacht. Weil die WBV das Holz zentral vermarktet und längst nicht alle Waldbesitzer so geschädigt sind, kann Fauth zumindest den Absatz zu vernünftigen Preisen sichern. Aber es wird dauern, bis sich sein Bestand erholt hat. Schließlich muss eine Fichte 80 Jahre wachsen, bis sie den gewünschten Kubikmeter Holz bringt. Fauths Wald soll der Familie bleiben, auch seinen Töchtern, von denen eine bereits bayerische Waldkönigin war. Fiel es ihm schwer, die Leitung der Landwirtschaft an den Sohn abzutreten? Fauth verneint. "Man kann die Jugend eine Zeit lang ausbremsen", sagt er. "Aber man muss sie ranlassen. Alles andere bringt nichts. Es ist wie beim Wald."

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