Ebersberg:Zu traurig zum Feiern

Ebersberg: Katerstimmung schon vor Aschermittwoch: Am Vormittag spricht sich auf dem Marienplatz die Absage des Faschingszugs herum.

Katerstimmung schon vor Aschermittwoch: Am Vormittag spricht sich auf dem Marienplatz die Absage des Faschingszugs herum.

(Foto: Christian Endt)

Wegen des schweren Bahnunglücks in Bad Aibling wird in Ebersberg der Faschingsumzug abgesagt. Die meisten Besucher reagieren verständnisvoll.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

Ein einsamer Astronaut steht kurz vor Mittag in seinem glitzernden Kostüm etwas verloren unter den Bäumen in der kleinen Grünanlage an der Friedenseiche. An jedem anderen Faschingsdienstag wäre hier die Hölle los. Bunt geschmückte Wagen würden sich sammeln, bestens gelaunte Narren für den anstehenden Faschingszug rüsten.

Doch dieser Faschingsdienstag ist nicht wie andere. Zu traurig ist dieser Tag zum Feiern, zu schlimm sind die Nachrichten, die aus dem Nachbarlandkreis Rosenheim eintreffen. Viele Menschen sterben bei dem Bahnunglück bei Bad Aibling, noch viel mehr erleiden schwere Verletzungen. Als Ebersbergs Bürgermeister Walter Brilmayer (CSU) kurz nach elf vorschlägt, den traditionellen Faschingszug abzusagen, gibt es niemanden, der widerspricht: "Jeder Mensch, der ein Herz hat, wird das verstehen", sagt Brilmayer. Die Zugabsage ist erst die vierte der Nachkriegszeit: Der Irakkrieg, ein schweres Unwetter und eine Überschwemmung waren die Gründe für die anderen Absagen gewesen.

Erst am Vormittag erfahren viele, wie schlimm das Unglück war

Noch am Morgen hatte es so ausgesehen, als würde es ein fröhlicher Tag. Probeweise wurde die Innenstadt schon einmal mit Partymusik beschallt, auf dem Marienplatz und vor der Feuerwehr wurden Bar, Grills und Bewirtungszonen aufgebaut. Im Quartier der Ebersberger Faschingsgesellschaft bastelte man noch ein bisschen am Wagen herum. Es gab Probleme mit den Bremsen, das beschäftigte die Truppe so, dass sie die minütlich schlimmer klingenden Neuigkeiten über das Bahnunglück gar nicht richtig mitbekam. Als er dann endlich Nachrichten hörte, war Armin Dachgruber, der Chef der Ebersberger Narren, schockiert: "Es ist unfassbar. So viele Tote."

Etwa zur gleichen Zeit verfolgte der Bürgermeister die Entwicklung im Rathaus, wo man sich zur Vorbesprechung des Haushalts getroffen hatte. "Uns war dann schnell klar: Da haben wir heute keinen Spaß. Und es ist auch nicht angemessen, unter diesen Umständen zu feiern", sagt Brilmayer. Auf dem Marienplatz stehen kurz nach der Absage die Oberndorfer Burschen, die sich eigentlich mit ihrem Wagen über den VW-Skandal lustig machen wollten, ein bisschen unschlüssig in ihren weißen Maleroveralls herum. Natürlich habe man Verständnis, sagt Lukas Sandner, es sei ja wirklich schlimm, was da in Bad Aibling passiert sei. Einigen jungen Leuten sieht man die Enttäuschung dennoch an. Warum so etwas denn ausgerechnet an diesem Tag passieren müsse, maulen ein paar Halbwüchsige, die mit ihren Eltern zum Feiern in die Stadt gekommen sind.

Beim Chef der Ebersberger Narren klingelt ununterbrochen das Handy

Armin Dachgruber ist derweil im Stress, an die 40 Telefonate mit angemeldeten Zugteilnehmern, mit Feuerwehr und Helfern hat er schon geführt; wenn er ein Gespräch beendet hat, klingelt sein Handy sofort wieder. "Man denkt immer, man hat alles im Griff, und dann kommt so was", sagt er und schüttelt den Kopf. Die meisten Wagen, die aus den Nachbargemeinden nach Ebersberg kommen wollten, haben gleich wieder umgedreht, sobald sie von der Absage erfahren haben.

Die Faschingsgilde Bad Aibling, die an Position 19 im Zug eingeplant war, ist gar nicht erst losgefahren. Selbst wenn sie hätte feiern wollen, wäre sie gar nicht durchgekommen: Ihr Wagen steht in unmittelbarer Nähe des Unglücksorts und hätte sich seinen Weg durch Rettungskräfte, Polizei und Helfer bahnen müssen. Noch am Sonntag haben die Ebersberger mit den Aiblingern unbeschwert gefeiert und am dortigen Faschingszug teilgenommen.

Die Kehrmaschine fährt wie immer

Von der Absage des Zugs in Ebersberg bekommen die wenigsten Besucher erst einmal etwas mit - wie üblich strömen sie in die Innenstadt und stellen sich erwartungsvoll an der Zugstrecke auf. Als die Polizei und die Faschingsgesellschaft über Lautsprecher über die Situation informieren, sind die Reaktionen unterschiedlich. "Ich finde es gut, dass die Ebersberger solidarisch sind. Die Kinder konnten wir stattdessen mit einem Eis glücklich machen", sagt Annette Handschuh, die in einem tollen Giraffenkostüm und mit ihrer ganzen Familie aus Markt Schwaben gekommen ist. Eine Ebersbergerin, die eine kleine rosa Prinzessin an der Hand führt, bedauert die Absage vor allem für die Kinder: "So schlimm wie es ist, die Absage macht die Leute auch nicht wieder lebendig."

Ein bisschen Fasching gibt es aber am Ende doch noch in der Kreisstadt. Die Bonbons werden eben jetzt einfach so in die Menge geworfen, die Bars und Essstände sind umlagert und die örtlichen Bäckereien machen ein hervorragendes Geschäft mit den Krapfen. Und eines ist wie an jedem anderen Faschingsdienstag: Kurz vor drei fährt eine orangefarbene Kehrmaschine die Zugstrecke entlang - nur, dass es halt nichts zum Wegkehren gibt.

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