Ganztagsbetreuung:Politischer Schnellschuss oder Chance zur Gestaltung?

Der von der Staatsregierung geplante Ausbau der Betreuung an den Grundschulen wird von Kita-Trägern und Rektoren im Landkreis kontrovers diskutiert.

Von Carolin Fries, Ebersberg

Die Pläne der Staatsregierung, mehr Ganztagsbetreuung an Grundschulen im Freistaat anzubieten, werden von Schulleitern und Trägern von Horten und Mittagsbetreuung im Landkreis sehr unterschiedlich bewertet.

Zwar heißt es in der Vereinbarung mit den Kommunalen Spitzenverbänden, dass die Vielfalt der bereits etablierten Angebote bestehen bleiben soll und die Qualität der Betreuung weiter im Mittelpunkt steht. Für Ulrike Bittner, Kreisgeschäftsführerin der Arbeiterwohlfahrt (Awo) aber ist es vor allem "ein politischer Schnellschuss".

Schulamtsleiterin Angela Sauter sagt, dass man so ein "Riesenprojekt" nicht ganz so schnell auf die Beine stellen könne, wie man es unterschrieben habe. Bayernweit sollen 300 Schulen bereits vom kommenden Schuljahr an eine Betreuung montags bis freitags bis 16 Uhr anbieten, ein Drittel davon sogar bis 18 Uhr. In den folgenden Jahren soll das neue Angebot um tausend Gruppen pro Schuljahr ausgeweitet werden -bis der Bedarf an Ganztagsbetreuung in Bayern gedeckt ist. Darüber hinaus ist eine Betreuung in den Ferienzeiten geplant. Die Betreuung bis 16 Uhr soll die Eltern nichts kosten, lediglich wer sein Kind bis 18 Uhr und in den Ferien betreuen lässt, muss zahlen.

Ob sich im Landkreis eine Schule für die Modellphase bewirbt, kann Angela Sauter noch nicht absehen. Am 8. Mai würden die Schulamtsleiter detailliert informiert. "Sollte sich eine Schule bewerben, werden wir das unterstützen", sagt Sauter. Aktuell gibt es im Landkreis an jeder Grundschule zumindest die "kleine Lösung" wie Sauter sagt - das ist eine Mittagsbetreuung bis 14 Uhr. Diese Mittagsbetreuungen könnten laut Sauter in die Offene Ganztagsschule überführt werden - inklusive des Personals. Fraglich sei allerdings, wer dann Träger dieser Angebote ist - und wie die Räumlichkeiten aussehen. "Die Schule wird nicht der Träger sein", sagt Sauter. Sehr wohl aber würde das Schulamt ein Auge darauf haben, dass die Kinder "nicht eingepfercht werden" sondern "einen Lebensraum erhalten". Laut Schulamt nimmt aktuell etwa die Hälfte der Grundschulkinder ein Betreuungsangebot nach der Schule wahr. Sauter kann sich nicht vorstellen, dass der Bedarf explodieren wird - obwohl er seit Jahren kontinuierlich steigt. "Es ist wichtig, dass kein Kind auf der Straße steht."

Die steigende Nachfrage nach Betreuungsangeboten nach Unterrichtsschluss bestätigt auch Simone Fleischmann, Rektorin der Anni-Pickert-Grundschule in Poing. Sie ist überzeugt, zusammen mit den Kommunen gute Lösungen erarbeiten zu können, denn: "Unterfinanziert ist das Programm nicht". Für die Kinder sei es sogar von Vorteil, eine Einrichtung zu besuchen, die den kompletten Tag abdeckt, anstatt von der Morgenbetreuung im Hort in die Schule zu pendeln und über die Mittagsbetreuung um 16 Uhr wieder zurück in den Hort. "Dem Kind ist es egal, wie das finanziert wird." Eine räumliche Gestaltung, die den Bedürfnissen der Kinder gerecht wird, ist auch Fleischmann wichtig. Sie sieht zusammen mit Kommunen und Trägern einen großen Gestaltungsspielraum bis hin zu Modellen, die der gebundenen Ganztagsschule ähneln - "wenn man erst das Konzept entwickelt und dann einen Träger sucht".

Awo-Kreisgeschäftsführerin Ulrike Bittner ist hingegen skeptisch, ob ein Aufbau des neuen Angebots auf den vorhandenen Strukturen wirklich möglich sein wird. Zum einen befürchtet sie mehr Bürokratie, weil wieder Sozial- und Kultusministerium in die Kinderbetreuung eingebunden sind. Zum anderen könnten Qualitätseinbußen drohen In der Vereinbarung heißt es zum Beispiel "Kosteneinsparungen sind bei der Ergänzungskraft durch Einsatz einer qualifizierten Tagespflegeperson möglich." Bittner: "Ich vergleiche das gerne mit dem Haareschneiden. Es ist ein Unterschied, ob jemand das in einer mehrjährigen Ausbildung gelernt hat oder nicht." Aktuell sei es bereits schwer, qualifiziertes Personal zu finden. Ihr fehlt die Nachhaltigkeit und Kontinuität im Ausbau der Kinderbetreuung. "Es geht nicht darum, dass die Kinder weg sind von der Straße und jemand nett zu ihnen ist. Es geht um Erziehungsarbeit."

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