Ebersberg:Zorniger Abgang hat Konsequenzen

Ein junger Mann wird wegen versuchter Nötigung verurteilt

Von Max Nahrhaft, Ebersberg

Streit mit der Familie, Stress mit der Freundin, das Handy ist auch noch leer, sogar den Geldbeutel samt Fahrkarte hat er vergessen. So begann der Tag für einen 21-Jährigen aus dem südlichen Landkreis und endete mit einer Anzeige wegen Nötigung, über die nun vor dem Ebersberger Amtsgericht verhandelt wurde. Denn obwohl er weder Geld noch eine Fahrkarte hatte, wollte der junge Mann irgendwie nach Hause kommen und stieg in die S-Bahn Richtung Ebersberg ein - die 1,40 Euro für den Fahrschein hatte er nicht bei sich. Prompt wurde er in Baldham kontrolliert. Die Kontrolleure baten ihn auf den Bahnsteig hinaus, wo sich die Situation aufheizte.

Nachdem der junge Mann eine sogenannte Selbstauskunft mit seinen Personalien ausgefüllt hat, wollte er den Bahnhof verlassen. Doch die Kontrolleure stellten sich ihm in den Weg. "Wir können nie genau wissen, ob die Angaben der Schwarzfahrer auch richtig sind. Deswegen halten wir sie ganz routinemäßig fest, bis die Personalien von der Polizei überprüft wurden", erklärte einer der beiden sein Verhalten vor Gericht. Nach solch einem Tag hatte der Angeklagte aber kein Verständnis für diese Maßnahmen und "verlor die Contenance", wie es der Staatsanwalt formulierte. Der 21-Jährige ging davon aus, dass die Bahn ihm die Rechnung für das Schwarzfahren schon nach Hause schicken werde.

"Alles Weitere habe ich als bloßen Schikane empfunden. Der eine Kontrolleur war auch ziemlich aggressiv und fasste mich an", rechtfertigte sich der Angeklagte. Dessen Flucht wollte einer der beiden Kontrolleure nämlich verhindern, indem er sich ihm in den Weg stellte, die Hand auf seine Brust legte und ihn mit voller Kraft zurück drückte. Da platzte dem 21-jährigen Schwarzfahrer der Kragen. "Wenn du mich nochmals anfasst, hau' ich dir aufs Maul", brüllte er dem Kontrolleur ins Gesicht, der sich nur wenige Zentimeter vor ihm aufgebaut hatte.

Doch was danach passierte, ist nicht mehr eindeutig zu klären. Die Aussagen der Kontrolleure vor Gericht widersprachen sich. Der Anwalt des Angeklagten unterstellte einem der beiden sogar einen Strafverfolgungswillen. Das heißt, dass er unbedingt den Angeklagten als Verurteilten sehen wollte. Es ging um die Frage, ob der Angeklagte die beiden Kontrolleure bei seiner Flucht nur leicht touchierte - so die Aussage des einen - oder absichtlich mit der Schulter rammte - wie der andere behauptete. Die Indizien sprachen aber eher für die Version, dass die Berührung weniger eine beabsichtigte Körperverletzung, als vielmehr ein kleiner Rempler war.

Nachdem sich der 21-Jährige der Kontrolle der beiden Kontrolleure entrissen hatte, lief er die Treppe auf die Straße hinunter und verließ den Ort des Geschehens - seine Personalien habe er ja abgegeben. In der Zwischenzeit verständigten seine beiden Wächter aber die Polizei, die sich auf den Weg zum Tatort machte. Als ein Polizeiwagen dem jungen Angeklagten entgegenfuhr, wurde diesem schlagartig klar, dass die Streife für ihn bestimmt war. Die vermeintliche Schikane entpuppte sich als ernste Angelegenheit. Deswegen kehrte er auf dem Absatz um und stellte sich den Beamten. "Ich bin wohl der, den ihr sucht", sagte er noch zu den Polizisten, bevor sie ihn völlig gewaltfrei in Gewahrsam nahmen.

Sowohl der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts, als auch der Staatsanwalt befanden, dass man unter solchen Umständen lediglich von einer versuchten Nötigung sprechen könne. Die mündliche Gewaltandrohung des Angeklagten erfülle nicht den Tatbestand der Erpressung. Außerdem sei er eher aus Unwissenheit geflohen und nicht, um die Strafe für das Schwarzfahren zu umgehen. Der Verteidiger des Angeklagten plädierte sogar für einen Freispruch, da der Kontrolleur seinen Mandanten gar nicht erst hätte anfassen dürfen. Im Urteil konnte der Richter dieser Argumentation nicht ganz folgen und verfügte eine Geldstrafe in Höhe von 675 Euro für das Schwarzfahren und die versuchte Nötigung.

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