Louisa Wagener:Wie man ein Spiel dreht

'In our country' - Louisa Wagener Dreharbeiten

Regisseurin Louisa Wagener in der Mannschaftskabine des TSV Ebersberg.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Louisa Wagener macht einen Film über einen jungen Eritreer, der in Ebersberg ankommt. Unter den Schauspielern sind auch Menschen mit Fluchterfahrung.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Es sollte eben nicht nur ein Film über Flüchtlinge werden, sagt Louisa Wagener. Nein, vor allem sollte ein Film mit Flüchtlingen entstehen. "Es ist viel glaubwürdiger, wenn ein Betroffener die Rolle spielt", sagt die 23-Jährige. Sie, die Studentin aus Ebersberg, hatte sich da was in den Kopf gesetzt. Ihre Abschlussarbeit an der Münchner Medienhochschule Macromedia sollte etwas Besonderes werden. "Mir war wichtig, in der derzeitigen politischen Diskussion ein Statement zu setzen", sagt Wagener. Ihr Film über einen Teenager aus Eritrea, der sich in der Fußballmannschaft des TSV Ebersberg behaupten will, soll im Herbst erscheinen. 30 Minuten wird er dauern, Flüchtlinge sollten die Rollen spielen. Wäre da nur nicht die deutsche Bürokratie im Weg gewesen.

Allein die Entstehungsgeschichte von Wageners Film "In Our Country" ist mit ihren Höhen und Tiefen, Erfolgen und Rückschlägen filmreif. Spannend wurde es vor allem, weil die gebürtige Ebersbergerin, die in Steinhöring wohnt, mit ihrem Team auf der kanarischen Insel Fuerteventura drehte und plötzlich vor einem schier unüberwindbaren Hindernis stand: Die 20 Flüchtlinge, die das Team gecastet hatte, durften nicht mitreisen, zumindest sah das die Ausländerbehörde in München so. Asylbewerber, die auf ihre Anerkennung warten, sollen in dieser Zeit in dem Bundesland bleiben, in dem sie untergebracht sind. Wer eine Ausnahmegenehmigung braucht, für den wird es kompliziert, wie es Wageners Crew zu spüren bekam.

Im Fußball steckt viel Emotion

Ein Donnerstagabend im Café Artesano in Ebersberg bei Tee und Kaffee. Der Tassilopreis? "Überhaupt nominiert zu sein ist für mich und das Team eine große Ehre", sagt Wagener, Stiefel, Mantel, gekämmte Haare. Warum eigentlich Fußball? "Weil ich jahrelange Erfahrung habe", sagt Wagener. Als Kind sei sie jedes Wochenende am Spielfeldrand gestanden, ihr Bruder ging für Ebersberg auf Torejagd. "Im Fußball steckt soviel Emotion drin", sagt sie.

Wagener hat selbst nie Fußball gespielt, wobei das nicht überraschend wäre, angesichts ihrer Lebensgeschichte. "Ich habe tausend Dinge ausprobiert", erzählt sie, gemalt, geschrieben, sich für Architektur und Dekoration interessiert. "Alles angefangen, aber nie was zu Ende gebracht", sagt sie. Bis sie schließlich ihr Regie-Studium begann. "Dort kann ich all meine Ideen in Bildern vereinen."

Finanzielle Unterstützung vom BR

Der Tassilopreis wäre für die 23-Jährige die allererste Auszeichnung, ein Sprungbrett in der umkämpften Filmbranche, in der auch die Ausbildung an der Privathochschule Macromedia kein Freifahrtschein ist. Klar, wer hier studiert, hat eine deutlich bessere Ausrüstung zur Verfügung als die meisten staatlichen Universitäten, bezahlt dafür hohe Semestergebühren. Für ihren Abschlussfilm hatten Wagener und ihre beiden Kommilitonen ein mit Profis bestücktes Filmteam zur Verfügung, darunter Christian Lerch und Michael Altinger. Luxus, von dem man an anderen Unis nur träumen kann.

Dass Wagener mittlerweile stundenlanges Rohmaterial sortiert, hat aber mit Luxus rein gar nichts zu tun. "Dass das Ganze überhaupt so möglich war, darum mussten wir uns schon selbst kümmern", sagt Wagener. Auch finanziell. Um die Reisen und die Aufwandsentschädigungen für die Flüchtlinge und Schauspieler zu bezahlen, brauchte es etwas, was Wageners Film von den Produktionen der Kommilitonen abhob: Nachdem sie ihr Konzept vorgestellt hatten, erhielten sie einen Auftrag vom Bayerischen Rundfunk, der die Produktion mitfinanziert und den Film zeigen wird.

Eine kleine Geschichte, die für etwas Großes steht

Am Ende schaffte Wageners Crew es, für 20 Flüchtlinge in kleineren Rollen eine Genehmigung für die Ausreise zu bekommen. Den Hauptdarsteller mussten sie anderweitig besetzen, die Wartezeit für die Genehmigung war zu lang. Schließlich engagierte sie den Eritreer Alexes Feelmo, der seit seiner Kindheit in Deutschland lebt. Er spielt einen 17-jährigen Eritreer, der auf der Flucht seinen Bruder verliert. In Bayern angekommen, tritt er dem TSV Ebersberg bei, hat es aber schwer, von den Mitspielern akzeptiert zu werden.

"Es ist eine kleine Geschichte, die für etwas Größeres steht", sagt Wagener. In "In Our Country" geht es auch um Schwierigkeiten nach der Ankunft. Die Ängste der Einheimischen sind im Film konkret, die Ebersberger Kicker fürchten um ihre Stammplätze - eine begründete Angst, die fast immer herrscht, wenn ein Neuer zum Team stößt. Das Drama gipfelt im Derby gegen Grafing. Mit 0:1 in Rückstand liegend, stehen die Ebersberger (in Originaltrikots) vor der entscheidenden Frage: Weitermachen wie bisher, oder den Neuen miteinbinden, um das Spiel noch zu drehen?

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