Ebersberg:Wettlauf zur Energiewende

Bis 2030 will der Landkreis unabhängig von fossilen Brennstoffen sein, jetzt wird er vom Atomausstieg 2022 überholt

Ronen Steinke

Als der CSU-dominierte Landkreis im Juli 2006 verkündete, sich bis 2030 von allen fossilen Brennstoffen sowie der Atomkraft lossagen zu wollen, da klang das ehrgeizig. Das "grüne Herz im Osten Münchens", wie der Kreistag sein damaliges Aktionsprogramm überschrieb, wollte voranschreiten in Bayern. Doch heute, fünf Jahre später, nach dem an energiepolitischen Wendemanövern nicht eben armen Frühjahr 2011? Inzwischen sind von anderen Stellen weitaus ehrgeizigere Zielmarken ausgegeben worden. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich auf eine "Energiewende" bis 2022 verständigt, der Freistaat Bayern ebenso. Die vom Landkreis einst so stolz verkündete Zielmarke 2030 klingt plötzlich nicht mehr ganz so ehrgeizig.

Ebersberg: "Der Ausstieg darf nicht allein auf die Atomkraft fokussiert werden": Ebersbergs Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr.

"Der Ausstieg darf nicht allein auf die Atomkraft fokussiert werden": Ebersbergs Klimaschutzmanager Hans Gröbmayr.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Was allerdings täuscht. Wo Berlin und München von "Energiewenden" sprechen, meinen sie anderes als der Landkreis. Sie meinen weniger, und dies in doppelter Hinsicht, wie der designierte Klimamanager im Landkreis Ebersberg, Hans Gröbmayr (SPD), erklärt. "Auf der Landes- und Bundesebene geht es leider nur um den Ersatz des Atomstroms", sagt Gröbmayr. "Im Landkreis haben wir uns zusätzlich vorgenommen, von den fossilen Energieträgern unabhängig zu werden." Auf den höheren politischen Ebenen trete der Begriff "Energiewende" also schlicht an die Stelle des altbekannten "Atomausstiegs".

Im Landkreis geht es zudem um mehr als nur die Stromversorgung. "Wir nehmen die Energieversorgung insgesamt in den Blick - das heißt auch Wärme", sagt Gröbmayr. Die Wärmeerzeugung mache quantitativ sogar mehr aus als der Strom: Zwei Drittel der Energie flössen in Deutschland in Wärme, nur ein Drittel in Elektrizität. Indem der Landkreis auch seine Wärme erneuerbar gewinnen wolle, gehe er weiter als die Landes- oder Bundesregierung, sagt auch Norbert Neugebauer, der Büroleiter des Ebersberger Landrats Gottlieb Fauth (CSU): "Gerade bei der Wärme gibt es das meiste Einsparpotenzial." Das Energiewende-Ziel des Landkreises ("bis 2030") wird also von den Energiewende-Zielen des Freistaats und der Bundesregierung ("bis 2022") zwar überlagert. Redundant wird es aber nicht.

Vielmehr vermuten zumindest Gröbmayr und Neugebauer, dass die vom Landkreis gesteckten Ziele andere angespornt hätten. In Kassel treffen sich jedes Jahr die sogenannten 100-Prozent-Kommunen, das sind jene, die sich eine Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen zum Ziel gesetzt haben. Dieser Klub wachse schnell, erzählt Landrats-Büroleiter Norbert Neugebauer. Daran habe der Landkreis, der 2006 dem Beispiel von Fürstenfeldbruck folgte und seine 21 Kommunen in den 100-Prozent-Klub einbrachte, einen Anteil. "Wir haben sicher andere Kommunen angesteckt." Heute haben die meisten Kommunen, die zu dem Klub gehören, sich das Jahr 2035 als Ziel gesetzt. Die Ebersberger gehören mit ihrer Zielmarke 2030 weiterhin zu den besonders Ehrgeizigen, die Marktgemeinde Glonn mit ihrem Ziel 2020 ganz besonders.

Wenn nun auch auf Bundes- und Landesebene "Energiewenden" beschlossen sind, dann macht das die ehrgeizigen Ziele im Landkreis Ebersberg also nicht überflüssig. Die Politik im Landkreis wird aber davon dennoch berührt: Von einem "Beschleunigungseffekt", auf den man hoffen könne, spricht Klimamanager Gröbmayr. Der Meinungsumschwung in München und Berlin könne die Menschen im Landkreis noch einmal bestärken, hofft auch Norbert Neugebauer vom Landratsamt. Und er denkt dabei nicht nur an die Bevölkerung: Auch mancher Lokalpolitiker zeige jetzt vielleicht mehr Elan als vor den Umschwüngen in Berlin und München. (Innenansicht)

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